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News: Planet oder nicht Planet – das ist noch immer die Frage

Seit der letzten Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union IAU im August 2006 besitzt unser Sonnensystem offiziell nur noch acht Planeten. Der Kampf um Pluto geht aber auch fast zwei Jahre danach weiter.
Selten hat eine Entscheidung der IAU in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit ein solches Echo ausgelöst, wie die Degradierung Plutos zum Zwergplaneten. Wissenschaftler starteten schon kurze Zeit später eine Petition, welche aus nur zwei Sätzen besteht: "Wir als Planetenforscher und Astronomen sind nicht einverstanden mit der Planeten-Definition der IAU, und wir werden sie nicht verwenden. Es ist eine bessere Definition notwendig." In fünf Tagen unterzeichneten mehr als 300 Experten das Gesuch, das initiiert wurde von Mark Sykes, Direktor des Planetary Science Instituts in Tucson, Arizona und Alan Stern, Forschungsleiter der amerikanischen Raumsonde New Horizons.

Die Gegner kritisieren insbesondere, dass nur 428 von rund 10 000 Mitgliedern der IAU an der Abstimmung um Plutos Status beteiligt waren und die aktuelle Definition wissenschaftlichen Kriterien nicht standhält. Im Internet entstanden zahlreiche Pluto-Fanseiten und in den USA herrschte Trauer; war doch Pluto der einzige Planet, der von einem Amerikaner – Clyde Tombaugh – entdeckt wurde.

„Dass in wenigen Tagen derart viele Wissenschaftler unsere Petition unterstützten zeigt, dass in der Fachwelt Unzufriedenheit herrscht über die aktuelle Planeten-Definition“, sagte Mark Sykes. Die IAU legte folgende Kriterien fest: Ein Planet ist ein Himmelskörper, der um eine Sonne kreist, massereich genug ist, um eine annähernd runde Form zu besitzen und der die „Nachbarschaft“ seiner Umlaufbahn durch seine Schwerkraft freigeräumt hat.

Pluto erfüllt zwar die ersten beiden Anforderungen, aber er dominiert seine Umgebung nicht gravitativ. Gerade aber dieses dritte Kriterium spaltet die Fachwelt. So ist nicht präzise formuliert, was freiräumen bedeutet. Auch Jupiter hat auf seiner Umlaufbahn Gesellschaft. In den beiden Lagrange-Punkten 60 Grad vor und hinter dem Gasriesen befinden sich die so genannten Trojaner – Asteroiden aus dem Hauptgürtel – und begleiten Jupiter auf seinem Weg um die Sonne. Ist Jupiter somit kein Planet mehr?

Sykes betont, dass die Definition der IAU noch weitere Konsequenzen hat: Um noch ein Planet zu sein, muss ein Himmelskörper mit zunehmendem Abstand zur Sonne immer massereicher werden. Auch wenn Pluto die fünffache Erdmasse besäße, wäre er noch immer kein Planet, weil seine Distanz zur Sonne einfach zu groß ist. Wäre Mars eine halbe Astronomische Einheit weiter von unserem Zentralgestirn entfernt, auch er würde seinen Planetenstatus verlieren. Befände sich die Erde auf der Saturnbahn, sie wäre nur noch ein Zwergplanet.

Pluto wurde nach seiner Entdeckung zunächst als Planet eingestuft, weil Wissenschaftler glaubten, er besitze ungefähr die gleiche Masse wie die Erde. Als aber 1978 der Plutomond Charon entdeckt wurde, änderte sich das Bild drastisch. Mit Hilfe der Umlaufszeit des Trabanten erhielten die Wissenschaftler erstmals präzise Werte. Pluto besitzt demnach nur rund ein Zwanzigstel der Merkurmasse und ist sogar kleiner als der Erdmond.

Ab 1990 fanden die Astronomen zudem die so genannten Kuiper-Belt-Objects (KBOs), die jenseits der Neptunbahn um die Sonne kreisen. Mit der Zeit wurde klar, dass Pluto wohl einer der größten Vertreter dieser neuen Objektklasse ist. Sein Abstieg begann.

Dank Raumsonden besitzen die Wissenschaftler mittlerweile detaillierte Kenntnisse über die anderen Planeten unseres Sonnensystems. Kontinuierlich sammeln die Experten Informationen über Vulkanismus, Plattentektonik oder die chemische Zusammensetzung von Atmosphären und Oberflächen. Sykes betont, dass Himmelskörper, welche all diese komplexen Vorgänge aufweisen, rund sind. Nach ihrer Entstehung – genauer: nachdem sie ihre sphärische Form erlangten – sorgte die Hitze im Inneren der Objekte unter anderem für Bewegungen in der Kruste. Dies löst Vulkanismus und tektonische Aktivitäten aus. Gase werden freigesetzt und können eine Atmosphäre ausbilden.

Sykes schlägt als Definition deswegen vor: Ein Planet ist ein rundes Objekt, welches einen Stern umkreist. Damit würde die Anzahl Planeten sofort ansteigen und wohl auch zukünftig stetig anwachsen. Denn neben Sedna, Quaoar und Eris tummeln sich jenseits der Neptunbahn ziemlich sicher noch weitere KBOs mit ähnlicher Größe. Genau einen solch unkontrollierten Anstieg der Planeten wollten die Astronomen der IAU aber vermeiden.

Die nächste Generalversammlung der IAU findet 2009 statt. Das Thema wird sicher wieder aufgegriffen, ob die Definition allerdings erneut geändert wird, lässt sich nicht vorhersagen. Die Kontroverse erinnert an die Entdeckung des Kleinplaneten Ceres im Jahre 1801. Die Astronomen glaubten damals, endlich den fehlenden Planeten zwischen Erde und Mars gefunden zu haben. Fünfzig Jahre später waren bereits 23 Himmelskörper bekannt, welche die Sonne in ähnlichen Abständen umlaufen. Die Astronomen tauften die Objekte anschließend Asteroiden.

MS

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