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Nobelpreise 2014: Es werde blaues Licht

Die Erfinder der blauen Leuchtdiode, Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura, erhalten den Nobelpreis für Physik 2014. Energieeffiziente, langlebige weiße LEDs waren ohne blaues Licht jahrzehntelang nicht möglich.
Blaue LED

Der diesjährige Physik-Nobelpreis wurde ganz im Sinne seines Stifters Alfred Nobel vergeben. Denn nach seinem Willen sollen vor allem Entwicklungen oder Erfindungen zum Wohle der Menschheit ausgezeichnet werden. Das trifft nach Ansicht des Nobelkomitees auf die drei japanischen Forscher Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura in vollem Umfang zu. Sie entwickelten in den 1990er Jahren Leuchtdioden (kurz: LED), die blaues Licht aussenden. In Kombination mit den bereits in Gebrauch befindlichen roten und grünen LEDs ergab sich damit erstmals die Möglichkeit, mit LEDs weißes Licht zu erzeugen.

Diese haben gegenüber den meisten anderen Lichtquellen ist eine sehr hohe Effizienz oder Lichtausbeute und beinhalten kein giftiges Quecksilber wie Energiesparlampen. "LEDs leisten damit einen Beitrag zur Energieeinsparung" sagt Christopher Kölper von Osram Opto Semiconductors. Somit ist der begehrte Preis nach Jahren wieder an eine Entwicklung mit Anwendungen im alltäglichen Leben vergeben worden.

"Eigentlich konnte das nach damaliger Lehrmeinung gar nicht funktionieren"Detlef Klimm

Wir befinden uns derzeit in einem rasanten Umbruch der Beleuchtungstechnik. Die gute alte Glühbirne hat bald ausgedient, Energiesparlampen bereiten wegen der enthaltenen Schadstoffe Probleme mit der Entsorgung. Fluoreszenzleuchten (auch Neonröhren genannt) sind noch häufig in Gebrauch, weisen aber eine geringere Lichtausbeute auf als LEDs.

LEDs erzeugen Licht auf völlig neue Art und Weise als ihre Vorgänger. Die Dioden bestehen aus zwei Lagen unterschiedlicher Halbleiter. Eine Lage enthält einen Überschuss an negativ geladenen Elektronen und bildet daher einen n-Halbleiter. Der gegenüberliegenden Schicht fehlen hingegen Elektronen, sie ist ein p-Halbleiter. Diese Elektronenverarmung kann man sich auch als Löcher im Atomgitter vorstellen, das den Kristall formt, also wie Löcher in einem Schweizer Käste. Diese Löcher oder "Defektelektronen" können als effektiv positive Ladungsträger durch das Kristallgitter hüpfen.

Das Gegenstück zur Solarzelle

Zwischen der n- und der p-Schicht bildet sich ein sogenannter pn-Übergang oder aktive Zone. Sobald eine elektrische Spannung an die Diode angelegt wird, wandern in diese Zone die negativen Elektronen von der n-Seite und die positiven Löcher von der p-Seite hinein. Treffen sie aufeinander, vereinigen sie sich und setzen Energie frei. Bei Leuchtdioden wird diese Energie in Form von Licht frei. LEDs bilden damit gewissermaßen die Umkehrung der Solarzelle: LEDs machen Licht aus Strom und Solarzellen Strom aus Licht.

Die Energie stammt hierbei vom Elektron, das aus dem energiereicheren Leitungsband in das energieärme Valenzband des Halbleiters hinunter fällt. Die Energiedifferenz wird als Lichtquant frei. Die Farbe des Lichts hängt von der Höhe des Quantensprungs zwischen den beiden Energiebändern ab – und damit von dem Material des Halbleiters. Es kann jedoch auch vorkommen, dass ein Teil der Energie nicht in Licht umgewandelt wird, sondern beispielsweise in Schwingungen des Kristallgitters. Das verringert die Lichtausbeute.

Dieses Phänomen entdeckte schon 1907 der Brite Henry Round an einem Siliziumkarbidkristall, der damals als Assistent des Radiopioniers Guglielmo Marconi arbeitete. Doch erst in den 1950er Jahren nahm das Forschungsgebiet an Fahrt auf, als Heinrich Welker in den Siemens-Schuckertwerken Halbleiter aus der III. Hauptgruppe des Periodensystems (Gallium, Bor und Erdmetalle) und der V. Gruppe (Stickstoff, Phosphor, Arsen usw.) entdeckte und untersuchte. Insbesondere die Materialkombination Galliumarsenid (GaAs) erwies sich als besonders geeignet für die Erzeugung von Licht.

Im Herz der LED | Eine Leuchtdiode besteht aus mehreren Halbleiterschichten. Sobald eine elektrische Spannung an die Diode angelegt wird, wandern die negativen Elektronen von der n-Schicht und die positiven Löcher von der p-Seite in die aktive Zone. Treffen sie aufeinander, vereinigen sie sich und setzen Energie in Form von Licht frei. In einer blauen LED befinden sich zahlreiche Schichten aus Galliumnitrid (GaN). Mit Hilfe von Indium (In) und Aluminium (Al) lässt sich die Effektivität erhöhen.

In den 1960er Jahren wurden die ersten Infrarotlicht emittierenden GaAs-Leuchtdioden entwickelt. Es folgten rote und gelb-grüne LEDs. Doch die Erzeugung von blauem Licht wollte einfach nicht gelingen.

