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Wetterphänomen: Rätselhafte Antimaterie in Gewitterwolke gefunden

In einem besonders heftigen Gewitter haben Forscher Hinweise auf Antimaterie entdeckt. Noch können sie sich keinen Reim auf die Beobachtung machen.
Heftiges Gewitter in Boulder, Colorado

Beim Flug durch ein Gewitter haben Wissenschaftler eine rätselhafte Entdeckung gemacht: Den Ergebnissen ihres Detektors nach zu urteilen waren sie für einen Moment von Antimaterie umgeben, die eine Wolke von ein bis zwei Kilometer Durchmesser bildete. So deuten sie jedenfalls die Messwerte, über deren Interpretation sie seit dem Flug im Jahr 2009 gebrütet haben.

Die Ergebnisse haben sie jetzt in einer aktuellen Veröffentlichung im "Journal of Plasma Physics" (im Druck) vorgestellt, über deren Hintergründe das Magazin "Nature" berichtet.

Es ist bereits bekannt, dass in Gewitterwolken Antimaterie erzeugt wird. Dabei entstehen "Antielektronen", also Positronen. Trifft normale Materie auf diese Antimaterie, kommt es zur sofortigen gegenseitigen Vernichtung, die mit einem charakteristischen Gammastrahlensignal einhergeht.

Drei dieser typischen Signale haben die Atmosphärenforscher um Joseph Dwyer von der University of New Hampshire bei ihrem Flug im August 2009 aufgefangen. Doch zusätzlich zu dieser erwarteten Materie-Antimaterie-Reaktion fanden sie weitere, schwächere Gamma-Signale. Diese mussten bereits einen längeren Weg zurückgelegt haben und dabei abgeschwächt worden sein, schlussfolgerten die Forscher. Sie kalkulierten, dass ihr Flugzeug von einer kurzlebigen Positronenwolke mit mehr als einem Kilometer Durchmesser umgeben war.

Woher stammt die Wolke?

Doch über das Entstehen dieser Wolke hätten sie sich laut "Nature" inzwischen fünf Jahre lang den Kopf zerbrochen. Eine Erklärungsmöglichkeit: Positronen rieseln permanent aus dem All auf die Erde ein. Ein besonders starker Schauer könnte die Wolke erklären, doch dann hätten sich auch andere Arten von Strahlung zeigen müssen, die die Forscher aber nicht fanden.

Auch eine Alternativerklärung konnte sie nicht überzeugen: Durch starke elektrische Felder in den Gewitterwolken werden Elektronen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und senden dabei Gammastrahlen aus, die wiederum ein Elektron und ein Positron erzeugen können, wenn sie ein Atom treffen. Doch in diesem Fall hätten sich deutlich mehr Gammastrahlen zeigen müssen, als tatsächlich auftraten.

Der Atmosphärenphysiker Jasper Kirby vom CERN schlägt auf Nachfrage von "Nature" eine profanere Erklärung vor. Möglicherweise irrten sich Dwyer und Kollegen bei der Größenberechnung, und die Wolke war wesentlich kleiner als angenommen – womöglich beschränkte sie sich nur auf die Oberfläche des Flugzeugs selbst. Dort könnten theoretisch Prozesse auftreten, die ein schwaches Gammastrahlensignal produzierten.

Mehr Erkundungsflüge sollen jetzt Aufschluss geben. Ins Innere heftiger Gewitter wollen sich US-Forscher demnächst in einer umgebauten A-10 "Warthog" vorwagen. Das Kampfflugzeug gilt als extrem widerstandsfähig. "Im Innern von Gewitterwolken gibt es bizarre Landschaften, die wir gerade erst anfangen zu erkunden", sagt Dwyer, der den Geheimnissen der Gewitter auch mit Hilfe von Radiowellen-Großteleskopen auf die Schliche kommen möchte. Von seiner Erforschung der "Gammablitze aus den Wolken" berichtete der Forscher Anfang 2013 ausführlich in "Spektrum der Wissenschaft".

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