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Atomphysik: Proton fällt erneut kleiner aus

Optische Bank

Ein Großteil der Ladung des Protons erstreckt sich laut aktuellem Richtwert über einen Radius von 0,8775 Millionstel eines millionstel Millimeters. Im Juli 2010 kamen Physiker allerdings zu einem anderen Schluss: Demnach fällt der positiv geladene Baustein von Atomkernen rund vier Prozent kleiner aus. Ihre überraschenden Ergebnisse untermauert dieselbe Forschergruppe nun mit weiteren Experimenten. Die Ursache für die erhebliche Diskrepanz bleibt dagegen weiterhin rätselhaft.

Targetkammer | Hier lässt sich ein Blick in die Targetkammer werfen: Gefüllt ist sie mit Wasserstoffgas bei einem Druck von einem Millibar. Die Myonen treffen an der linken Seite (Mitte) ein. Der Laserstrahl schießt derweil aus der unteren linken Ecke hervor, wird fokussiert und an einem Spiegel (in der unteren rechten Bildhälfte) um 90 Grad abgelenkt – direkt in das Proton-Myon-Gemisch. Zwischen den beiden parallelen Spiegeln entlang des Strahlengangs reflektieren die Laserstrahlen rund 500-mal hin und her. Die schwarzen Rechtecke in der Mitte sind Fotodioden. Sie sollen letztlich die lang gesuchten Signale nachweisen: jene Röntgenstrahlung, die ein angeregtes myonisches Wasserstoffatom emittiert.

Wie auch in ihren früheren Versuchen nutzen die Wissenschaftler um Aldo Antognini von der ETH Zürich myonischen Wasserstoff, um die Protonengröße zu ermitteln. In diesem exotischen Wasserstoffatom nimmt ein Myon den Platz des Elektrons ein – ein Teilchen mit derselben negativen Ladung, jedoch rund 200-mal schwerer. Wegen der größeren Masse schrumpft der Durchmesser des Atoms, wodurch sich das Myon in manchen Orbitalen durchschnittlich länger im Ladungsbereich des Kerns aufhält. Das hat Konsequenzen: Die zugehörigen Energieniveaus werden stärker durch die Protonengröße beeinflusst als im herkömmlichen Wasserstoff. Denn je länger das Myon im Kern verweilt, desto stärker sinkt die Anziehungskraft des Protons, und die atomaren Energieniveaus verschieben sich gegeneinander.

Dieser Effekt macht sich beispielsweise in der Energiedifferenz zwischen den ersten beiden angeregten Energiezuständen im Wasserstoffatom bemerkbar, auf die sich die Forscher in ihren Experimenten konzentrierten. Befand sich ein Myon im niedrigeren Zustand, feuerten Antognini und sein Team einen Laserpuls auf das Teilchen, um es in den nächsthöheren Energiezustand zu bringen. Aus der Anregungsfrequenz, bei der dieser Quantensprung glückte, ergibt sich direkt die Energiedifferenz der beiden Zustände – und damit ein indirekter Hinweis auf die Protonengröße.

Der Weg der Myonen | In diesem Tunnel wird der Myonenstrahl zu einer mit Wasserstoff gefüllten Kammer geführt (vorne rechts). Die Krümmung ist notwendig, um die ebenfalls im Strahl enthaltenen Elektronen auszusortieren.

Neben der bereits 2010 gemessenen Übergangsfrequenz bestimmten die Forscher nun auch noch eine weitere. Dadurch ließ sich der Ladungsradius des Protons nun fast doppelt so genau angeben. Das Ergebnis, 0,84087 Femtometer, stimmt gut mit dem Wert von 2010 überein [1]. Die Diskrepanz zum aktuellem Richtwert liegt nun jedoch um das Siebenfache außerhalb der Fehlergrenzen, mit denen die traditionellen Messungen behaftet sind. Hierbei wird der Protonenradius direkt aus der Elektronenstreuung an Protonen oder indirekt aus der Spektroskopie von atomarem Wasserstoff gewonnen.

Warum die Werte derart voneinander abweichen, ist bislang noch unklar. Um aus den Übergangsfrequenzen auf die Protonengröße schließen zu können, sind komplexe quantenelektrodynamische Berechnungen erforderlich – ein potenzielle Fehlerquelle. Aber auch eine bisher unentdeckte Quelle für systematische Fehler könnte eine Ursache sein, meint Helen Margolis vom National Physical Laboratory im britischen Teddington in einem begleitenden Artikel [2].

Neue Erkenntnisse liefern womöglich weitere spektroskopische Messungen an anderen künstlich hergestellten Atomen. So planen Antognini und Kollegen noch in diesem Jahr erstmalig auch myonisches Helium spektroskopisch zu vermessen. Bleibt das Rätsel jedoch bestehen, so Margolis, sei es vielleicht notwendig, die Grundlagen der Quantenelektrodynamik selbst in Frage zu stellen.

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  • Quellen
[1] Science 339, S. 417–420, 2013
[2] Science 339, S. 405–406, 2013

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