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Kometensonde Rosetta: Rosetta – die ersten Wochen im Umlauf um 67P

In einer Sonderausgabe der Zeitschrift "Science" werden die ersten Ergebnisse der Rosetta-Mission vorgestellt. Sie geben die Resultate vom Anflug von Rosetta auf den Kometenkern und den ersten Wochen im Umlauf um 67P/Tschurjumow-Gerasimenko wieder.
Komet 67P am 3. Januar 2015

Die Entstehung des Doppelkörpers von Komet 67P, Mikromonde im Umlauf um den Kometenkern und die zeitlich variable Freisetzung von Wasserdampf und Kohlendioxid sind nur einige der Highlights aus den ersten Wochen der Erkundung des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko durch die Kometensonde Rosetta. Sie umrundet nun seit rund fünf Monaten den Kometen 67P auf ständig wechselnden Umlaufbahnen. Von ihren Ergebnissen gelangten aber bislang nur sporadisch Informationen in die Öffentlichkeit. Nun erlaubt eine Sonderausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Science" einen detaillierten Einblick in die Resultate, die während des Anflugs und in den ersten Wochen im Umfeld von 67P gewonnen wurden.

Geologische Karte des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko | Auf den Ansichten des Kerns des Kometen 67P sind unterschiedliche geologische Einheiten farbig markiert und mit Namen versehen. Diese entstammen der altägyptischen Götter- und Sagenwelt.

Erstmals werden nun auch hochaufgelöste Bilder der wissenschaftlichen Kamera OSIRIS veröffentlicht, die nie zuvor gesehene Details der Oberfläche von 67P enthüllen. Das Forscherteam um Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen untersuchte den strukturellen Aufbau und die kometare Aktivität des Kerns. Schon die Bilder vom Anflug hatten gezeigt, dass 67P aus zwei Teilen besteht, die durch einen schmalen Hals miteinander verbunden sind. Die Forscher um Sierks diskutieren in ihrer Arbeit, ob 67P nun ein Doppelkörper ist, der aus zwei eishaltigen Planetesimalen besteht, die in der Frühzeit des Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren sanft miteinander kollidierten und dabei verschmolzen. Sollten sich die Zusammensetzungen der beiden Teilkörper unterscheiden, so läge dieses Szenario nahe.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der "Hals" durch Erosion entstand, sich also in dieser Region größere Mengen an flüchtigen Stoffen befanden als anderswo im Kern von 67P. Bei den Annäherungen an die Sonne wären hier dann bevorzugt Gas und Staub ins All entwichen, so dass schließlich die Einschnürung entstand. Die Halsregion trägt nun übrigens den Namen "Hapi". Der größere Teilkörper ist maximal 4,1 Kilometer lang, bis zu 3,3 Kilometer breit und etwa 1,8 Kilometer hoch. Die Dimensionen des kleineren Teilkörpers liegen bei einer Länge von 2,6 Kilometern, einer Breite von 2,3 Kilometern und einer Höhe von 1,8 Kilometern. Die mittlere Dichte des Kerns beträgt 0,47 Gramm pro Kubikzentimeter, also weniger als die Hälfte der Dichte von Wassereis. Dies ist ein Hinweis darauf, dass 67P kein massiver Eisblock mit Verschmutzungen ist, sondern eine große Porosität aufweist. Die Forscher gehen von einem Porenvolumen zwischen 70 und 80 Prozent aus.

Die Region Hathor in der Nähe des Halses von 67P | Unweit der starken Einschnürung des Kometenkerns zeigen sich deutliche Hinweise auf Bergstürze und Rutschungen. Der Talgrund der Region Hathor enthält zahlreiche größere Gesteinsbrocken. Im linken unteren Teilbild sind lineare Strukturen in der Steilwand markiert.

