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News: P5A – Die erste private Marsmission

Im Rahmen der 33. Internationalen Amateurfunkausstellung HAM RADIO im Juni 2008 in Friedrichshafen stellte der gemeinnützige Verein AMSAT-Deutschland e.V. sein geplantes Marsprojekt vor. Der Satellit P5A soll die Grenzen des Amateurfunks neu definieren und gleichzeitig den Roten Planeten erforschen.
Vom 27. bis 29. Juni 2008 fand in der Messe Friedrichshafen am Bodensee erneut Europas größte Amateurfunk-Ausstellung statt. Als einer von rund 180 Ausstellern, präsentierte die im Jahre 1974 in Marburg an der Lahn gegründete AMSAT-Deutschland in der Sonderausstellung "Satelliten – Weltraumaktivitäten im Amateurfunk" ihr bisher ehrgeizigstes Projekt: Die Marssonde P5A, die im August 2012 in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken soll.

AMSAT (Radio Amateur Satellite Corporation) ist eine international tätige Vereinigung von Ingenieuren, Technikern, Wissenschaftlern, Studenten und Raumfahrtenthusiasten, die 1969 in den USA gegründet wurde. AMSAT plant, baut und betreibt Satelliten und entwickelt Nachrichten- und Raumfahrttechnik.
Der Messestand der AMSAT Deutschland auf der HAM Radio in Friedrichshafen | Der Messestand der AMSAT-Deutschland an der HAM RADIO 2008. Wer sich für den gemeinnützigen Verein und ihre Projekte interessierte, erhielt hier von AMSAT-Mitgliedern Informationen aus erster Hand.


Der Verein hat weltweit rund 6000 Mitglieder, AMSAT-Deutschland e.V. ist ein eigenständiger Verein mit rund 1200 Mitgliedern, der bereits vor mehr als 30 Jahren gegründet wurde. Die AMSAT arbeitet nach dem "open source-Prinzip". Das bedeutet, dass die angewendeten Techniken, aber auch die gewonnenen Ergebnisse, von Drittpersonen eingesehen und verwendet werden können. Da die Kommunikation sämtlicher Missionen über Amateurfunkfrequenzen läuft, bietet sich Funkamateuren die Gelegenheit, bei der Auswertung der wissenschaftlichen Daten mitzuhelfen.

Weshalb gerade Mars?

Nachdem AMSAT in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrere erfolgreiche Satellitenmissionen im erdnahen Raum durchführte, will der Verein nun seine Grenzen erweitern. Der nächste logische Schritt wäre sicherlich, einen Satelliten zum Erdmond zu senden. Tatsächlich ist für AMSAT eine Marsmission aber leichter zu bewerkstelligen.

So paradox es zunächst klingen mag, aber der Mond ist zu nah. Ein Objekt in einer lunaren Umlaufbahn befindet sich noch immer im Schwerefeld der Erde und würde durch wechselnde Einflüsse der irdischen Schwerkraft ohne regelmäßige Bahnkorrekturen bald auf der Mondoberfläche zerschellen. Um diese Korrekturen durchzuführen, ist nicht nur ein hoher Betriebsaufwand nötig, sondern auch eine große Menge Treibstoff. Dies wiederum bedeutet, dass ein Satellit größer und schwerer wird, was die Projektkosten nach oben schnellen lässt. Das Missionsbudget für P5A – rund 20 Millionen Euro (etwa die Hälfte für den Bau und Betrieb, die andere Hälfte für den Raketenstart) – reicht dafür nicht aus.

Die Idee einer Marsmission entstand bereits im Jahre 1996, da AMSAT mit dem Vorgängersatelliten P3D (OSCAR-40) – Start war im November 2000 – die für eine interplanetare Mission notwendige Technik schon weitgehend entwickelt hatte. Grünes Licht gab AMSAT dann im Sommer 2002. Zur Finanzierung arbeitet der Verein sowohl mit staatlichen als auch mit privaten Partnern zusammen.

