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News: Noch mehr Agent Orange

32 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges stellt sich die Operation "Ranch Hand" noch grausamer dar: Erst jetzt tauchten in den Nationalarchiven Akten auf, die belegen, dass weit größere Mengen von Agent Orange und anderen Herbiziden über Vietnam nieder regneten. Millionen Vietnamesen waren damals den giftigen Sprühregen ausgesetzt.
"Ranch Hand Mission"
Während des Vietnamkrieges (1961 bis 1971) stellte sich den amerikanischen Streitkräften ein großes Problem: Wie sollte man den Feind besiegen, wenn er nirgendwo sichtbar war? Zu gut versteckten sich der Vietkong und die nordvietnamesische Armee in den dichten Mangrovenwäldern, von wo sie aus der Deckung des Dschungels heraus immer wieder amerikanische Truppen angriffen.

US-Militärstrategen hatten allerdings für diesen Fall vorgesorgt: Bereits vor Ausbruch des Krieges ließen sie verschiedene Phenoxy-Herbizide testen, die dann im Krieg tonnenweise aus der Luft abgeworfen wurden, um Wälder zu entlauben und Felder zu vernichten. Mit dieser ökologischen Kriegsführung wollten die US-Streitkräfte den Feind entlarven und langsam aushungern.

Entlang von Straßen, Eisenbahnlinien und Flüssen schlugen die Herbizidcocktails mehrere hundert Meter breite Schneisen in die Vegetation. Mindestens 4,7 Millionen Liter der Unkrautvertilgungsmittel waren notwendig, um circa 33 000 Hektar Getreide- und 100 000 Hektar Waldfläche zu vernichten. Das Präparat Agent Orange (benannt nach den orangefarbenen Banderolen der Transportfässer) erwies sich dabei als besonders wirksam. Agent Orange war eine Mischung, die sich je zur Hälfte aus den beiden Wirkstoffen 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure und 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure zusammensetzte. Erst später stellte sich heraus, dass einer dieser Komponenten mit dem hochgiftigen Dioxid TCDD verunreinigt war. Agent Orange hatte fatale Folgen für Mensch und die Umwelt, die noch heute schmerzlich spürbar sind.

Nun steht der Fall Vietnam erneut in den Medien, weil die Wissenschaftlerin Jeanne Mager Stellmann und ihre Kollegen von der Columbia University herausgefunden haben, dass die tatsächliche Menge der ausgebrachten Herbizide um sieben Millionen Liter höher lag als in früheren Studien behauptet.

Während der fünfjährigen Arbeit recherchierten die Wissenschaftler in den bislang verschlossenen US-Nationalarchiven und stolperten dabei über Akten, die Logbücher der Piloten, detaillierte Angaben zu Militärzielen und Nachtragsberichte der U.S. Air Force enthielten. Stellmann und ihre Mitarbeiter konnten Flugbahnen und Zielobjekte im Vietnameinsatz rekonstruieren und schließlich nachweisen, dass allein im August 1965 über 200 Missionsaufträge geflogen wurden, von denen bislang niemand wusste.

Nach den jüngsten Schätzungen warfen die US-Militärs während des Krieges insgesamt 77 Millionen Liter Herbizide ab. Nach der korrigierten Schätzung muss demnach der Anteil der krebserregenden Dioxide fast doppelt so hoch gewesen sein.

Im Rahmen des Projektes erstellte das Team digitale Karten von Vietnam mit geographischen Informationssystemen. Diese enthalten umfassende Daten zu Flugbahnen, Bewegungen der Gefechtstruppen, Verteilung der Herbizidtypen sowie Angaben zu Böden und Siedlungsstandorten. Mithilfe des detaillierten Kartenmaterials können nun Aussagen zu Dioxidkontaminationen in den jeweils betroffenen Regionen gemacht werden. Nach Angaben von Stellmann standen schätzungsweise über 3000 Dörfer unter dem Einfluss der Sprühaktionen, davon waren zwei bis vier Millionen Menschen direkt betroffen.

Bei ihnen hinterließ Agent Orange verheerende Langzeitschäden wie Missbildungen, Krebs, Hautkrankheiten, Fehlgeburten und Schädigungen des Erbgutes. Auch nach über 30 Jahren sind die Dioxinwerte im Blut bei manchen Vietnamesen immer noch 100 bis 200 Mal höher als normal.

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