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Antikes Olympia: Per Foulspiel in die Ewigkeit

In der Antike ging es noch anständig zu bei Olympia? Weit gefehlt. Antike Quellen berichten von groben Fouls, politischen Tricks - und einem bizarren Rekord.
Athleten beim Wettlauf

Korrupte Veranstalter, gedopte Athleten, manipulierte Wettkämpfe – es stand schon mal besser um den Ruf der Spiele. Es fehlt am olympischen Geist, heißt es immer wieder. Am Glauben an ehrenhafte Wettkämpfer, glanzvolle Leistungen und heilige Spiele. Vorbei die glorreichen Zeiten der Antike, in der all dies noch galt. Oder wie war das damals? Die Schriftquellen zeigen: Von Anfang an waren die Spiele viel zu wichtig, als dass Sportler sie dem Zufall und Politiker sie den Sportlern überlassen hätten.

Die Chronik der Unsportlichkeiten beginnt schon am Anfang der Spiele. Bereits in einem ihrer Gründungsmythen steht ein Foulspiel im Mittelpunkt – mit tödlichen Konsequenzen: König Oinomaios plagen Sorgen um seinen Schwiegersohn in spe. Denn laut einer Prophezeiung würde er eines Tages durch die Hand desjenigen Mannes sterben, der seine Tochter Hippodameia ehelicht. Also verlegt sich der Herrscher der Region Pisa, zu der auch Olympia gehörte, auf einen hinterhältigen Trick: Alle Interessenten müssen gegen ihn im Wagenrennen antreten, und alle kommen sie noch vor Zieleinfahrt tragisch zu Tode, ermordet vom König höchstpersönlich. Pelops jedoch, der Sohn des Tantalos – genau, der mit den gleichnamigen Qualen –, besticht den Wagenlenker des Königs, Rad und Achse von Oinomaos' Wagen mit Schrauben aus Bienenwachs zu verbinden. Das Gefährt bricht während des Rennens auseinander und begräbt den König unter sich. Nur Myrtilos, der ebenfalls in Hippodameia verliebte Lenker, überlebt den Unfall – zumindest lange genug, um kurze Zeit darauf selbst von Pelops aus dem Weg geräumt zu werden. Der Heros, der im Übrigen auch der Peloponnes-Halbinsel ihren Namen gab, nimmt Hippodameia zur Frau und hält zu Ehren seines verstorbenen Schwiegervaters, und um sich bei den Göttern zu bedanken, Spiele ab. Sie bilden den Ausgangspunkt für alle folgenden in Olympia. Sein angebliches Grab wird zu einem zentralen Heiligtum dort.

Pelops und Hippodameia | Laut einem der Gründungsmythen ging der Heros Pelops als glücklicher Gewinner aus einem Wagenrennen hervor. Die Legende ist hier auf einer Vase illustriert.

Der unbestrittene Herr vor Ort war allerdings Göttervater Zeus. In seinem Heiligtum, das übrigens auch eine Orakelstätte beherbergte, fanden die sportlichen Agone – wie die Griechen ihre Wettkämpfe nannten – statt. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. stand im Zentrum des antiken Olympia der Zeustempel, dessen berühmte, vom Bildhauer Phidias geschaffene Kultstatue zu den sieben Weltwundern der Antike zählte. Und der Göttervater höchstselbst verpflichtete auch die Athleten zu sauberen Spielen. Wie der griechische Reiseschriftsteller und Geschichtsschreiber Pausanias berichtet, schworen die Sportler und ihre Trainer am ersten Tag der Spiele einen heiligen Eid an einer extra dafür aufgestellten Zeusstatue, indem sie versicherten, "dass sie sich keinen Verstoß gegen die olympischen Wettkämpfe zu Schulden kommen lassen". Darauf achteten seine weltlichen Beamten vor Ort – die Hellanodiken. Als Schiedsrichter führten sie ein strenges Regiment und wachten über ein ebensolches Regelwerk. So sind Fälle überliefert, bei denen ein Kontrahent in einem Kampfsportfinale zu Tode kam und der Überlebende disqualifiziert wurde – allerdings nicht etwa weil er seinen Gegner umgebracht hatte, sondern wegen eines unerlaubten Schlags.

