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Robotik: Spürhunde aus Draht und Stahl

Beim RoboCup geht es nicht nur um den Spaß beim Fußball. In der Rescue League zeigen Roboter auch, wie sie bald menschliche Rettungskräfte bei Katastrophen und Unfällen unterstützen könnten.
Rescue-Roboter der IUB
Noch kann ein Rescue-Roboter alleine zwar keinem Menschen das Leben retten, dennoch wird er einmal ein wichtiger Bestandteil von Rettungseinsätzen sein. Zukünftig sollen Roboter dort arbeiten, wo der Zugang für Menschen wegen Hitze, Staub, Giftstoffen oder versperrter Wege unmöglich ist. Die halb autonomen Maschinen sollen teilweise auf eigene Faust den Menschen unterstützen, indem sie Unglücksstellen erkunden, Informationen digital übersenden und ihm dabei helfen, die Rettung von Verunglückten besser planen zu können.

Andreas Birk | Andreas Birk arbeitet seit Herbst 2001 an der International University Bremen (IUB), wo er sich mit autonomen intelligenten Systemen wie Rettungsrobotern beschäftigt und den Bereich „Rescue Robotics“ leitet. Zuvor forschte der 36-Jährige im Auftrag der Flemish Society for Applied Research und lehrte ab Herbst 1997 als Gast-Professor an der Freien Universität in Brüssel. Beim RoboCup in Osaka ist der gebürtige Saarländer hinter Adam Jacoff für die Organisation der Rescue Robot League zuständig.
Die Bedeutung der Rettungsrobotik liegt auf der Hand. Allein für den Straßenverkehr: In Deutschland rollen täglich Tausende Lastwagen mit gefährlichen chemischen Stoffen über die Autobahnen – ein großes Gefahrenpotenzial. Deswegen konzentriert sich die Forschung der International University of Bremen (IUB), an der eine der ersten Gruppen Rettungsroboter entwickelte, auf Unfälle im Straßenverkehr. Ein Ziel ist es, kostengünstige Roboter zu entwickeln. Das hat einen einfachen Grund. "Bei vielen Einsätzen werden einige der Systeme nach einer Weile versagen, weil sie zum Beispiel in einem Trümmerhaufen feststecken. Oder die Roboter werden bei einem Chemieunfall kontaminiert", erklärt Andreas Birk, Leiter der Bremer Rettungsforschung und Mitorganisator der Rescue Robot League beim RoboCup 2005.

Vorreiter Japan und USA

Japan und die USA gelten in der Rettungsrobotik als Vorreiter, da dort bereits Mitte der neunziger Jahre mit großem finanziellen Aufwand geforscht wurde. Beide Länder haben sich bei der Entwicklung von Rettungsrobotern auf den Katastropheneinsatz spezialisiert. "Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben in den Vereinigten Staaten einen weiteren Schub in Richtung Rettungs-Robotik bewirkt", erklärt Birk. Japan dagegen konzentriert sich auf Erdbebenszenarien. Besonders nach dem Hanshi-Awaji-Erdbeben im Januar 1995, bei dem die Stadt Kobe schwer getroffen wurde. Mehr als 5000 Menschen starben und weit über 400 000 wurden in ihren eingestürzten Häusern verletzt.
Rescue-Roboter „Papa Gans" | „Papa Gans", der Sechs-Rad-Roboter der International University Bremen, beim RoboCup 2003 in Padua. Zu ihm gehört noch „Mama Gans", die sich nicht mit Rädern, sondern durch ein Raupenfahrwerk fortbewegt. Die Namen wurden gewählt, weil diese Maschinen mit den kleinen Robotern kooperieren sollen, die ihnen im Team folgen.
"Das kann ein Suchhund so nicht"

Die Bremer Rettungsroboter können Opfer über ihre Video- und Wärmebildkameras identifizieren. Aus diesen Informationen erstellt die Maschine selbstständig Karten, die sich die Forscher nach der Rückkehr oder der Übertragung auf den Computer anschauen und ausdrucken können. "Das beispielsweise kann ein Suchhund in dieser Form nicht", sagt der Bremer Forscher. Ein ausgebildetes Tier kann die Opfer zwar auch lokalisieren und die Helfer zur Fundstelle führen. Doch mit den Karten der Rescue-Roboter können Helfer den Unglücksort vorher durch die Zeichnungen auf alle Gefahren untersuchen. So haben sie viel mehr Informationen an der Hand, um beispielsweise das richtige Werkzeug mitzunehmen.

Einsatz im simulierten Katastrophengebiet

In Osaka werden die Teilnehmer in zwei verschiedenen Ligen antreten. Für die Simulationsliga werden am Computerbildschirm typische Katastrophenszenarien in Städten konstruiert. Die virtuellen Roboter führen im Unglücksgebiet, das in drei Regionen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad eingeteilt ist, Such- und Rettungsaktivitäten durch. Auf dem Bildschirm sehen die Forscher ein dreidimensionales Szenario mit den Augen ihres Roboters. Ziel der Simulation ist es, möglichst viele Informationen über solche Katastrophenszenarien für den Ernstfall zu sammeln. In nachgebauten Trümmerlandschaften aus richtigen Steinen, Holzpaletten und Drähten müssen sich dagegen die Roboter der Rescue Robot League bei der Suche nach menschenähnlichen Puppen beweisen. Diese Liga wird 2005 einen neuen Teilnehmerrekord aufstellen, denn "es haben sich 26 Teams qualifiziert", berichtet Mitorganisator Birk nach den Qualifikationsturnieren. Damit hat sich rund die Hälfte aller Gruppen, die sich weltweit mit realen Rettungsrobotern beschäftigen, für das Turnier qualifiziert. In der Simulationsliga nehmen 21 Mannschaften teil.

Kombination aus Theorie und Praxis
Wärmebild-Kamera | Mit der Wärmebild-Kamera können die Rescue-Roboter der IUB zum Beispiel in einem eingestürzten Haus leicht Menschen an ihrer Körperwärme identifizieren.
Andreas Birk freut sich, dass die Rescue-Forschung ihre Erfolge beim RoboCup-Wettbewerb präsentieren und testen kann: "Es ist schön, die Resultate nicht nur auf dem Papier zu sehen. Aus Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen kann vieles nur bedingt umgesetzt werden." Die wissenschaftliche Theorie wird nach dem Turnier während eines zweitägigen Symposiums vorgestellt und diskutiert. Doch durch die realitätsnahen Aufgaben erhält der RoboCup eine besondere Qualität, "ein spielerisches Element", wie es der Verantwortliche des diesjährigen Organisationskomitees für die Rescue Robot League ausdrückt – obwohl es eigentlich um eine ernste Sache geht. "Und das macht ungeheuren Spaß." Diese Kombination aus Theorie und Praxis führt dazu, dass die Entwicklung der Rettungsroboter sehr schnell voranschreitet. "Es gibt Systeme, die in absehbarer Zeit im Einsatz sein werden", berichtet Birk. Während des RoboCups 2006 in Bremen soll es eine Großübung mit dem Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr geben, bei dem das Verhalten von Robotern in echten Unglückssituationen demonstriert werden soll. Das IUB-Team wird laut Birk dann auf jeden Fall am Start sein.

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