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Parasitologie: Schmarotzer im Doppelpack

Winzige Kostgänger hausen in vielen wirbellosen Tieren und greifen mit raffinierten Tricks in die Fortpflanzung ihrer Opfer ein: Wolbachia-Parasiten. Doch was passiert, wenn sich Wirtsindividuen paaren, die mit unterschiedlichen Bakterien-Stämmen infiziert sind?
Bezüglich ihres Gastgebers sind die Angehörigen der Bakteriengattung Wolbachia keineswegs wählerisch. Ob Krebse, Milben, Fadenwürmer oder Insekten – die Mikroorganismen fühlen sich in vielen Wirbellosen heimisch. Mit Vorliebe halten sie sich in den Fortpflanzungsorganen ihrer Wirte auf und hangeln sich über befallene Eizellen von einer Generation zur nächsten. Ihr Repertoire an Manipulationen ist dabei umfangreich: So verschieben die Parasiten das Geschlechterverhältnis unter den Nachkommen zugunsten der Weibchen, töten die Männchen, verweiblichen genetische Männchen oder führen zur Parthenogenese.

Auch Schmetterlinge der Art Eurema hecabe verschonen die Wolbachia-Parasiten nicht. Auf der Insel Okinawa in der subtropischen Region Japans existieren nebeneinander Populationen, deren Individuen aufgrund des Bakterien-Befalls nur eine weibliche Kinderschar hervorbringen. Andere zeigen dagegen eine so genannte cytoplasmatische Inkompatibilität (CI): Die Spermien der befallenen Männchen bringen nicht infizierte Eizellen zum Absterben. "Verweiblichende" Schmetterlinge könnten demnach auf CI-infizierte Männchen als potenzielle Partner treffen. Was – so rätselten Forscher um Masato Hiroki von der International Christian University in Tokio – ist das Ergebnis derartiger Falter-Rendezvous?

Um diese Frage zu klären, sammelten die Biologen zehn weibliche Schmetterlinge auf der Insel ein und zogen deren Nachwuchs im Labor auf. Nach der Entpuppung ermittelten sie, dass die Nachkommen von acht Weibchen ein normales Geschlechterverhältnis aufwiesen, während die der zwei übrigen Individuen alle weiblich waren. Aus diesen unterschiedlichen Bruten züchteten die Wissenschaftler zwei Linien: OKI-1 und OKI-2. Mithilfe von Kreuzungsversuchen stellten sie sicher, dass es sich bei OKI-1 tatsächlich um CI-Individuen und bei OKI-2 um verweiblichende Falter handelte. Anschließend verfütterten sie an einige Larven beider Linien eine tetrazyklinhaltige Diät, um die Wolbachia-Bakterien in ihren Zellen abzutöten.

Nachdem die erwachsenen Falter geschlüpft waren, kreuzten die Forscher derartig behandelte und unbehandelte Weibchen der OKI-2-Linie mit infizierten oder "geheilten" Männchen der OKI-1-Linie. Täglich zählten sie die Anzahl der Eier und der geschlüpften Larven. Paarten sich Weibchen mit Wolbachia-befallenen Männchen, so entstanden lebensfähige Eier. Aus der Verbindung zwischen Weibchen mit tetrazyklinhaltiger Nahrung und infizierten Männchen gingen hingegen keine Larven hervor. Wurden beide Schmetterlingseltern mit Antibiotika behandelt, legten die Weibchen wiederum lebensfähige Eier.

Offensichtlich vermögen verweiblichende Schmetterlingsdamen die modifizierten Spermien von CI-Männchen zu "retten", die gewöhnlich nicht infizierte Eizellen abtöten, schlussfolgern die Wissenschaftler. Wie genetische Analysen der beherbergten Wolbachia-Bakterien enthüllten, trugen die verweiblichenden Tiere zwei verschiedene Stämme in sich: Während sie den einen Stamm mit der CI-Linie teilten, besaßen sie den anderen ganz allein. Somit rufen zwei Stämme die gleichzeitig auftretenden Manipulationen – "CI-Rettung" und Verweiblichung – unabhängig voneinander hervor und nicht etwa ein einziger Stamm mit zwei Funktionen. Da doppelt infizierte Schmetterlinge jedoch selten sind, kommt es vermutlich, so spekulieren die Forscher, zu Konflikten zwischen den beiden Wolbachia-Stämmen.

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