"The winner takes it all"

Alle Athleten mussten bereits einen Monat vor Beginn der Spiele in der Stadt Elis eintreffen, deren Einwohner die Spiele ausrichteten. Hier bereiteten sich die Sportler unter den kritischen Blicken der Hellanodiken vor. Wer untrainiert nach Olympia kam, konnte disqualifiziert werden, denn schließlich wollte das größte Sportfest der Antike auch die beste Show bieten. Ähnlich wie heute war die olympische Saison also eine ganz besondere. Auf Grund der intensiven Vorbereitung fielen andere Wettbewerbe unter den Tisch. Was allerdings auch erhebliche Verluste für die Athleten bedeutete, denn viele von ihnen waren – entgegen dem Ideal des Amateursports, das die Olympischen Spiele der Neuzeit lange Zeit propagierten – Profis, die entweder reich genug waren, um ihr Leben ausschließlich dem Sport zu widmen, oder aber sich ihren Lebensunterhalt durch Preisgelder und Sportförderung in ihren Heimatstädten finanzierten.

Ein Sieg bei einem der großen panhellenischen Spiele in Delphi, Nemea, Korinth oder Olympia versprach zwar viel Ehre und Anerkennung. Geld konnte man dort aber keines gewinnen. Die Preise beschränkten sich in der Regel auf ein wenig Gemüse, etwa einen Ölbaumkranz in Olympia oder einen Selleriestängel in Nemea. Außerdem durfte der Gewinner in Olympia eine Siegerstatue aufstellen; auf eigene Kosten, versteht sich. Erst in ihren Städten zahlte sich der Sieg schließlich aus: Hier erwarteten den siegreichen Athleten Geldgeschenke, Privilegien, kostenlose Mahlzeiten (mitunter ein Leben lang), unzählige Ehrungen. Doch wie so oft galt grundsätzlich: "The winner takes it all." Für die Zweit- und Drittplatzierten interessierte sich niemand. Nur die Namen der Sieger wurden ab 776 v. Chr. für die Nachwelt festgehalten.

Der Herrscher über die Spiele | Herrscher über die Spiele war Göttervater Zeus, der im Heiligtum durch die berühmte Statue des Bildhauers Phidias repräsentiert wurde.

Deshalb ist es nur allzu leicht nachvollziehbar, dass ein übersteigerter Fairnessgedanke unter den Teilnehmern nicht aufkam. Der Olympiasieg war das Größte, was man erreichen konnte. Von ihm zehrte man ein Leben lang. Dafür war vielen Sportlern, wenn auch bestimmt nicht allen, jedes Mittel recht. "Ein Fairplay-Pokal als 'Trostpreis' für Einzelne oder Mannschaften, die im Wettkampf selbst den ersten Platz verfehlt hatten? Griechische Sportler hätten mit verständnislosem Kopfschütteln auf eine solche 'Zumutung' reagiert und sich eine derartige Ehrung entweder heftig indigniert oder leicht amüsiert verbeten", schreibt der Althistoriker Karl-Wilhelm Weeber in seinem Buch "Die unheiligen Spiele". Regeln waren auch damals schon da, um gebrochen zu werden. Das zeigen die überlieferten Betrugsversuche. Das Einzige, was sie nicht verzeichnen, sind Dopingfälle. Aber vermutlich einfach deshalb, weil den griechischen Athleten die passenden Mittelchen fehlten.

