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Open Access: Rauferei am Nebenschauplatz

Wissenschaftler protestieren zu Recht gegen einen Gesetzentwurf, der den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen einschränkt. Doch das eigentliche Problem ist ein anderes.
Lars Fischer

Der große Streit, wem wissenschaftliche Forschungsergebnisse gehören, geht derzeit in den USA in eine neue Runde. In der Vergangenheit haben immer mehr staatlich finanzierte Forschungsorganisationen in ihren Statuten festgeschrieben, dass die mit Steuergeldern finanzierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Allgemeinheit frei zur Verfügung stehen müssen. Doch dagegen regt sich auch Widerstand: Zwei Abgeordnete des Repräsentantenhauses haben einen Gesetzentwurf namens Research Works Act vorgelegt, der solche Vorschriften schlicht für illegal erklären soll. Betroffen wären unter anderem die National Institutes of Health, die zu den größten Wissenschaftsfinanzierern weltweit gehören und in der Vergangenheit Vorreiter des freien Zugangs zu öffentlich finanzierter Forschung waren.

Die neue Gesetzesvorlage erschwert Forschern nicht nur, Forschungsergebnisse frei auszutauschen – auch die Daten, auf denen die Publikationen basieren, sollen demnach in Zukunft nur noch mit Genehmigung eines Verlages zwischen Forschern weitergegeben werden können. Insbesondere Wissenschaftler sind empört, denn der Vorschlag ist nichts anderes als ein Angriff auf die freie Forschung selbst.

Er ist aber vor allem ein Ablenkungsmanöver mit dem Ziel, das bisherige Geschäftsmodell der Wissenschaftsverlage so lange wie möglich vor ernsthafter Konkurrenz zu schützen. Nicht einmal die Unterstützer des Vorhabens glauben ernsthaft daran, dass ein derart dreister Versuch, privaten Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen zu füllen, Erfolg haben kann. Der Punkt ist vielmehr ein anderer: Die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesen entscheidet sich eben nicht in Gesetzen und Verordnungen, sondern mit Strukturen und Modellen, mit denen Wissenschaftler und Öffentlichkeit Forschungsergebnisse frei austauschen können. Der Streit darum, ob Open Access legal ist, verschleiert die viel wichtigere Frage, mit welchen Mitteln man es umsetzt.

Natürlich ist es richtig und notwendig, dass sich Forscher gegen Initiativen wie den Research Works Act wehren, doch die Welt bewegt sich längst unaufhaltsam in Richtung Open Access – es ist aus wissenschaftlicher Sicht ebenso sinnvoll, Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen, wie es aus gesellschaftlicher und politischer Sicht gewünscht ist. Dass weltweit immer mehr staatlich finanzierte Forschungsinstitutionen Open Access festschreiben, ist ein beredtes Zeugnis dieses Trends.

Es bleiben allerdings Fragen offen, die noch zu klären sind. Das institutionelle Gerüst, das Wissenschaftsverlage dem Publikationswesen verleihen, bietet eine ganze Reihe Vorteile. Der etablierte redaktionelle Prozess klassischer Fachzeitschriften genießt weithin Vertrauen, das sich andere Modelle erst erarbeiten müssen. Hier sind Open-Access-Zeitschriften auf einem guten Weg. Gleichzeitig aber verändert sich die Funktion der wissenschaftlichen Publikation selbst, weg vom an das Medium Papier angepassten wissenschaftlichen "Paper", hin zu einer zeitgemäßen digitalen Darstellung der Forschungsergebnisse. Sie soll maschinenlesbar sein und womöglich Rohdaten in verwertbarer Form enthalten.

Für all das müssen Standards neu definiert werden, für Datenformate, Repositorien und für die Veröffentlichungen selbst, ein Prozess, der noch ganz am Anfang steht. Und natürlich muss es auch in Zukunft ein System geben, das ein Mindestmaß an Integrität der publizierten Daten gewährleistet, wie es heute der Peer Review und die Redaktionen der Fachzeitschriften tun. Dass die Wissenschaftsverlage ihr Monopol schamlos und letztendlich selbstzerstörerisch zu ihrer Bereicherung genutzt haben, ändert nichts daran, dass ein System, das sie ersetzt, ihre Aufgaben vergleichbar oder besser erfüllen muss.

Der weit verbreitete Protest gegen den Research Works Act zeigt einmal mehr, dass der Trend hin zu offenen Publikationen und freien Daten kaum noch umzukehren ist. Das ist gut. Aber alle Beteiligten müssen sich der Erkenntnis stellen, dass die wissenschaftliche Literatur nicht von alleine frei zugänglich werden wird – Staaten und Institutionen müssen gemeinsam Handeln und auch das nötige Geld für die Umsetzung dieser Vision bereitstellen, wenn das freie digitale Publikationswesen nicht auf lange Sicht Stückwerk bleiben soll.

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