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News: Putzkolonne fürs Hirn

Ablagerungen von bestimmten Proteinen im Gehirn charakterisieren die Alzheimer'sche Krankheit. Bisher ging man davon aus, dass die Nervenzellen des Gehirns diese Proteinablagerungen kontrollieren und verhindern können. Wissenschaftler haben jetzt jedoch ein Molekül gefunden, dass offensichtlich über das Blutgefäßsystem heran transportiert wird und im Gehirn mit den gefährlichen Ablagerungen aufräumen kann.
Es fängt meist harmlos an. Kleinigkeiten werden vergessen, das Kurzzeitgedächtnis will nicht mehr richtig arbeiten, die Sprache verliert an Präzision. Dann findet sich der Betroffene nicht mehr allein in fremder Umgebung zurecht. Zunehmend braucht er Hilfe für die täglichen Dinge des Lebens. Frühere Ereignisse verschwinden schleichend aus der Erinnerung. Die Alzheimer'sche Krankheit verändert gnadenlos und unwiederruflich die Persönlichkeit ihres Opfers.

Die enzymatische Spaltung des beta-Amyloid-Vorläufer-Proteins an falscher Stelle richtet die verheerenden Schäden des Gehirns an. Die Bruchstücke des Proteins lagern sich außerhalb der Nervenzelle zu einer unlöslichen Masse zusammen. In unmittelbarer Nähe dieser Ablagerungen verkümmern die Nervenzellfortsätze und sammeln sich Abwehrzellen an. Es entstehen die für die Krankheit typischen Komplexe, die als Plaques bezeichnet werden. Diese Plaques schieben sich zwischen die Nervenzellen und unterbrechen so ihre wechselseitigen Kontakte.

Um seine zunehmende Zerstörung zu verhindern, muss das Gehirn die Bildung dieser Plaques verhindern oder bereits vorhandene Plaques beseitigen. Wie dies geschieht, untersuchten Wissenschaftler des Medical Center der University of Rochester an Mäusen. Der Arbeitsgruppenleiter Berislav Zlokovic, inzwischen bei der Keck School of Medicine der University of Southern California, stellte die Ergebnisse auf der Jahrestagung der amerikanischen Society for Neuroscience am 6. November 2000 in New Orleans vor (Abstract). Die Neurowissenschaftler injizierten radioaktiv markiertes Amyloid-Peptid in die Gehirne ihrer Versuchstiere und beobachteten die Reaktionen der Organismen. Es zeigte sich, dass das Lipoprotein LRP-1 (low-density lipoprotein receptor-related protein) aus dem Blutgefäßsystem eine entscheidende Rolle bei der Beseitigung der Plaques spielt. Normalerweise ist LRP-1 beim Transport sowie beim Stoffwechsel von Lipiden wie Cholesterin beteiligt. Blockierten die Wissenschaftler die Produktion von LRP-1, konnten sich die Plaques im Gehirn deutlich stärker anreichern. Andererseits fanden die Forscher bei gesunden Mäusen im mittleren Alter von neun bis zwölf Monaten einen geringeren Gehalt an LRP-1 im Blut als bei Jungtieren. Diese Tiere beseitigten die Amyloid-Plaques doppelt so schnell wie die älteren Mäuse.

Zlokovic vermutet, dass Amyloid-Peptide im Gehirn immer vorhanden sind. Bei gesunden, jungen Menschen werden sie jedoch stets durch das Blutgefäßsystem beseitigt. Bisher glaubten die Wissenschaftler, dass die Nervenzellen selbst die Ablagerungen an ihren Zellfortsätzen abbauen, doch offensichtlich kann das Blut, welches das Gehirn mit Sauerstoff und Kohlenhydraten versorgt, diese Aufgabe viel effektiver lösen. Der Neurochirurg betont, es wäre schlicht Energieverschwendung, wenn die Neuronen Abfallprodukte beseitigen müssten: "Neuronen sind zum Denken da, und nicht zum Saubermachen."

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