Das Problem: Angesichts der großen Konkurrenz kam der Olympiasieg beinahe einem Lottogewinn gleich. Für einen Profisportler wäre es fahrlässig gewesen, sich innerhalb seiner Karriere ausschließlich darauf zu konzentrieren, zumal die großen Spiele meist nicht jährlich stattfanden. Kleinere Sportfeste, die tatsächlich Preisgelder vergaben, deckten die laufenden Kosten und den Lebensunterhalt. Prioritätensetzung und Zeitmanagement waren in einem olympischen Jahr deshalb extrem wichtig. Das musste zum Beispiel der Faustkämpfer Apollonios Rhantes erfahren. Der aus dem ägyptischen Alexandria stammende Athlet traf für die 218. Olympischen Spiele 93 n. Chr. nicht in der vorgesehenen Frist in Olympia ein, mit der Begründung, ungünstige Winde hätten ihn während der Anreise ausgebremst. Sein Konkurrent Herakleides behauptete allerdings, Apollonios habe unterwegs noch Geld bei einem anderen Wettbewerb mitnehmen wollen. Die Hellanodiken disqualifizierten ihn daraufhin und ernannten Herakleides kampflos zum Olympiasieger. Pausanias schildert, dass Apollonios daraufhin "seine Handschuhe anzog und sich auf seinen Kontrahenten stürzte", was er letztlich "teuer bezahlen musste". Und das war tatsächlich buchstäblich gemeint.

Denn während die Schiedsrichtergehilfen mit dem bezeichnenden Namen Rhabduchoi ("Stockträger") unmittelbare Vergehen und unsportliches Verhalten im laufenden Wettkampf – wie einen Fehlstart vor einem Lauf oder unerlaubte Schläge im Faustkampf – mit der Peitsche bestraften, ging es bei schwer wiegenden Vergehen wie Betrug und Bestechung ans Eingemachte. Strafgelder waren eine der üblichen Sanktionen in Olympia. Doch das Geld versickerte nicht – oder nur zum Teil – in der Stadtkasse des ausrichtenden Elis. Stattdessen verfügten die Eleer ab dem 4. Jahrhundert v. Chr., dass der Betrug ähnlich wie der Olympiasieg für die Nachwelt in Form einer Statue festgehalten werden sollte, finanziert von den Bestraften selbst. An diesen bronzenen Zeusbildnissen, den so genannten Zanes-Statuen, musste jeder Wettkämpfer vorbei, wenn er ins Stadion wollte. Leider ist von ihnen heute keine einzige mehr erhalten, allerdings haben ihre steinernen Basen überdauert und mit ihnen die Namen der Bestraften. Dank Pausanias, der Olympia im 2. Jahrhundert n. Chr. besuchte und sich die pikantesten Details von den örtlichen Fremdenführern schildern ließ, kennen wir noch viele ihrer Geschichten.

Orakel-Connection

Der fragwürdige Ruhm, für das erste dieser Mahnmale verantwortlich zu sein, gebührt abermals einem Faustkämpfer. Eupolos aus Thessalien bestach 388 v. Chr. vier seiner Konkurrenten, unter ihnen den amtierenden Titelträger, und sicherte sich so den Olympiasieg. Zur Strafe jedoch mussten alle fünf ihre Schande in Bronze gießen. Und nicht nur offensichtliche Unsportlichkeiten wurden bestraft, sondern auch Rivalitäten, die sich über ein gesundes Maß hinaus entwickelt hatten – so wie im Fall des Theagenes von Thasos. Der Kampfsportler und Superstar seiner Zeit erreichte während der Olympischen Spiele 480 v. Chr. sowohl das Finale im Pankration, der Kampfdisziplin, bei der so ziemlich alles erlaubt war außer Beißen und Eindrücken der Augen, als auch im Boxen. In Letzterem war er jedoch nur angetreten, um die lange Siegesserie des Euthymos von Lokroi zu beenden. Dies gelang ihm nach hartem Kampf schließlich auch, allerdings reichten seine Kräfte nicht mehr aus, um sich im zweiten Finale angemessen zu präsentieren. Die Konsequenzen beschreibt Pausanias so: "Deshalb legten die Hellanodiken dem Theagenes ein Talent als Strafe an den Gott auf und ein Talent als Entschädigung für Euthymos, weil es ihnen schien, dass er nur aus Missgunst gegen jenen sich dem Faustkampf unterzogen hatte."

Podeste der Zanes-Statuen | Wer den Torbogen ins Stadion passieren wollte, musste an den Statuen vorbei, die überführte Betrüger stiften mussten. Von diesen Zanes-Statuen sind nur noch die Podeste erhalten.