Anhand der Bilder von OSIRIS bestimmten die Forscher um Sierks die Rotationsperiode von 67P zu exakt 12,4043 Stunden. Damit bestätigte sich, dass 67P nun rund 22 Minuten langsamer rotiert als bei der letzten Sonnenpassage im Jahr 2009. Dies könnte auf Gasaustritte zurückgehen, die auf den Kometenkern wie schwache Kaltgas-Raketentriebwerke wirken und mit ihrem Schub die Rotationsperiode verändern können. Während des Untersuchungszeitraums konzentrierte sich die Aktivität auf die Halsregion Hapi, wo schon während des Anflugs Austritte von Gas und Staub beobachtet werden konnten.

Bricht 67P bald auseinander? | Ein rund 500 Meter langer Riss zieht sich durch den schmalen Hals des Kometenkerns von 67P. Könnte hier der Kern mittelfristig auseinander brechen? Die Entstehungsursache ist derzeit noch unbekannt.

Eine erste geologische Karte

Die Forschergruppe um Nicolas Thomas an der Universität Bern nutzte ebenfalls die Bilder der OSIRIS-Kamera für ihre Untersuchungen. Sie erstellte erste geologische Karten der Oberfläche von 67P und unterschied dabei 19 unterschiedliche geologische Einheiten. Diese dienten als Grundlage für die Benennung von Regionen auf dem Kometenkern. Alle Namen beziehen sich auf die altägyptische Götter- und Sagenwelt. Auf den Aufnahmen von OSIRIS fanden die Forscher Hinweise auf Bergstürze, Rutschungen von Oberflächenmaterial und Veränderungen der Oberfläche durch die Einwirkung der Sonnenstrahlung. Besonders im Bereich der Halses lassen sich zahlreiche Brocken erkennen, die den Steilhang heruntergefallen sein müssen.

Ein aktiver Krater auf 67P | Diese Aufnahme eines rund 200 Meter breiten Lochs auf 67P gelang mit der Kamera OSIRIS. Im rechten Teilbild wurden Helligkeit und Kontrast angehoben, so dass sich die kometare Aktivität zeigt. Aus dieser Öffnung treten feine Strahlen aus Gas und Staub hervor.

Mit VIRTIS, dem Visible, Infrared and Thermal Imaging Spectrometer, suchten die Wissenschaftler um Fabrizio Capaccioni vom Istituto Nazionale di Astrofisica (INAF) in Rom nach kohlenstoffhaltigen Verbindungen und organischen Molekülen in der Oberfläche von 67P. Die gesamte Oberfläche ist mit undurchsichtigen Mineralen bedeckt, die aus nichtflüchtigen kohlenstoffhaltigen Makromolekülen bestehen. Diese sind komplexe Mischungen aus Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasserstoff und Sauerstoff mit Wasserstoff, mit nur geringen Beimengungen von Stickstoff. Die Minerale sorgen für die tiefschwarze Farbe des Kometenkerns: Die Forscher stellten fest, dass der Kern im Bereich des grünen Lichts bei einer Wellenlänge von 550 Nanometern nur etwa sechs Prozent des auftreffenden Sonnenlichts zurückwirft – zum Vergleich: Die Erde reflektiert etwa 39 Prozent. Damit ist der Kern so schwarz wie ein Stück Kohle. Mit VIRTIS gelang es bislang nicht, wassereisreiche Regionen auf 67P auszumachen.

Die Region Imhotep auf 67P | Auf dem größeren der beiden Teilkörper von 67P ist die glatte Region Imhotep besonders auffällig. Sie erstreckt sich über einen Durchmesser von rund einem Kilometer. "A" markiert die glatte Oberfläche, "B" eine Schichtung des glatten Materials nahe am Rand von Imhotep, und "C" deutet auf glattes Material in einer höheren Position hin. "D" verweist auf eine runde Struktur, die ähnlich auch auf dem Kometen Tempel 1 beobachtet wurde; "G" ähnelt Strukturen auf diesem anderen Kometenkern.

Mikromonde um den Kometenkern

Doch nicht nur die fernerkundlichen Instrumente liefern interessante Daten über 67P. Mit dem Gerät GIADA, dem Grain Impact Analyser and Dust Accumulator, wurden 83 Staubkörner untersucht, die von 67P freigesetzt wurden. Das Forscherteam um Alessandra Rotundi, ebenfalls vom INAF in Rom, stellte fest, dass 35 von ihnen Massen zwischen 10-6 und 10-4 Gramm aufwiesen. 48 waren beträchtlich massereicher, mit Werten zwischen 10-2 und 10 Gramm und wiesen Durchmesser von bis zu 17 Millimetern auf.

