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Arachnologie: Spinnen sind sensibler als gedacht

Prinzipiell wollen Spinnen nichts von uns - im Gegenteil. Und deshalb ist es wohl nur gut für sie, dass sie über eine sensible Geräuschwahrnehmung über Meter hinweg verfügen.
Springspinnen haben gute Augen und sensible Tasthaare

Spinnen besitzen keine Ohren – und dennoch bekommen sie es mit, wenn sich Menschen in einigen Metern Entfernung zum Beispiel über sie unterhalten. "Wir waren überrascht, wie gut die Achtbeiner hören können", so Paul Shamble von der Cornell University, der mit seinem Team die Sinneswahrnehmung der Tiere untersucht hat. "Obwohl sie nicht über Ohren mit Ohrmuscheln verfügen, wie es bei Tieren mit gutem Gehör über größere Distanzen üblich ist, nehmen die Spinnen Geräusche über weitere Strecken hinweg wahr." Sie setzen dazu auf sensible Härchen an ihren Beinen, die schon bekannt dafür waren, dass sie Schwingungen wie Schallwellen in der Luft erfassen können. Doch bislang waren Biologen davon ausgegangen, dass dies den Spinnen lediglich gelingt, wenn die Geräuschquelle nur wenige Zentimeter Abstand hat. Zudem hatten die Forscher noch nicht nachgewiesen, dass diese taktile Empfindung auch in neuronale Aktivität umgesetzt wird – dass also das Gehirn darauf reagiert.

Shamble und Co haben in Experimenten allerdings – zufällig – herausgefunden, dass nordamerikanische Springspinnen der Art Phidippus audax tatsächlich aktiv hören, selbst wenn jemand noch in fünf Meter Entfernung spricht oder in die Hände klatscht. Die Wissenschaftler wollten eigentlich untersuchen, wie das Spinnenhirn auf visuelle Reize reagiert. Doch dann zeigte sich plötzlich in einem anderen Areal des zentralen Spinnennervensystems Aktivität, als einer der Mitarbeiter seinen Stuhl verrutschte und dieser über den Boden quietschte. Er wiederholte diesen unvorhergesehenen Test, und wieder feuerten die Neurone. Daraufhin machten Shamble und Co einen echten Test: Sie klatschten mit zunehmender Distanz zu ihren Versuchsspinnen in die Hände – und lösten jedes Mal bis in fünf Meter Entfernung zur Spinne eine Reaktion aus.

In einem Gegenversuch befeuchteten sie die Härchen an den Beinen mit Wassertropfen, so dass sie durch Schallwellen nicht mehr vibrieren konnten: Die Neurone blieben nun stumm. Am sensibelsten zeigten sich die Spinnen in Frequenzbereichen zwischen 80 und 130 Hertz, was ungefähr den ausgelösten Frequenzen fliegender Schlupfwespen entspricht – natürlicher Feinde, die ihre Eier im Spinnenkörper ablegen. Das "Hören" erfüllt also einen wichtigen evolutionären Zweck, denn es macht auf nahende Räuber aufmerksam. Arachnophobiker können aber beruhigt sein: Natürlich verstehen die Spinnen nichts von dem, was wir sagen. "Sie bemerken zwar, dass jemand spricht. Aber für die Tiere hört es sich eher wie eine ganz schlechte, rauschende Telefonverbindung an", so Shamble. Im Gegenteil ist diese Wahrnehmung für Menschen mit Spinnenangst vielleicht sogar gut, denn gerade bei den für die Achtbeiner heiklen Frequenzen – die einer sehr tiefen Männerstimme entsprechen – ergreifen sie wohl lieber die Flucht.

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