Eine solche Sanktionierung konnte schon mal zum Politikum werden, so etwa beim Fünfkämpfer Kallippos, der 332 v. Chr. ebenfalls wegen Bestechung aufgefallen war. Die verhängte Strafe wollte seine Heimatstadt Athen nicht akzeptieren und boykottierte die Spiele. Denn nicht nur die Athleten versprachen sich Ruhm und Ehre von einem Olympiasieg. Auch die jeweilige Heimatpolis war vom Abschneiden ihrer Sportler betroffen, sonnte sich gern in diesem Triumph über konkurrierende Städte oder versuchte den Imageschaden einer Niederlage gering zu halten. In diesem Fall allerdings hatten die Athener nicht mit dem heiligen Klüngel unter den Orakelstätten gerechnet: Sie konnten ihren Protest nur so lange aufrechterhalten, "bis ihnen der Gott in Delphi sagte, er werde ihnen künftig nicht eher in einer Angelegenheit ein Orakel geben, bis sie den Eleern die Geldbuße bezahlt hätten", berichtet Pausanias.

Die Spiele als Politikum

Die Spartaner, die traditionellen Widersacher der Athener, machten die Spiele bereits rund 100 Jahre früher zu einer politischen Angelegenheit. Doch hatten sie ihre Abwesenheit nicht selbst gewählt, sondern waren von Elis von den Spielen und den Feierlichkeiten ausgeschlossen worden. Durch den Angriff auf einen elischen Ort hätten sie den Olympischen Frieden gebrochen, so der Vorwurf der Ausrichter. Die Eleer waren zuvor lange Zeit treue Bundesgenossen Spartas gewesen, hatten es sich dann aber zum Feind gemacht, indem sie die Seiten gewechselt und einen Waffenstillstand mit Spartas Erzfeinden, den Athenern, geschlossen hatten.

Die Angeklagten verwiesen zwar darauf, dass die Boten, die den Olympischen Frieden verkündeten, vor dem Angriff nicht rechtzeitig bei ihnen gewesen seien, doch verhinderten sie damit nicht, dass eine enorme Strafsumme verhängt wurde, deren Zahlung ihnen die Teilnahme an den Spielen 420 v. Chr. doch noch ermöglicht hätte. "Selten erfahren wir so ungeschminkt, wie stark die Heiligtümer und ihre Feste dem reinen Machtkalkül der sie tragenden Städte untergeordnet werden konnten", schreibt der Archäologe Ulrich Sinn, der sich lange Zeit mit dem Heiligtum beschäftigt hat, in seinem Buch "Das antike Olympia" zu diesen Geschehnissen. "Je prominenter ein Heiligtum war, desto größer war natürlich die Verlockung, die Reputation auch für politische Ziele nutzbar zu machen." Die Eleer versetzten den Spartanern so eine herbe Niederlage – und das mitten im Peloponnesischen Krieg.

Zum Skandal kommt es dann schließlich während der Siegerehrung nach einem Wagenrennen. Als ein Gespann aus Theben, wie der griechische Schriftsteller Xenophon berichtet, zum Sieger erklärt werden soll, mischt sich plötzlich ein alter Mann in die Auszeichnung ein und überreicht dem siegreichen Lenker den Ölbaumkranz. Schnell wird klar, wer sich hier so in den Vordergrund spielt: der eigentliche Olympiasieger Lichas – aus Sparta. Als Gewinner im Wagenrennen gilt bei den Wettkämpfen nämlich der Besitzer der Pferde. Lichas hatte sein Gespann unter falscher Flagge starten lassen und die Kampfrichter so getäuscht. Diese lassen den Betrüger kurzerhand aus dem Heiligtum prügeln. Der offene Konflikt zwischen Elis und Sparta sollte noch einige Jahrzehnte anhalten und zwischenzeitlich sogar zum Verlust der Oberhoheit Elis' über das Heiligtum führen.

