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Akustik: Sphärische Klänge für Profis

Australien - das sind Bumerangs, Kängurus und Didgeridoos. Um den scheinbar primitiven ausgehöhlten Ästen ihren typischen Endlosklang zu entlocken, bedarf es einer ausgeklügelten Atemtechnik, die wissenschaftlich noch längst nicht voll verstanden ist. Denn auch der Resonanzraum des Spielers ist von Bedeutung.
Didgeridoo-Spieler
Genau genommen ist es ein Spiel mit Essensresten. Beim originalen australischen Didgeridoo handelt es sich nämlich um einen armdicken Ast, den Termiten eifrig ausgehöhlt haben. Mit seiner entsprechend unregelmäßigen Form voller innerer Biegungen und fransiger Wände erzeugt das Instrument in den Händen eines geübten Spielers jenen unheimlichen Singsang, der klingt, als wäre er aus einer anderen Welt. Kein Orchesterinstrument kann es mit dieser Variabilität aufnehmen. Und kaum eines ist wissenschaftlich so schwer in den Griff zu kriegen.

Auch der Spieler hat es nicht leicht mit dem Didgeridoo. Für kleine Tests zu Hause reicht eine lange Pappröhre, beispielsweise von einer Rolle Geschenkpapier. An das eine Ende wird der Mund gesetzt und dann die Luft mit Druck, aber nicht zu schnell, ausgeblasen, sodass die Lippen durch den Strom vibrieren. Es entsteht ein Klang aus einem Grundton und verschiedenen Obertönen. Durch Veränderung des Luftdrucks, der Lippenspannung und der Form der Mundhöhle lässt sich der Klang variieren. Wenn man es nun noch schafft, gleichzeitig durch die Nase einzuatmen und durch den Mund weiter Luft auszupressen, ist die größte Hürde geschafft, und es geht an die vielen weiteren Tricks, mit denen erfahrene Spieler mystische Effekte produzieren. Wie genau sie diese übernatürlich wirkenden Klänge produzieren, können sie jedoch in aller Regel selbst nicht erklären – Didgeridoospiel ist weit gehend ein Ergebnis unbewusster Vorgänge im Inneren des Körpers.

Mit dieser Aussage wollten sich australische Physiker um Alex Tarnopolsky von der Universität von New South Wales allerdings nicht zufrieden geben. Sie baten kurzerhand einige gute Spieler, an ein paar Experimenten teilzunehmen. So vermaßen sie den Druck im Mundbereich, indem sie den Musikern ein dünnes Stück Schlauch mit einem Mikrofon zwischen die Lippen steckten. Kein leichtes Unterfangen, denn in der Mundhöhle erreicht der Schalldruck durchaus Werte, die sonst eher für das Geräusch von Presslufthämmern normal sind.

Die Auswertung der Daten zeigte, dass Didgeridoo-Spielen erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Singen und Sprechen von Vokalen hat. In beiden Fällen kontrolliert der Musiker die Stellung der Stimmlippen und bestimmt so den Resonanzraum für den Schall. Sind die Stimmlippen zu locker – wie beim normalen Atmen –, absorbieren die Lungen einen großen Teil der Energie. Für ausgeprägte Obertöne muss der Atemtrakt aber teilweise verschlossen sein, sodass die Schallwellen besser reflektiert werden. Auch Spieler von Blechblasinstrumenten modulieren ihre Klänge über diesen Mechanismus.

Dem Anfänger am Didgeridoo wird diese Erkenntnis nicht viel helfen. Er bleibt besser bei der altbewährten Methode, einen Effekt nach Gehör aufzuspüren und es dabei "irgendwie" richtig zu machen. Doch neugierige Theoretiker können sich nun ein wenig beruhigter in die Mystik der Sphärenklänge entführen lassen. Letztlich ist eben doch alles nur Physik – wenn auch von der ziemlich komplizierten Variante.

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