Akasaki und Amano arbeiteten an der Universität von Nagoya, während Nakamura bei einer kleinen Firma namens Nichia Chemicals angestellt war. Sie hatten sich auf den Halbleiter Galliumnitrid konzentriert, der hoffnungsvolle Eigenschaften besaß. Es kam zu einem Wettlauf mit anderen Forschern, doch niemandem gelang es, Kristalle aus diesem Material herzustellen. In Fachkreisen galt es bald als unmöglich, Galliumnitrid-Kristalle zu züchten.

In dieser Phase gingen die drei japanischen Forscher mit einer unkonventionellen Idee an das Problem heran. Sie verwendeten Saphir als Substrat und dampften Galliumnitrid auf diese Unterlage auf. Physiker nennen dies Epitaxieverfahren. "Eigentlich konnte das nach damaliger Lehrmeinung gar nicht funktionieren", sagt Detlef Klimm vom Leibniz-Institut für Kristallzüchtung in Berlin. Saphir und Galliumnitrid unterscheiden sich zu stark in ihrem kristallinen Aufbau, so dass alle Experten meinten, auf diese Weise könne auf dem Saphir keine Galliumnitridschicht wachsen. "Die probierten es einfach aus und kamen in erstaunlich kurzer Zeit zu erstaunlich guten Ergebnissen", erinnert sich Klimm und resümiert: "Das war wirklich eine tolle Leistung."

Ab 1986 gelangen die ersten Versuche, Galliumnitrid-Kristalle epitaktisch herzustellen und 1992 präsentierten Akasaki and Amano die erste blaue LED. Nakamura ging einen technisch etwas anderen Weg, auf dem er etwa gleichzeitig zum Ziel gelangte. In den 1990er Jahren ging es dann vor allem darum, die Effizienz zu erhöhen, sprich den kleinen Halbleitern immer mehr Licht zu entlocken. Der nächste Schritt bestand dann in der Entwicklung von blauen Laserdioden. Weil blaues Licht eine kleinere Wellenlänge als rotes besitzt, lässt sich mit ihm Information auf kleinerem Raum schreiben und lesen. Heute lesen blaue Laserdioden Blu-Ray Disks aus und arbeiten in Laserdruckern.

Weiß dank Blau

Blaue Laserdioden haben aber vor allem den Weg freigemacht für weißes Licht. Das erreicht man zum Beispiel, indem man die drei Farben rot, grün und blau kombiniert. Warme und kalte Weißtöne werden heutzutage jedoch überwiegend auf andere Weise erzeugt: Das Licht einer blauen LED fällt auf ein Konvertermaterial, dass dadurch angeregt gelbes Licht aussendet. Die Überlagerung nehmen wir als weißes Licht wahr.

Farbige und Weiße LEDs haben mittlerweile weite Bereiche unseres Alltags erobert: Bei Flachbildschirmen dienen sie zunehmend als Hintergrundbeleuchtung, in Autoscheinwerfern sind sie immer häufiger zu sehen. Zukünftig sollen LEDs auch zunehmend in der Alltagsbeleuchtung wie in Straßenlampen oder in unseren Wohnungen zum Einsatz kommen.

Energiesparen mit LED | LEDs brauchen weniger Energie um Licht zu erzeugen als andere Leuchtmittel wie die klassische Glühbirne oder die Neonröhre.

Doch die Forschung ist noch lange nicht abgeschlossen. "Wir arbeiten weiter an der Verbesserung der Effizienz und an einfacheren Fertigungstechniken", sagt Osram-Forscher Kölper. Die Vorteile liegen auf der Hand: In Sachen Lichtausbeute, Lebensdauer und damit Wartungsfreiheit sind die kleinen Halbleiter unübertroffen. Insbesondere in der deutschen Autoindustrie will man zunehmend LEDs einsetzen. "Wir sehen eine dramatische Zunahme beim Einsatz in Frontscheinwerfern", sagt Kölper. Außerdem forschen die Ingenieure unter anderem an intelligenten Scheinwerfern. "Da wir es hier nicht nur mit einem Halogenstrahler zu tun haben, sondern mit vielen kleinen Birnchen, können wir diese einzeln ansteuern", so Kölper. "Dies könnte es ermöglichen, dass das Scheinwerferlicht selektiv bestimmte Bereiche am Straßenrand ausleuchtet, wie Schilder oder Passanten."

So gesehen hat die Entwicklung der drei japanischen Physik-Nobelpreisträger unser Alltagsleben tatsächlich tiefgreifend verändert und wird es wohl auch weiterhin tun. Denn "heute können wir Galliumnitrid-Kristalle auch rein züchten und schaffen damit das, was Nakamura und Kollegen nicht hinbekommen haben", sagt Detlef Klimm. Das dürfte weitere technische Entwicklungen ermöglichen.

Nakamura ist übrigens durch seine Erfindung ein reicher Mann geworden. Im Jahr 2005 entschied ein Gericht in Tokio, dass sein damaliger Arbeitgeber Nichia Chemicals ihm 8,1 Millionen Dollar zahlen muss. Damit sollte er an den 580 Millionen Dollar beteiligt werden, die das Unternehmen mit seiner Erfindung eingenommen hatte.

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