Ogham-Alphabet: Engländer findet 1600 Jahre alte Inschrift im Garten
Großbritannien war im Lockdown und Graham Senior in seinem Garten. Es war Mai 2020, als der Engländer in Coventry einen länglichen Stein aus der Erde zog, auf dem sich an drei Seiten Ritzstriche abzeichneten. Wie sich herausstellte, handelt es sich bei den regelmäßigen Strichreihen um eine Schrift: das irische Ogham-Alphabet, das Menschen in Irland, Schottland und Westbritannien ab dem 4. Jahrhundert nutzten. Warum der Stein nicht irgendwo dort, sondern in Mittelengland zum Vorschein kam, darüber rätseln Fachleute. Der neue Ogham-Stein wird nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Bis April 2025 ist er im Herbert Art Gallery and Museum im englischen Coventry ausgestellt.
Graham Senior meldete seinen Fund den Behörden, indem er Bilder des elf Zentimeter langen Steins auf der Website des Portable Antiquities Scheme einstellte. Privatleute können dort von ihnen entdeckte Artefakte veröffentlichen, um sie der Wissenschaft zugänglich zu machen. Auf diesem Weg wurde die Ogham-Expertin Katherine Forsyth von der University of Glasgow auf den Stein aus Coventry aufmerksam. Sie entzifferte die Strichzeilen als MALDUMCAIL / S / LASS. Der erste Teil ist laut Forsyth ein Eigenname – Mael Dumcail –, die Bedeutung des restlichen Textes sei noch unklar. Die Schrift entspreche einer frühen Form des Ogham aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, möglich sei aber, dass die Zeilen bereits aus dem 4. Jahrhundert stammen.
Das Ogham-Alphabet war im Frühmittelalter in Irland, Schottland und dem westlichen Britannien in Gebrauch. Damit verschriftlichten die Menschen kurze Texte im so genannten archaischen Irisch. Die Buchstaben bestehen entweder aus einem Strich oder setzen sich aus bis zu fünf Strichen zusammen. Geschrieben wurde von unten nach oben. Die meisten Ogham-Inschriften sind von kleinen Steinen wie dem Fund aus Coventry bekannt; mehr als 400 solcher Ogham-Steine sind überliefert, wie das Herbert Art Gallery and Museum berichtet. Für was die Menschen solche beschrifteten Steine verwendeten, ist noch unklar. Weil aber meist Eigennamen darauf geschrieben stehen und die Stücke häufig an den Grenzen frühmittelalterlicher Ländereien zum Vorschein kamen, gehen Fachleute davon aus, dass die Texte womöglich Landstreitigkeiten regeln sollten.
Ungelöst bleibt bislang auch die Frage, wie der Ogham-Stein ins mittelenglische Coventry gelangte – weitab des Kerngebiets, in dem das altirische Alphabet genutzt wurde. Wie das Magazin »Live Science« berichtet, könnten irische Mönche auf Missionsreisen die Namenssteine mit sich getragen oder aber irische Kaufleute sich damit einander zu erkennen gegeben haben.
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