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Neuropathologie: Quell des Schmerzes

Ein neuropathischer Schmerz ist eine fiese Sache: Bei dieser Nervenerkrankung wird eine hauchzarte Berührung auf einmal zur brennenden Qual. Die Ursache dieser Fehlempfindung ist bei den Zellen zu suchen, die eigentlich der Müllabfuhr im Zentralnervensystem dienen.
Mikroglia
Was wäre ein Nerv für sich alleine für ein armer Wicht, ginge ihm nicht eine Armada von Gliazellen hilfreich zur Hand! Diese Hilfszellen im Zentralnervensystem machen den Nerv erst richtig zum Nerv: So bauen die Oligodendrogliazellen eine isolierende Myelinschicht um die Neurone herum auf und ermöglichen dadurch erst die blitzschnelle Erregungsleitung im Nervensystem. Die sternförmigen Astrogliazellen ihrerseits unterstützen die Signalübertragung zwischen einzelnen Nervenzellen und erfüllen daneben etliche weitere Aufgaben – so helfen sie beispielsweise bei der Entgiftung des Zentralnervensystems.

Mirkoglia mit BDNF | Aktivierte Mikroglia produziert das Signalprotein BDNF (rechts unten) und löst dadurch neuropathischen Schmerz aus.
Das Reinemachen und die Beseitigung eingedrungener Mikroorganismen ist aber in erster Linie die Aufgabe des dritten Glia-Zelltyps, der Mikroglia. Die Mikrogliazellen werden aktiv, wenn Nerven verletzt wurden, sich ein Bereich im Zentralnervensystem entzündet oder wenn dort Bakterien oder Viren eingedrungen sind. Die dadurch aktivierten Mikrogliazellen stürzen sich dann als Fresszellen auf sterbende Zellen und beseitigen diese.

Dieser Zelltyp mischt aber auch bei allen möglichen krankhaften Prozessen wie beispielsweise Morbus Alzheimer oder multipler Sklerose mit. Er ist auch daran beteiligt, wenn sich – beispielsweise infolge einer Diabeteserkrankung oder durch eine Nervenverletzung – ein neuropathischer Schmerz entwickelt. Die von diesem Nervenleiden betroffenen Patienten empfinden im Verlauf der Krankheit selbst leichteste Berührungen als äußerst schmerzhaft.

Ein multidisiziplinäres und multizentrisches Team unter Leitung von Yves De Koninck von der Universität Laval-Robert-Griffard in Montreal und Michael Salter vom Kinderkrankenhaus in Toronto wollten nun wissen, ob und wie die Mikroglia diese schmerzhafte Fehlempfindung in Gang setzt. Sie hatten das Protein BDNF (Brain-Derived Neurotropic Factor) in Verdacht, das von aktivierter Mikroglia produziert wird und von dem bekannt ist, dass es bei chronischen Schmerzen eine Rolle spielt.

Deswegen injizierten die Wissenschaftler gesunden Mäusen BDNF in das Rückenmark – und genauso wie nach der Injektion aktivierter Mikroglia wurden die Nager durch die Behandlung wesentlich schmerzempfindlicher. Umgekehrt verschwand bei Ratten, die infolge einer Nervenverletzung neuropathischen Schmerz entwickelt hatten, das Leiden, wenn die Forscher bei ihnen die Wirkung von BDNF blockierten.

Demnach wurde das Protein tatsächlich im Rückenmark freigesetzt und war entscheidend dafür, dass sich ein neuropathischer Schmerz entwickelte. Doch wo kam das BDNF-Protein her?

BDNF | Das von aktivierter Mikroglia produzierte Protein BDNF stört den normalen Signalweg vom Nerv ins Gehirn, indem es das Membranpotenzial der Zelle umkehrt, und verursacht dadurch neuropathischen Schmerz.
Die Kanadier vermuteten, dass die Mikroglia die Quelle des Proteins war. Um dies zu überprüfen, injizierten sie Nagern aktivierte Mikroglia, blockierten aber gleichzeitig BDNF. Tatsächlich entwickelten die so behandelten Tiere keinen neuropathischen Schmerz.

BDNF wird also von aktivierter Mikroglia produziert und ist der entscheidende Faktor bei der Entstehung von neuropathischem Schmerz. Da in den Versuchen der Schmerz verschwand, wenn dieser Signalweg unterbrochen wurde, hoffen die Forscher, dass auf Grund dieser Entdeckung neue Mittel zur Behandlung dieses Leidens entwickelt werden können.

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