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Keltisches Krim-Kongo-Fieber: Starb ein Heuneburg-Fürst an hämorrhagischem Fieber?

Hightechanalysen zeigen, was die alten Kelten ihren toten Eliten alles im Grabgefäß ins Jenseits mitgaben. Nach Jahrtausenden entlarven sie auch blutige Überraschungen.
Gefäße aus Keltengrab

Den sicherlich spektakulären Todesfall einer hochgestellten Keltenpersönlichkeit könnten Forscher jetzt mit der Hilfe von Hightech-Proteinanalysen rekonstruiert haben: Sie identifizierten an Grabgefäßen der Eisenzeit-Keltenkapitale Heuneburg in Baden-Württemberg uralte Blut- und Organreste sowie Spuren des Krim-Kongo-Fieber-Virus. Dieser Verwandte des Ebolaerregers löst das tödliche hämorrhagische Krim-Kongofieber aus – wie das Virus in der Eisenzeit nach Mitteleuropa gelangt war, ist dabei noch rätselhaft.

Die Wissenschaftler hatten Scherben von zerbrochenen Kegelhalsgefäßen des Alb-Hegau-Keramikstils analysiert, die schon 1999 und 2000 aus Grabhügel 17 und 18 der Speckhau-Hohmichele-Gruppe in der Heuneburg-Fundstätte geborgen worden waren. Aus den Keramikscherben konnten sie nun mit neuen hochsensitiven Methoden verschiedene Peptide und größere Proteinbruchstücke isolieren, analysieren und zuordnen – und somit Rückschlüsse auf den einstigen Inhalt der Keramikgefäße ziehen. Demnach hatten die Gefäße offenbar neben Wein, Met und Milch – als Wegzehrung für das Jenseits – auch Organe und Blut eines Menschen, wahrscheinlich die des Bestatteten enthalten. Daneben fanden sich in fünf von sechs Gefäßen aber auch Spuren von CCHFV-Hüllproteinen des hochansteckenden Krim-Kongo-Fieber-Virus (CCHFV). Der zwischen 650 und 400 v. Chr. im Hügel 17 bestattete Heuneburg-Bewohner muss offensichtlich infiziert gewesen sein – und starb dann sicherlich auch am akuten Fieber, gegen das es selbst heute kaum ein wirksames Medikament gibt.

Das Krim-Kongo-Fieber wird von Zecken der Gattung Hyalomma übertragen und kommt heute vor allem in wärmeren Regionen Südosteuropas und Asiens sowie im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika vor; es dringt aber allmählich auch nach Spanien vor. Und schon in der Eisenzeit könnte es auf der iberischen Halbinsel in Wildtieren zirkuliert sein – einer Region mit Handelskontakten bis nach Mitteleuropa während der Zeit der Kelten. Womöglich hat sich ein reisender Keltenfürst in Iberien infiziert und verstarb, woraufhin sein Körper rituell zerlegt und seine Organe in die Heimat überführt wurden. Vielleicht kam das Krim-Kongo-Virus und sein Zeckenüberträger in der Eisenzeit zumindest in heißen Sommern selbst bis nach Mitteleuropa voran.

Das Virus ist hochansteckend und dürfte alle Personen infiziert haben, die den Leichnam des Verstorbenen für die Bestattung präpariert haben, spekulieren die Forscher. Für die Zeitgenossen dürfte der Tod am hämorrhagischen Fieber dramatisch gewirkt haben: In der akuten Phase treten nach wenigen Tagen Darmblutungen, Bluterbrechen und Hautblutungen vor dem Tod auf. Womöglich erklärt dies dann auch zwei weitere Eigentümlichkeiten des Grabhügels 17 von Speckhau: Zum einen fand sich in einer Ecke des Grabs eine eher unzermoniell, offensichtlich fahrig bestattete Frauenleiche. Zum anderen wurde der Grabhügel – anders als der benachbarte Hügel 18 – wohl über 150 Jahre unberührt gelassen. Vielleicht haben die Heuneburg-Bewohner Hügel 17 aus Angst vor einer Ansteckung mit dem spektakulären hämorrhagischen Fieber Hügel 17 gemieden, bis die Erinnerung an die letzte Bestattung verblasst war.

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