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Wirtschaftspsychologie: Optimismus kann der Wirtschaft schaden

Wie kollektive Träumerei die Konjunktur schwächt.
Barack Obama

Die Konjunktur ist wie das Wetter: Unzählige Einflussfaktoren machen eine genaue Vorhersage unmöglich. Forscher um Timur Sevincer von der Universität Hamburg entdeckten nun ein weiteres, sehr verblüffendes Frühwarnzeichen für fallende Kurse: positives Denken. Je optimistischer und schwärmerischer die Gedanken an die Zukunft sind, so die Erklärung der Wissenschaftler, desto sorgloser und riskanter fällt das Verhalten der Akteure aus. Gerate ein ganzes Land ins Schwärmen – im Fall der Studie: die USA –, schade dies der nationalen Wirtschaftsentwicklung.

Um den kollektiven, leistungshemmenden Optimismus zu erforschen, suchten Sevincer und Kollegen in historischen Dokumenten nach überschwänglichen Trends in der US-Gesellschaft. Dazu scannten sie Zeitungsartikel, die zwischen August 2007 und Juni 2009 im Finanzteil der Wochenzeitung "USA Today" erschienen waren. Texte mit besonders vielen positiven und zukunftsbezogenen Begriffen wurden als Ausdruck eines optimistischen Denkens gewertet. Dies glichen die Forscher mit der Entwicklung des Dow-Jones-Aktienindex ab: Je positiver und zukunftsbezogener die Artikel waren, desto eher büßte der Dow in der darauf folgenden Woche an Punkten ein. In einer zweiten Studie wurden als weiterer Indikator für die Stimmung im Land die Antrittsreden der US-Präsidenten von 1933 bis 2009 ausgewertet. Als Maß für die wirtschaftliche Entwicklung galten diesmal Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts und der Arbeitslosenquote bis zum Ende der jeweiligen Legislaturperiode. Und wieder kündigten rosarote Aussichten Phasen ökonomischer Schwäche an.

Die Ergebnisse sind überraschend, weil Optimismus in Konsum- oder Geschäftsklimaindizes oft als Vorbote wirtschaftlichen Aufschwungs gewertet wird. Er könne sich aber auch leistungsmindernd auswirken, so die Forscher. Positive Erwartungen seien nützlich, solange sie vermehrte Anstrengung bewirken und nicht zur Träumerei verkommen. Positives Denken sollte also nicht grundsätzlich als leistungsmindernd angesehen werden. Die Unterscheidung könnte darin liegen, dass die Erwartung einer guten Zukunft nützlich ist, so lange sie mit Anstrengung und Strategie verknüpft wird und nicht zur bloßen Träumerei verkommt. Auf individueller Ebene sind derartige Effekte schon bekannt. Studenten, die sich den Berufseinstieg besonders rosig ausmalten, bemühten sich weniger und hatten als Folge größere Probleme. Auf ähnliche Weise gingen auch die Träume vom Abnehmen sowie von guten Schulnoten und schneller Genesung nach hinten los.

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