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News: Neurochip - nicht nur Fiction, jetzt auch Science

Wissenschaftlern ist es gelungen, den ersten Siliziumchip herzustellen, der mit lebenden Nervenzellen ausgestattet ist. Der „Neurochip” könnte der Vorläufer für bionische Augen oder andere medizinische Technologien sein, die durch Kombination von Silizium und lebenden Neuronen hergestellt werden. Neurobiologen wollen ihn zunächst jedoch für bescheidenere Zwecke einsetzen: Sie möchten verstehen, wie Nervenzellen wachsen und miteinander kommunizieren.
Biologen haben seit Jahren einzelne Neuronen studiert und gelernt, deren Sprache in Nerven und Gehirnen zu belauschen. Doch der Versuch, mit solchen Messungen herauszufinden, wie Neuronen kommunizieren, entspricht dem Vorhaben, die Grundlagen der Elektronik am Beispiel eines heutigen Computers zu erlernen. Deshalb haben Neurowissenschaftler schon lange darauf gewartet, ähnlich wie angehende Ingenieure einfache Schaltkreise bauen zu können – nur eben mit Neuronen als Bauelementen. Aber wenn sie versuchten, lebende Nervenzellen zu verknüpfen, hat dies meistens dazu geführt, daß die Nervenzellen verletzt oder abgetötet wurden.

Zusammen mit einem Team von Elektroingenieuren und Biologen hat Jerome Pine, Neurophysiker am California Institute of Technology in Pasadena, eine mikroskopische Silizium-Landschaft geschaffen, die einzelne Neuronen einschließt, ihnen aber gleichzeitig erlaubt, untereinander Verbindungen herzustellen. Der Chip besitzt 16 winzige Schächte mit einem Durchmesser von ca. 1/40 Millimetern, ausgestattet mit kurzen Tunneln, die an die Oberfläche führen. In jeden Schacht positionierten die Forscher eine Gehirnzelle eines Rattenembryos. Als die Zellen wuchsen, entwickelten sie lange Dendriten, welche durch die Tunnel zu den benachbarten Schächten führten. Drähte im darunterliegenden Silizium überwachten das elektrische Verhalten der Neuronen.

Schließlich etablierten die Dendriten Kontakte zu den Nervenfasern der benachbarten Zellen und stellten eine normale elektrische Aktivität her. „Die größte Herausforderung”, sagt Pines, „ist jetzt die Aufrechterhaltung eines gesunden Netzwerks.” Bisher waren die Forscher lediglich in der Lage, die Zellen zwei Wochen lang am Leben zu halten. Sobald sie es schaffen, den Schaltkreis etwa einen Monat lang arbeiten zu lassen, könnten sie vielleicht untersuchen, wie kleine Gruppen von Neuronen „lernen”, wenn sie wiederholt stimuliert werden.

„Die Arbeit wird mit Sicherheit für zukünftige medizinische Anwendungen sehr wichtig sein”, meint Peter Fromherz, Neurophysiker am Max-Planck-Institut für Biochemie in München. Er arbeitet ebenfalls daran, Neuronen mit Siliziumbauteilen zu verbinden. „Die Netzhaut mit ihrer planen Struktur ist vielleicht das beste System, um mit flachen Neurochips möglicherweise imitiert zu werden”, sagt er. Doch solche Anwendungen liegen noch in weiter Ferne. Pine warnt: „ Rechnen Sie besser nicht mit irgendwelchen Erfolgen während unserer Lebenszeit.”

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