"Ein Fairplay-Pokal als 'Trostpreis'? Griechische Sportler hätten mit verständnislosem Kopfschütteln auf eine solche 'Zumutung' reagiert"Karl-Wilhelm Weeber

Übrigens: Diese besondere Regelung bei den Wagenrennen ermöglichte auch einer Frau einen Sieg bei den Olympischen Spielen. Weibliche Athleten waren eigentlich von der Teilnahme ausgeschlossen, doch die spartanische Königstocher Kyniska schickte 392 v. Chr. ein Fohlen-Viergespann ins Rennen, das als erstes die Ziellinie überquerte und sie so zur ersten Olympiasiegerin der Geschichte machte.

Auch ein gewisser Troilos aus Elis versuchte heimlich Kapital aus der für uns so sonderbaren Gewinnregel beim Wagenrennen zu schlagen. Bei den Spielen 372 v. Chr. schickte er gleich zwei Gespanne in den Wettkampf und gewann beide Rennen. An sich nichts Besonderes, wäre er nicht gleichzeitig Kampfrichter gewesen. Auch wenn von offenkundigem Betrug oder Schiebung nichts überliefert ist, so fällt doch auf, dass ausgerechnet nach diesen Wettkämpfen ein Gesetz verabschiedet wurde, das es aktiven Hellanodiken generell verbot, bei den Spielen anzutreten. Dem Ansehen der Kampfrichter scheint die Episode um Troilos überdies nicht sonderlich geschadet zu haben: In den Augen ihrer Zeitgenossen zeichneten sie sich durch große Überparteilichkeit aus und erfreuten sich höchster Wertschätzung. Dies könnte ein Grund sein, warum hier weniger betrogen wurde als in anderen Sportstätten, wie der griechische Gelehrte Flavius Philostratos im 3. Jahrhundert n. Chr. feststellte.

Die ganz großen Räder

Apropos Wagenrennen: Nicht wenige Teilnehmer kamen nach Olympia, um hier die ganz großen Räder zu drehen. Politische Agitation funktionierte sehr gut mit einem Olympiasieg im Rücken. Darüber hinaus ließ sich kaum eine größere Reichweite erzielen als von diesem Zeusheiligtum aus, wo Griechen aus allen Regionen des Mittelmeers zusammenkamen. Anders als heute verbannten und verboten die Organisatoren in der Antike politische Diskussionen nicht. Im Gegenteil: Es wurde offen gestritten und verhandelt. Außerdem konnten Staatsmänner und Despoten sogar relativ leicht an den Pferdewettbewerben teilnehmen, schließlich musste man dazu weder besonders fit noch jung sein, sondern nur reich genug. Mancher Politiker ging dabei auf Nummer sicher, um die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erhalten. So wie Alkibiades, ein berühmter attischer Staatsmann im 5. Jahrhundert v. Chr. "Auf Grund solcher Überlegungen interessierte er sich nicht für die athletischen Wettkämpfe, obwohl er keinem an Begabung und physischer Stärke nachstand; weil er aber wusste, dass manche Athleten auch von geringer Herkunft waren, … , widmete er sich stattdessen der Pferdezucht, die sich nur die Begütertsten leisten können,  … , und übertraf nicht nur seine Gegner, sondern alle, die je einen Sieg davongetragen hatten", informiert der Redner Isokrates die Nachwelt.

Allerdings baute Alkibiades für den Olympiasieg 416 v. Chr. nicht allein auf die Stärke seiner Pferde, wie er in einer von Thukydides wiedergegebenen Rede berichtet: "Ich habe sieben Wagen hingeschickt, was noch kein Privatmann vor mir getan hat, habe auch den Sieg davongetragen und bin außerdem noch Zweiter und Vierter geworden …" Mit seinem Erfolg wollte er seine Position in der Heimatstadt Athen verbessern und die Athener zu einem von ihm geführten Feldzug nach Sizilien bewegen. Dies gelang ihm auch, die sizilische Expedition im Jahr darauf geriet jedoch zum Desaster.

