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News: Steine rücken

Eine mystische Aura umgibt den 4000 Jahre alten Ort, mitten auf einem Feld in Südengland - Stonehenge. Wer errichtete die Stätte? Und wozu diente sie? Das sind Fragen, die auch heute nicht restlos geklärt sind. In den letzten Tagen kam auch eine andere Frage auf: Was ist in Stonehenge noch ursprünglich? Das bekannte Denkmal aus prähistorischer Zeit musste nämlich im vergangenen Jahrhundert einige Renovierungen über sich ergehen lassen, und manche waren vielleicht nicht so sorgfältig, wie sie hätten sein sollen. Ein Brite hat sich in seiner Studie mit den vergessenen Veränderungen beschäftigt.
Stonehenge hat den Hauch des Mystischen längst verloren: Um den viel fotografierten Steinkreis inmitten der Salisbury Plain in Südengland schieben sich sommertags Walkman-bewaffnete Menschenschlangen. Das ganze Gelände ist umzäunt und Wege geben vor, wo man hinzutreten hat. Aus dem Kopfhörer ertönt eine Stimme, die allerlei Hintergründe und Spekulatives zu berichten weiß. Immerhin handelt es sich um eines der bekanntesten Zeugnisse früher Kulturgeschichte. Wer genau hinsieht, der erspäht hie und da aber auch Beispiele jüngerer Zeit: Da wo der Zahn der Zeit tiefe Furchen in das graue Gestein gefressen hat, bessern Pfropfen aus Beton die Megalithen aus.

Was sich uns heute in Südengland präsentiert, hat vielleicht nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Stonehenge gemein. Zwischen 1901 und 1964 hat man im großen Stil die Steine verschoben, renoviert und gerade gerückt. Allerdings war bislang wenig über die Restaurationen bekannt. Auch der English Heritage, eine Organisation zum Schutz von Denkmälern in Großbritannien, verschweigt die Arbeiten in seinem offiziellen Heft weitgehend. Erst Brian Edwards von der University of Bristol informierte jüngst in seiner Arbeit über die umfangreichen Maßnahmen.

Das erste bekannte Projekt zur Restauration fand bereits 1901 statt. Ein Stein drohte umzufallen, sodass ihn Restaurateure kurzerhand aufrichteten und ihm ein Betonfundament spendierten. William Hawley, ein Mitglied der Stonehenge Society, und seine Helfer haben 1920 gleich sechs Blöcke bewegt und wieder aufgestellt. Im Jahr 1958 rückte man dann den Quadern mit schwerem Gerät zu Leibe. Ein Kran war behilflich, drei Kolosse an einen neuen Platz zu hieven, sowie einen heruntergefallenen Deckstein auszuwechseln. 1964 erhielten schließlich vier Megalithen einen neuen Standplatz, sodass sie nicht mehr umstürzen konnten. Viele der heute kerzengerade stehenden Blöcke, sind also wenigstens einmal bewegt worden und laut Edwards ist Stonehenge nicht einmal das einzige Beispiel. Auch in Avebury liegen heute nur noch wenige Steine an ihrem ursprünglichen Platz.

Der Archäologe Dave Batchelor bestätigt die Ergebnisse von Edwards: "Wenn es die Arbeiten nicht gegeben hätte, dann sähe Stonehenge sicherlich ganz anders aus." Edwards fasst zusammen: "Praktisch niemand hatte eine Ahnung vom Wiederaufbau von Stonehenge während der vergangenen hundert Jahre. Dieses Monument ist nicht mehr Schöpfung prähistorischer Menschen."

Der English Heritage äußert sich nun verwundert zu der Studie. Die Restaurationsarbeiten wären vollständig dokumentiert und in mehreren Büchern veröffentlicht. Dass in dem 36 Seiten starken Führer nichts stehen würde, liege am Platzmangel und eine neue Ausgabe enthielte auch Informationen zur Restauration. Außerdem wären alle Arbeiten aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen, da viele Steine unsicher standen.

Tatsächlich, der Landschaftsmaler John Constable zeigt uns in einem Bild, wie die Stätte noch zu seiner Zeit (1835) ausgesehen haben mag: Nur wenige der 120 Steinblöcke stehen aufrecht, die meisten sind umgefallen oder zumindest gefährlich geneigt, dafür fehlen auch die Menschenmassen und kein Zaun stört den Blick...

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