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Biotechnologie: Smartphones schützen den Regenwald

Umweltschützer verwanzen bedrohte Regenwälder mit ausrangierten Smartphones, um Wilderern und illegalen Holzfällern ein Schnippchen zu schlagen.
Handy-Recycling

Wenn illegale Holzfäller im Kalaweit Supayang Nature Conservation Reserve für Gibbons im Westen der indonesischen Insel Sumatra die Säge an einem Baum ansetzen, macht das Lärm – und der Baum generiert eine Kurznachricht, um die Manager des Reservats zu alarmieren. Denn im letzten Sommer montierte ein kleines, gemeinnütziges Jungunternehmen namens Rainforest Connection eine Hand voll alter, gestifteter Smartphones im Baumkronendach. Alle waren mit einem Solarladegerät versehen und auf Audioüberwachung programmiert worden. "Die Anlage beendete die Abholzung schnell", meint Topher White, ein 31-jähriger Physiker, der das System entwarf und die Ausstattung etablierte.

Nun bereitet sich die Rainforest Connection mit Unterstützung der Zoological Society of London wie auch der deutschen Förderbank KfW darauf vor, Dutzende solcher Abhörgeräte in Äquatorialafrika einzusetzen, um bedrohte Waldelefanten und deren Lebensräume zu schützen. "Diese Technologie ermöglicht dem Wald, quasi zur Welt zu sprechen", sagt der Musiker Neil Young in einem von der Rainforest Connection produzierten Video für eine Fundraising-Kampagne, die heute auf dem Portal Kickstarter gestartet werden soll. "Der Wald kann sprechen – und wir können ihn hören. Die Ranger können die erste Säge und die Gewehrschüsse hören, wenn Menschen Tiere abschießen, obwohl sie es nicht dürfen. Die Schützer wissen, wann der Wald von Menschen angegriffen wird, die das Gesetz brechen."

Handy-Recycling | Topher White befestigt einen Kranz aus umgerüsteten Smartphones unter dem Baumkronendach.

Die Smartphones, in wasserdichte Hüllen verpackt und mit einem Bündel aus Solarzellen ausgestattet, wirken ein bisschen wie große, schwarze Blumen. White befestigt sie hoch oben unter dem Baumkronendach, wo man sie kaum sehen kann. Die Geräte nehmen in regelmäßigen Abständen Audioausschnitte auf und übermitteln diese über das billige, lokale Mobilfunknetz zu einem Zentralserver. Wenn die Töne ankommen, analysiert ein Computer ihre Kurvenverläufe. Detektiert die Software das Geräusch von Kettensägen, dann trianguliert sie den genauen Standort der Abholzung und verschickt diese Info an die Reservatsmitarbeiter.

Der Wald kommuniziert

Innerhalb von 24 Stunden nach der Aktivierung vier strategisch positionierter Abhörvorrichtungen im Kalaweit Reservat, haben die Geräte illegale Holzfäller ausfindig gemacht und somit den Behörden ausgeliefert, meint White. Nach zweiwöchigem Betrieb betrat kein Holzarbeiter mehr das 135 Hektar große Areal, das mit dem System ausgestattet worden war. Auch während des folgenden Jahres kamen sie nicht wieder, fügt er hinzu.

Das Projekt in Afrika fällt größer aus und umfasst mehr als 30 Abhöreinrichtungen in den Baumkronen eines 200 000 Hektar großen Regenwaldes in Kamerun, der einen wichtigen Lebensraum für bedrohte Elefanten, Flachlandgorillas und Schimpansen darstellt. Jedes Telefon kann den Lärm einer Säge über einen Kilometer hinweg aufnehmen, womit das Netzwerk direkt rund 10 000 Hektar abdeckt. White und die ZSL erhoffen sich nun, einen großen Teil des Urwalds zu schützen, indem sie die Abhörwanzen auch an die Randbereiche des Waldes und in die Nähe von Straßen und Trampelpfaden positionieren, die Wilderer und illegale Holzfäller häufig aufsuchen.

Reicht das Handynetz?

Das Gebiet umfasst drei vom Forest Stewardship Council beglaubigte Abholzungslizenzen, wo Bauholz legal und nach bestimmten, bestanderhaltenden Zeitplänen geerntet wird. "Zusätzlich zu den Kettensägen werden wir auch die Fortbewegung von Fahrzeugen entlang der Straßen ermitteln. Dies ermöglicht den Behörden festzustellen, wann die Lastwagen Baumstämme auf den Straßen transportieren, für die ein solches Vorhaben geplant oder bewilligt wurde", so White "offen gesagt ist die Erfassung von Korruption innerhalb der Lizenz – einschließlich illegaler Abholzung durch diejenigen, die dort arbeiten – eines der obersten Ziele dieses Pilotprojekts". "Wenn das so gut klappt, wie wir hoffen", meint Lauren Redmore vom ZSL, "weiten wir sicherlich den Einsatz aus – obwohl das Handy-Datennetz in abgelegenen Regionen ein limitierender Faktor sein könnte."

Hightech-Überwachung ist zweifelsohne kein Wundermittel gegen die Waldzerstörung, die weltweit mit alarmierender Geschwindigkeit weiter fortschreitet. Zur Bekämpfung des Problems "haben wir Protestwellen, Regierungsbestimmungen, Verbraucherboykotte und Marktdruck-Kampagnen eingesetzt – und wir müssen all diese Aktionen weiter in Anspruch nehmen," meint Randy Hayes, Gründer des Rainforest Action Networks. "Aber offen gestanden brauchen wir mehr Hilfsmittel. Und das hier ist das spannendste und wichtigste neue Hilfsmittel, das ich je gesehen habe und das uns meiner Meinung nach helfen wird, die Arbeit zu erledigen."

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