Ein Vorfahre des Alkibiades nutzte bereits mehr als 200 Jahre früher den in Olympia erlangten Ruhm für seinen Versuch, sich in Athen an die Macht zu putschen. Kylon hatte bei den Olympischen Spielen 640 v. Chr. den Sieg im Diaulos – dem doppelten Stadionlauf, also etwa 400 Meter – geholt. Bewusst während einer der nachfolgenden Spiele stürmte er noch immer beseelt von seinem Olympiasieg und unterstützt von seinem Schwiegervater, dem Tyrannen der Stadt Megara, mit seinen Anhängern die Akropolis in Athen. Dabei verließ er sich vor allem auf seine Prominenz als Olympiasieger. Doch die Machtübernahme scheiterte an der athenischen Aristokratie, die den Putsch postwendend niederschlug und die in einem Tempel Schutz suchenden Mittäter zu Tode steinigte – eine gesetzeswidrige Tat, die als "Kylonischer Frevel" bekannt wurde. Die sterblichen Überreste der Männer, die dabei ums Leben kamen, wurden womöglich vor Kurzem bei Ausgrabungen entdeckt. Kylon selbst hingegen gelang wohl die Flucht. Dank dieses Ereignisses und seines vorausgehenden Olympiasiegs ist er einer der ersten Protagonisten der Geschichte Athens, die man heute zeitlich relativ genau einordnen kann.

Neros "Grand Slam"

Auch die römischen Kaiser erkannten das Propagandapotenzial Olympias und machten es sich zu eigen, selbst als die Spiele im Römischen Imperium zusehends an Bedeutung verloren, denn in Sachen Entertainment legten die Römer mit ihren eigenen Spielen die Latte auf Dauer zu hoch. Doch gerade die römischen Kaiser investierten immer noch einiges, um den einen oder anderen Olympiasieg zu erringen – oder vielleicht auch einmal sämtliche Siege eines Jahres? Das zumindest wird dem Griechenfan Nero nachgesagt. Der Imperator war 66 n. Chr. zu einer Rundreise aufgebrochen, um an allen vier panhellenischen Spielen teilzunehmen und als Periodonike – also als "Grand-Slam"-Gewinner – nach Rom zurückzukehren. Seinetwegen wurden die Olympischen Spiele extra um zwei Jahre auf 67 n. Chr. vorverlegt und musische Agone mit in das Programm aufgenommen.

Nero gewann selbstverständlich darin und wurde darüber hinaus auch im Wagenrennen zum Sieger erklärt, obwohl er mit seinem Zehngespann stürzte, regelwidrig wieder in den Wagen gehoben wurde und das Ziel trotzdem nicht erreichte. Insgesamt soll er sechs Titel "errungen" haben. Als Entschädigung für diese Privatvorstellung schenkte der Kaiser den Hellanodiken eine Million Sesterze, die sein Nachfolger Galba allerdings bereits ein Jahr später zurückforderte.

Mit seinem bizarr anmutenden Zug durch Griechenland erzielte der römische Kaiser fraglos noch immer geltenden olympischen Rekord im Schummeln und Tricksen. Zu seiner Ehrenrettung muss man jedoch berücksichtigen, dass die Geschichtsschreiber, die uns über seinen Auftritt informieren, keine Zeitzeugen waren. Sie beriefen sich vor allem auf Kollegen, die "entweder seine erbitterten politischen Gegner" waren "oder aber einstige Weggefährten, die, um ihren Kopf zu retten, nach seinem Tode umso vehementer gegen ihn vom Leder zogen", meint Ulrich Sinn dazu. Schon seit Jahren sind Althistoriker damit beschäftigt, das Bild Neros als wahnsinniger Herrscher, das viele antike Quellen zeichnen, zu relativieren.

Trotzdem zeigt diese Episode noch einmal unumwunden, worum es in Olympia ging: nicht ums Dabeisein. Wer als Erster über die Ziellinie ging oder im Kampf als Letzter stehen blieb, dem waren Geld, Ehre und ein Eintrag in die Geschichtsbücher sicher. Und wer seinem Schicksal besonders clever auf die Sprünge half, hatte noch nicht einmal etwas zu befürchten. Denn selbst wenn die Schummelei hinterher aufflog, stand das Ergebnis fest. Nachträgliche Disqualifikationen fanden nicht statt. Wer einmal zum Olympiasieger erklärt wurde, der war es für die Ewigkeit.

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