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News: Richtungsweisend

Schon lange ist bekannt, dass das Auge mehr kann als eine Kamera. Jetzt haben Wissenschaftler die Bausteine der Netzhaut analysiert, die wichtige Verrechnungsschritte leisten.
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Das Wirbeltierauge gehört sicherlich zu den ausgefeiltesten Konstruktionen, welche die Evolution ersonnen hat. Wie bei einer Kamera erzeugt ein optischer Apparat aus Hornhaut und Linse aus dem einfallenden Licht ein reelles Bild und wirft es auf eine lichtempfindliche Schicht, die Netzhaut. Doch bereits 1965 entdeckten Horace Barlow und William Levick, dass das Auge weit mehr leisten kann als eine Kamera: Sie fanden in der Netzhaut Nervenzellen, die nur dann antworten, wenn sich das aufgefangene Bild in einer bestimmten Richtung bewegt. Die Netzhaut nimmt also – im Gegensatz zum Film im Fotoapparat – auch Bewegungen wahr.

Doch wo findet diese Verrechnung statt? Schnell standen hier die Amakrinzellen der Netzhaut im Verdacht, die einerseits mit den Ganglienzellen der Sehnerven, anderseits mit den Bipolarzellen verknüpft sind. Die Bipolarzellen überbrücken wiederum den Informationsfluss von den lichtempfindlichen Zapfen und Stäbchen.

Einen besonderen Typ von Amakrinzellen haben die Neurobiologen wegen ihres charakteristischen Aussehens starburst-Zellen getauft. Im Gegensatz zu "normalen" Nervenzellen haben sie keine ausgeprägte Ausgangsleitung, sondern geben ihre Signale über dieselben Nervenfortsätze – die Dendriten – weiter, mit denen sie auch einlaufende Signale empfangen. Leider sträubten sich diese hoch filigranen Zellen bisher direkten Messungen der Elektrophysiologen.

Doch dies gelang jetzt Shelley Fried, Thomas Münch und Frank Werblin von der University of California in Berkeley. Die Messungen der Forscher bestätigten, dass die starburst-Zellen ein wesentlicher Baustein für die Wahrnehmung von Bewegungen sind. Sie tun dies, indem sie benachbarte Ganglienzellen unterschiedlich stark hemmen.

Solange ein Lichtreiz still steht, wird das Signal von der Sinneszelle über die Bipolarzelle direkt an eine Ganglienzelle weitergeleitet. Mehrere Ganglienzellen sind wiederum mit einer starburst-Zelle verknüpft. Bewegt sich nun der Lichtreiz in diejenige Richtung, die keine Antwort auslösen soll – die Nullrichtung –, dann empfängt diese starburst-Zelle von der Ganglienzelle ein Signal und hemmt daraufhin die benachbarte Ganglienzelle. Der Sehnerv leitet das Signal nicht weiter.

Bewegt sich der Lichtreiz dagegen in der Vorzugsrichtung, dann empfängt die starburst-Zelle zwar auch ein Signal, doch in dieser Richtung – so vermuten die Forscher – fehlt die Verknüpfung zur benachbarten Ganglienzelle. Diese wird daher nicht gehemmt, das Signal kann passieren.

Der "Trick" liegt also in der unterschiedlichen räumlichen Verknüpfung hemmender Nervenzellen, die als Verrechnungseinheiten arbeiten. Selbst eine moderne Digitalkamera kann mit dieser Rechenleistung nicht mithalten.

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