Das erste Staubteilchen registrierte GIADA am 1. August 2014 in einem Abstand von 814 Kilometern zum Kometenkern. Mit der Kamera OSIRIS ließen sich Partikel auf den Bildern direkt nachweisen. Sie befinden sich teilweise in Umlaufbahnen um 67P und sind sozusagen Mikromonde des Kometenkerns. Ähnliche Partikel fand die US-Raumsonde EPOXI (ehemals Deep Impact) auch im Umfeld des Kometen 103P/Hartley-2 bei ihrem Vorbeiflug im November 2010.

Myrtha Hässig und ihre Kollegen an der Universität Bern und am texanischen Southwest Research Institute nutzten das Instrument ROSINA, das Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis, um die Zusammensetzung der Gase in der Koma, einer Hülle aus Gas und Staub um den Kometenkern, zu erforschen. Dabei interessierten sie sich besonders für die Kopplung der Gasfreisetzung an die Rotation des Kometenkerns. Sie stellten fest, dass die Freisetzung von Wasserdampf, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid deutlichen zeitlichen Schwankungen unterliegt, die von der Rotation von 67P gesteuert werden. Dabei verhält sich Kohlendioxid anders als Wasserdampf. Immer dann, wenn die Halsregion auf die Sonne und in die Richtung von Rosetta wies, waren die Gaskonzentrationen besonders hoch. Des Weiteren zeigte sich, dass die Koma sehr inhomogen ist und die gemessenen Konzentrationen der Gase auch stark vom Abstand von Rosetta zu 67P abhingen. Zudem kann die Koma zeitweise von Wasserdampf, dann wieder von Kohlendioxid dominiert sein. Im Allgemeinen stellt aber Wasserdampf das häufigste Gas in der Koma dar.

Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko am 16. Januar 2015 | Im Bereich des Halses von 67P lassen sich auf diesem Bild deutliche Strahlen aus Gas und Staub ausmachen, die vom Kern ausgehen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme trennten Rosetta rund 28 Kilometer vom Zentrum des Kometenkerns. Die Auflösung beträgt 2,4 Meter pro Bildpunkt.

Die Menge an freigesetztem Wasserdampf wurde von Samuel Gulkis und seinen Koautoren vom Jet Propulsion Laboratory der NASA mit dem Instrument MIRO bestimmt. Das Microwave Instrument on the Rosetta Orbiter untersuchte von Juni bis August 2014 den Kometen und konnte zeigen, dass die Freisetzung von Wasserdampf mit dem geringer werdenden Abstand zur Sonne anstieg. Im Juni setzte der Kern 300 Gramm Wasser pro Sekunde frei, etwa die Menge in einem Trinkglas. Ende August waren es schon 1200 Gramm pro Sekunde. Zudem unterliegt die Freisetzungsrate ebenfalls der Rotation des Kometenkerns und seiner Ausrichtung zur Sonne. Auch hier ist die Halsregion vorherrschend, was sich mit den Beobachtungen von ROSINA deckt.

Die nun vorgestellten Ergebnisse stellen nur die Spitze des Eisbergs der von Rosetta gesammelten Messdaten dar. Sie sind ein erster Einblick in die noch vor uns liegenden Enthüllungen. Zudem wird der Kern seine Aktivität auf Grund der abnehmenden Entfernung zur Sonne und der damit stark ansteigenden Temperaturen beträchtlich steigern – der geringste Sonnenabstand wird im August 2015 erreicht. Dann wird es spannend sein, die Veränderungen auf der Oberfläche von 67P zu verfolgen und Tschurjumow-Gerasimenko auf dem Höhepunkt seiner Aktivität aus unmittelbarer Nähe zu beobachten. Rosetta soll den Kometenkern noch mindestens bis Ende 2015 im Blick behalten, eine Missionsverlängerung bis Ende 2016 ist aber nicht ausgeschlossen.

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