Die Kommunikation mit P5A soll mittels der 20-Meter-Parabolantenne des IUZ in Bochum erfolgen, welche die AMSAT seit 1997 betreibt. Der lange Zeit stillgelegte und von der AMSAT restaurierte und auf den neuesten Stand der Hochfrequenz- und Steuerungstechnik gebrachte Spiegel stammt aus den 1960er Jahren und wurde seinerzeit unter anderem zum Empfang von Signalen vom Mond während der Apollo-Raumflüge in den Jahren 1968 bis 1972 eingesetzt. Die Anlage in Bochum ist eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Kommandobetrieb der P5A-Mission.
Die 20-Meter-Hauptantenne der AMSAT in Bochum | Die Kommunikation mit AMSAT P5A erfolgt über die 20-Meter-Parabolantenne in Bochum. Ihre Leistungsfähigkeit bewies sie am 31. März 2006, als sie die NASA-Raumsonde Voyager 1 in einer Entfernung von 14, 7 Milliarden Kilometer ortete.


Die Antenne empfing bereits Signale der Raumsonden Mars Express, Mars Global Surveyor, Mars Odyssey, Cassini sowie der Kometensonde Rosetta. Ein Meilenstein war die Ortung der Raumsonde Voyager 1 – dem am weitesten entfernten Objekt aus Menschenhand – am 31. März 2006 in einer Entfernung von rund 14,7 Milliarden Kilometern. Dies war das erste Mal, dass Funkamateure das Signal dieser vor 30 Jahren gestarteten Sonde am Rande unseres Sonnensystems empfingen.

Der Funkverkehr zwischen P5A und der Bodenstation wird auf der Frequenz 10,4 Gigahertz ablaufen. Zwar betreibt die NASA für interplanetare Raumsonden und Satelliten das so genannte Deep Space Network auf einer Frequenz von 8,4 Gigahertz, allerdings ist das Netzwerk laut AMSAT sehr star ausgelastet. Weiterhin stehen gemäß dem Verein auf der Erde bei Funkamateuren sehr viele Empfänger auf 10,4 Gigahertz zur Verfügung. Durch die Erdrotation kann die Bochumer Antenne P5A nicht permanent empfangen.

AMSAT sucht bereits nach einer geeigneten Antenne auf der Südhalbkugel und hofft auf die Unterstützung von Funkamateuren hauptsächlich aus Asien, Australien und den USA. Wenn sich die Marssonde außer Sicht der Bodenstation befindet, können hier Amateure unter anderem durch den Empfang von Telemetriedaten wertvolle Dienste leisten.

Missionsdaten und Missionsverlauf

P5A wird eine sechseckige Form, einen Durchmesser von etwas mehr als zwei Metern und eine Höhe von rund siebzig Zentimetern besitzen. An Bord befinden sich rund 300 Liter Treibstoff.

Der eigentliche Projektbeginn von P5A war in diesem Jahr und der Start soll Ende 2010 oder Anfang 2011 stattfinden. Nachdem P5A von der Trägerrakete ausgesetzt wurde, wird sich der rund 650 Kilogramm schwere Satellit nicht sofort auf den Weg zu unserem äußeren Nachbarn machen. Stattdessen umrundet er unseren Heimatplaneten zunächst einige Monate auf einer elliptischen geostationären Transferbahn. Von dort aus wird er im November 2011 mittels dichter Vorbeiflüge an Mond und Erde Kurs in Richtung Mars nehmen und soll dort im August 2012 in eine elliptische Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken. Dort soll er bis zu zwei Jahre in Betrieb bleiben.

Paul Penzo vom Jet Propulsion Laboratory der NASA entwickelte dieses Prozedere, mit dem Raumsonden in einem geostationären Erdorbit mit nur drei Manövern, einem Swingby am Mond und einem weiteren Erdvorbeiflug auf eine Bahn zum Mars gelenkt werden können.

Da P5A nur als Sekundärnutzlast mit der Trägerrakete mitfliegt und durch den "indirekten" Flug zum Mars bezüglich Starttermin zeitlich flexibel ist, sinken die Startkosten für den Satelliten erheblich. Grundsätzlich öffnet sich alle 26 Monate ein Startfenster zum Roten Planeten. Da die Marsbahn elliptischer und gegen die Erdbahn etwas geneigt ist, sind aber nicht alle Starfenster energetisch gleich gut geeignet. Abhängig vom Zeitpunkt kann P5A maximal 60 Kilogramm wissenschaftliche Nutzlast mitführen.

