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Krebsforschung: Per Abkürzung zur Sommerbräune

Schön braungebrannt, aber Hautkrebs gefährdet - oder kerngesunde Haut und blass aussehen, das sind im Moment die Alternativen. Dabei wäre natürliche Bräune ohne Gesundheitsrisiko vielleicht doch möglich.
Eine Maus im Verhaltenstest
Ein wundervoll sonniger Tag am Strand – und dann eine Woche schlaflos vor Schmerzen im dunklen Hotelzimmer, mit Albträumen von zukünftigen Hautkrebsgeschwüren: Das kennen nicht nur Rothaarige. Nach Einschätzung der US-amerikanischen Cancer Society ist Hautkrebs die in der Weltbevölkerung am stärksten zunehmende Krebsart. Sie entsteht, wenn Melanozyten, die Pigment produzierenden Zellen der Haut, sich als Folge von UV-bedingten DNA Schäden anfangen unkontrolliert zu teilen. Früh erkannt und entfernt, bleiben Melanome ohne Folgen, breitet sich der Krebs jedoch erst aus und bildet Metastasen, sinken die Überlebenschancen drastisch, sodass er alleine in den USA jährlich fast 8000 Todesopfer fordert.

Alle Menschen sind verschieden – soviel ist klar. Gerade die auffälligsten äußerlichen Unterschiede haben dabei oft minimale Ursachen: Kleine Variationen im Erbgut, so genannte SNPs (single nucleotide polymorphisms), die den Austausch von nur einem Aminosäurebaustein in einem Protein bewirken, können gut sichtbare Folgen haben. SNPs in einem bestimmten Gen mit dem Namen MC1R sind etwa dafür verantwortlich, dass nicht nur dunkle Haare, sondern auch blonde oder rote vorkommen.

Eine Haarfarbe ist häufig mit einem bestimmten Hauttyp verbunden. Das ist kein Zufall, denn das Produkt des MC1R Gens, der Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R), bestimmt beides, Haar- wie Hautfarbe. Er hat Einfluss darauf, welche Art von Farbpigment der Körper verstärkt herstellt: das gelb-rötliche Phäomelanin oder das dunkle Eumelanin. Alle Haarfarbenschattierungen kommen durch Mischungen verschiedener Anteile der beiden Melaninsorten zustande.

Besonders Eumelanin absorbiert UV-Strahlung gut und schützt die Hautzellen und vor allem ihre DNA so vor Schädigung und damit vor Krebsentstehung. In der Haut sind die so genannten Melanozyten zuständig für den Sonnenschutz. Von diesen Zellen wird Melanin in Melanosomen zusammengelagert, die sich wie kleine Sonnenschirme über die Zellkerne legen. UV-Einstrahlung führt nun zur Produktion vom Melanozyten-stimulierenden Hormon (MSH), welches den MC-1-Rezeptor aktiviert. Diese Aktivierung verursacht die Herstellung des Botenstoffes cAMP in den Zellen. Ist die cAMP Konzentration niedrig, synthetisieren die Melanozyten Phäomelanin, ist sie hoch, Eumelanin.

Bei Blonden, besonders bei Rothaarigen, funktioniert der MC-1-Rezeptor nicht so, wie er sollte. Seine Stimulation durch das MS-Hormon lässt die cAMP Konzentration und damit die Produktion des dunklen und gegen UV-Strahlung effektiveren Eumelanins nicht ansteigen.

Wissenschaftler des Dana-Farber Cancer Institutes & Children's Hospitals in Boston haben sich nun gefragt, ob der dem defekten Rezeptor nachgeschaltete Mechanismus von cAMP Produktion bis zur Eumelanin-Synthese bei Blond- oder Rothaarigen prinzipiell noch funktionstüchtig ist. Dazu wollten sie versuchen, den Rezeptor durch direktes Ankurbeln der cAMP Herstellung zu umgehen.

Dies untersuchten sie an Mäusen, die wegen eines defekten MC-1-Rezeptors helles, rötliches Fell haben und sich an den Ohren auch durch starke UV-Bestrahlung nicht bräunen lassen. Da Mäuse Melanozyten nur in der Haut der Ohren, nicht aber in der Haut unter ihrem Fell haben, veränderten die Forscher um David Fisher die Tiere genetisch so, dass sich auch dort Melanozyten fanden. So konnten sie eine größere und der menschlichen Epidermis ähnlichere Hautfläche untersuchen.

Sie behandelten die Rücken der rasierten Mäuse über drei Wochen hinweg mit Forskolin aus der Wurzel der indischen Pflanze Coleus forskolii, einem direkten Aktivator der cAMP Herstellung. Und siehe da, die durch UV-Licht nicht zu bräunende Haut der Tiere bekam mehr und mehr Farbe. Viel besser noch: Die auf diese Weise künstlich aktivierte Bräunung war Gewebeuntersuchungen nach nicht von einer "echten" Sonnen-bedingten Bräunung zu unterscheiden und schützte die Nager sogar vor UV-Licht. Mit Forskolin vorbehandelte Mäuse zeigten nach extensiver UV-Bestrahlung weniger Zell- und DNA-Schäden als die unbehandelten. In weiterführenden Experimenten zeigte sich, dass Vorbräunung mit Forskolin das Hautkrebsrisiko sonst anfälliger Nager tatsächlich ungefähr um die Häfte herabsetzte.

Forskolin ist nicht mit bisherigen Bestandteilen von Selbstbräunern zu vergleichen. Diese beruhen auf chemischen Reaktionen der aktiven Komponenten mit der obersten, toten Hautzellschicht, welche die braune Farbe hervorrufen. Sie führen also anders als Forskolin nicht zur Melaninproduktion und tragen daher auch nicht zum Gewebeschutz bei.

Gute Nachrichten also: Der Mechanismus des Braunwerdens ist besser verstanden und auch bei Rothaarigen (jedenfalls Mäusen) prinzipiell noch intakt. Jedoch ist in der Praxis wahrscheinlich Vorsicht geboten, da cAMP ein Signalmolekül ist, das auch viele andere Zellfunktionen reguliert. Seine unkontrollierte Produktion könnte so ungewollte Nebeneffekte haben. Weiterhin bleibt abzuwarten, ob Bräunung durch Einreiben der Haut mit Forskolin tatsächlich auch beim Menschen erreicht werden kann, so Fisher. Sollte dies der Fall sein, wird es vielleicht doch noch irgendwann einmal etwas mit extensiven Strandtagen ohne schlechtes Gewissen und Sonnenbrand.

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