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Klimapolitik: Nicht mehr zeitgemäß

Etwa alle sechs Jahre stellt das IPCC mit seinen Berichten einen Gesamtüberblick über den Stand der Klimaforschung vor. Ist das überhaupt noch sinnvoll?
Lars Fischer

Am 27. September veröffentlicht das Intergovernmental Panel on Climate Change den ersten Teil seines nunmehr fünften Berichts über den aktuellen Forschungsstand in Sachen Weltklima. Er sollte der letzte seiner Art sein – es ist an der Zeit, dass das IPCC von dieser Form des klimaforscherischen Opus magnum abrückt und stattdessen in kurzen Abständen kleinere, fokussiertere und aktuellere Berichte zu ausgewählten Themen herausgibt.

Altbekannt und oft auch veraltet

Die Nachteile der bisher angestrebten Gesamtschau sind schon länger bekannt, zeigen sich aber im Vorfeld des fünften Assessment Report besonders deutlich. Zum einen ist er in vielen Punkten überflüssig: Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass nicht viel Neues darin stehen wird. Der Mensch verändert das Klima, das wissen wir nun zu 95 Prozent sicher statt zu 90, wie noch im Jahr 2007. Gegen beide Grade der Gewissheit hätte es sich nicht zu wetten gelohnt. Die Klimasensitivität ist etwas geringer, das Eis der Arktis schmilzt dafür etwas schneller als vermutet, und der Meeresspiegel steigt bedrohlich. Das Grundmuster ist lange bekannt, genauso wie sich an den meisten Unsicherheiten und offenen Fragen nichts Wesentliches geändert hat.

Und bei Themen in der aktuellen Debatte, insbesondere solchen, bei denen sich der wissenschaftliche Kenntnisstand rapide ändert, sind die IPCC-Berichte meist schon veraltet – das jüngste Beispiel ist die Debatte um die angeblich seit Beginn des Jahrtausends gestoppte Erwärmung. Zu dieser und vergleichbaren Fragen wird der Bericht wenig beitragen, genauso wenig wie zu den Diskussionen um die neuesten Klimamodelle. Zu lang sind die Diskussions- und Entscheidungsprozesse in der gegenwärtigen Struktur.

Vor allem aber steht der Aufwand in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag. Damit uns der fünfte IPCC-Bericht noch einmal auflistet, was wir aus dem vierten Bericht schon wissen, haben unzählige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sechs Jahre gearbeitet, sind zu Konferenzen und Treffen um die Welt gereist und haben hitzig über Absätze und Halbsätze debattiert. Ehrenamtlich, wohlgemerkt. Diese Kreativität und Arbeitskraft sollte in lohnendere Aufgaben investiert werden. Denn den Klimaschutz wird das Dokument trotz all der Mühe nicht voranbringen – die wissenschaftlichen Fakten sind nicht das Problem der Klimapolitik.

Wie viel bewegen die IPCC-Berichte noch?

Im Gegenteil, das IPCC erfüllt seit nunmehr zwei Jahrzehnten zuverlässig die ihm zugedachte Aufgabe: den Stand der Klimaforschung zusammenzufassen und so der internationalen Klimapolitik eine belastbare Grundlage für Verhandlungen und Entscheidungen zu geben. Dass die tatsächlichen Entscheidungen der internationalen Delegationen auf den Klimagipfeln, zuletzt in Kopenhagen, hinter dem Nötigen und den Hoffnungen zurückbleiben, steht auf einem anderen Blatt. Und daran werden auch fünf weitere Assessment Reports nichts ändern.

Stattdessen muss das IPCC seine Energien darauf konzentrieren, spezifische Debatten wissenschaftlich zu unterfüttern, wenn sie stattfinden. Welche Rolle spielt der Klimawandel für Extremwetter? Wie entwickeln sich die Niederschlagsmengen in den wichtigen Ackerbauregionen? Wie reagiert das Meeresleben auf versauernde Ozeane? Viele Länder werden sich diese Fragen schon in naher Zukunft ganz konkret stellen. Und sie werden nicht drei Jahre bis zum nächsten IPCC-Bericht warten wollen – wenn das Panel auch in Zukunft für die Klimapolitik relevant sein soll, muss es in der Lage sein, solche Fragen direkt zu beantworten.

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