Wissenschaftlicher Nutzen der Mission

Die AMSAT klärt momentan ab, welche Experimente mit P5A zum Mars reisen sollen. Die Mars Society Deutschland schlug bereits vor einiger Zeit Archimedes vor, einen heliumgefüllten, rund zehn Meter großen Ballon. Archimedes soll die Marsatmosphäre durchqueren und dabei Messungen der Ionosphäre durchführen und ein vollständiges Atmosphärenprofil erstellen. Angetrieben von den Marswinden könnte er den Planeten mehrere Male umrunden.

Seine Ergebnisse werden auch helfen, die Vorgänge in der Erdatmsphäre besser zu verstehen. Denn gewisse Effekte, die auf der Erde überlagert werden, können in der Marsatmosphäre ungestört beobachtet werden. Dies hilft, die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Klima, Magnetfeld und Strahlung genauer zu verstehen. Archimedes könnte eine Pionierfunktion übernehmen und eine völlig neue Möglichkeit zur Erforschung von Planeten aufzeigen.

Im Gespräch sind auch Pico- oder Nanosatelliten, würfelförmige Miniatursatelliten, mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern. Drei bis sechs Exemplare hätten an Bord von P5A Platz. Richtig platziert, könnten sie im Marsorbit so genannte Radio-Okkultationsmessungen durchführen. Kurz bevor einer der Miniatursatelliten hinter dem Planeten verschwindet, durchdringen von ihm ausgesandte Radiowellen die verschiedenen Schichten der Marsatmosphäre. Anhand der Verzögerungen, mit der die Wellen bei einem zweiten Satelliten ankommen, lassen sich Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Struktur der Marsatmosphäre ziehen.

Nicht zuletzt kann P5A auch als Kommunikationsrelais für aktuelle und zukünftige Marsmissionen der großen Raumfahrtorganisationen dienen. Die beiden Marsrover Spirit und Opportunity der NASA senden ihre Daten via Raumsonden zur Erde. Ab 2014/2015 plant die Europäische Weltraumagentur ESA zudem die Mission ExoMars, einen weiterentwickelten Rover, der die Marsoberfläche erkunden wird. Auch hier könnte P5A als Funkrelais dienen.

Ein Teil der Nutzlast ist bereits für AMSAT-eigene Projekte vorgesehen. So sind die Experimente SCOPE (Spacecraft Camera for Observation of Planets and the Earth) und YACE (Yet Another Camera Experiment) geplant. YACE soll Aufnahmen von der Abtrennung der jeweiligen Subsysteme machen und während des Flugs als Sternsensor zur Orientierung der Sonde dienen.

Wer profitiert von P5A?

"Die Mission P5A wird den Wissenschaftsstandort Deutschland erheblich aufwerten und der Industrie in den zugehörigen Branchen nützen", sagte Achim Vollhardt, Vorstandsmitglied bei AMSAT-Deutschland. Aber das Projekt soll laut AMSAT auch einen Anreiz für Nachwuchswissenschaftler bieten, deren Förderung ein wesentliches Anliegen des Vereins ist. Ein Höhepunkt wird P5A wohl auch für die zahlreichen Funkamateure rund um den Globus darstellen, die mit ihren Antennen quasi vom heimischen Garten aus aktiv bei der Erforschung des Mars mithelfen können. Eine Premiere.

Wo liegen die Grenzen für eine private und ehrenamtliche Organisation wie AMSAT? "Unsere Grenze ist ganz klar die Finanzierbarkeit", erklärt Vollhardt. In diesem Bereich treten die Unterschiede zu den staatlich geförderten Raumfahrtorganisationen klar zu Tage. Aufgrund des begrenzten Budgets kann sich AMSAT beispielsweise keine Startversicherung leisten. Hier kann der Verein also nichts unternehmen, um das Missionsrisiko zu reduzieren.

Anders beim Satelliten selbst. Um die eingesetzten Technologien vor Missionsbeginn eingehend zu überprüfen und sich mit Abläufen vertraut zu machen, wird zuvor der Trainingssatellit P3E in eine Erdumlaufbahn gebracht. Er wird mithelfen, potenzielle Schwierigkeiten bei einer Marsmission frühzeitig zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.

Mirco Saner

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