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Quantenmechanik: Schwingend vereint

In der Quantenwelt können sich Objekte derart miteinander verbinden, das sie eine Einheit bilden: Egal wie weit sie voneinander entfernt sind, wissen sie was ihrem Partner widerfährt. Ein Phänomen nur auf atomaren Skalen? Nein, zeigen nun die ersten verschränkten Mikroschwingsysteme.
Verschränkte Oszillationen
Irgendetwas miteinander zu verschränken, ist unter Physikern in den vergangenen Jahren zu einer Art Wettbewerb geworden. Da werden Zustände von bis zu acht Atomen miteinander verknüpft, die Spins von Elektronen oder auch gerne die Polarisation von Photonen. Ihre Fernbeziehung merkt man den Teilchen aber gar nicht an – solange sie nicht in eine Kontrolle kommen.

Im Fall der Photonen ist etwa völlig unbekannt, welches in welche Richtung schwingt. Erst wenn bei einem die Schwingungsebene gemessen wird, ist damit augenblicklich auch die seines Partners festgelegt, selbst wenn sich dieser bereits einige Lichtjahre entfernt hat. In unserem makroskopischen Denken mag das keinen Sinn ergeben, doch die Gesetze der Quantenmechanik sagen genau so ein Verhalten vorher – und wie die Experimente zeigen, zu Recht.

Ionenfalle | Das Foto zeigt die Ionenfalle, in der die Ionen während des Experiments festgehalten wurden. Zu sehen sind Goldelektroden auf einem Aluminiumoxid-Wafer.
Allesamt sind die Probanden bislang enorm winzig – eben richtige Quanten. Doch wie groß darf ein Partikel eigentlich sein, damit für dieses noch die wundersamen Regeln der atomaren Kollegen gelten? "Wo die Grenze zwischen der Quanten- und der klassischen Welt liegt, weiß bislang niemand so genau", erzählt John Jost vom National Institute of Standards and Technology in Boulder. "Vielleicht können wir es aber herausfinden, indem wir einfach nachschauen, welche Dinge sich noch verschränken lassen und welche nicht."

Und so verschränkten er und sein Team etwas, das noch nie zuvor verschränkt worden war: die Schwingungen zweier voneinander entfernter mechanischer Oszillatoren – wenn diese auch noch kleiner waren als jene, die wir aus der Alltagswelt kennen. Statt Uhrpendeln, Gitarrensaiten oder Quarzkristallen bedienten sich die Wissenschaftler um Jost Pärchen von Beryllium- und Magnesiumionen, die sie in einer Ionenfalle einsperrten.

Die Wissenschaftler platzierten die vier Beryllium- und Magnesiumionen zunächst in einer bestimmten Reihenfolge hintereinander in die Falle und kühlten sie mit Hilfe von Lasern auf sehr niedrige Temperaturen – zwangen sie also stillzuhalten. Dann verschränkten sie die internen Energiezustände der beiden Berylliumionen mit Hilfe von zwei ultravioletten Lasern und teilten die vier Partikel in zwei Paare, wobei jedes eines der verschränkten Ionen enthielt. Diese Operation brachte wieder Bewegung in die Duos, so dass Jost und Co sie nochmals ein bisschen bremsen mussten.

Schließlich übertrugen die Wissenschaftler dann die Verschränkung von den Berylliumionen auf die oszillierende Bewegung der Ionenpaare, indem sie Farbe und Orientierung eines eingestrahlten Laserstrahls in einer bestimmten Weise manipulierten. Nach wenigen Millisekunden und mehr als 600 Laserpulsen waren dann beide mechanischen Oszillatoren verschränkt: Obwohl sie rund ein Viertel Millimeter voneinander getrennt sind, schwangen die Ionenpaare im Einklang.

Verschränkte Oszillationen | Zu sehen sind zwei verschränkte mechanische Oszillatoren, die jeweils aus zwei Ionen bestehen. Sie verhalten sich wie zwei durch eine Feder verbundene Kugeln. Die Pfeile kennzeichnen den internen Spin-Zustand der Berylliumionen. Der Nebel zwischen den beiden Oszillatoren soll deren Verschränkung andeuten.
Jedes Paar von Ionen verhält sich dabei wie zwei Kugeln, die durch eine wenige Mikrometer lange Feder verbunden sind und in entgegengesetzte Richtungen hin- und herschwingen – also aufeinander zu und voneinander weg, berichten die Wissenschaftler. Auch wenn einem das Bild von zwei synchronen Uhrpendeln in den Sinn kommen mag, sind deren Schwingungen doch unabhängig voneinander: Hält man eines der Pendel an, hat das keinen Einfluss auf das andere. Manipuliert man aber einen der nun verschränkten Oszillatoren, wirkt sich das sofort auf das anderen Pärchen aus – ganz so wie im Fall der Photonen.

In mindestens 57 Prozent der Fälle konnten Jost und Co den gewünschten Verschränkungszustand erreichen. Die Erfolgsquote ließe sich aber auch noch verbessern. Die von den Forschern entwickelten Experimentiertechniken könnten sich beispielsweise für die Quanteninformationsverarbeitung als nützlich erweisen. Diesen Vorteil teilt ihre Arbeit wohl mit vielen anderen Verschränkungsmethoden. Doch spielen diese meist nicht in der Grauzone zwischen klassischem und Quantenverhalten.

Die neuen Ergebnisse ebnen womöglich den Weg, um auch die Schwingungen größerer mechanischer Oszillatoren zu verschränken, hoffen Jost und seine Kollegen. Auch andere Wissenschaftler versuchen derzeit Quantenphänomene auf immer größere Distanzen und Systeme auszuweiten. Wie weit lässt sich dieses Spiel treiben? Scheitert es letztlich an technischen Problemen oder gibt es tatsächlich eine Grenze, ab der die bizarren Quantengesetze nicht mehr gelten? Fest steht bisher wohl nur, dass Letztere auch im makroskopischen Maßstab sicherlich nicht greifbarer werden.

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