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Materialwissenschaft: Stereochemie auf Nanomaterialien angewandt

Physiker um Harald Giessen von der Universität Stuttgart haben Ideen aus der Stereochemie aufgegriffen und auf das Gebiet der Photonik übertragen. Rechts- und linksdrehende Milchsäuren sind ein Beispiel für diesen Forschungszweig der Chemie, der untersucht, welchen Einfluss die räumliche Struktur der Bestandteile eines Moleküls auf die elektronischen und optischen Eigenschaften der Moleküle hat.

Die Wissenschaftler stellten nun winzige Metallstrukturen her, die nur etwa 100 Nanometer groß sind. Sie bedienten sich dabei eines Verfahrens, wie es auch in der Halbleiterchip-Industrie verwendet wird: Lage für Lage werden Metallnanostrukturen mit dielektrischen isolierenden Abstandsschichten dazwischen übereinander gestapelt. Dieses Material ordneten sie dann auf verschiedene Weisen an, und zwar so, dass sich die einzelnen Anordnungen nicht durch Drehungen oder Spiegelungen ineinander überführen ließen. Als Bausteine dienten dabei U-förmige so genannte Split-Ring-Resonatoren aus Gold, die auch ein Bestandteil von Metamaterialien sind.

Es stellte sich heraus, dass bei der Verdrehung der einzelnen Elemente gegeneinander die elektronischen und optischen Eigenschaften stark variierten. Das grundlegend neue Element bei diesen "Stereometamaterialien" ist eine zusätzliche magnetische Kopplung der einzelnen Bausteine untereinander, die gewöhnlich in Molekülen nicht auftritt. Dort dominieren üblicherweise die elektrischen Eigenschaften. In metallischen Metamaterialien hingegen können die magnetischen Effekte um ein Vielfaches größer sein als in Molekülen.

Durch Variation des Verdrillwinkels lassen sich die Verhältnisse von elektrischer und magnetischer Kopplung sehr genau einstellen. Bei einer Verdrillung von ungefähr 60 Grad kompensieren sich die elektrischen und magnetischen Effekte ziemlich genau. Dann treten die höheren Ordnungen der Wechselwirkung, nämlich Quadrupol- und Oktupoleffekte zutage, die in Molekülen nur schwer zu finden sind.

Die Forscher versprechen sich von ihrer Arbeit die Erschließung eines ganz neuen Feldes in der Nanophotonik, bei dem sowohl die räumliche Anordnung als auch die elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Nanostrukturen in zukünftige Strukturen mit integriert werden. Anwendungen ähnlich der Flüssigkristalle zur chiralen – das heißt rechts- und linkshändischen – Beeinflussung der Polarisation oder bei der Effizienzsteigerung von Solarzellen mit Hilfe der Elektronenschwingungen in den Metallnanostrukturen könnten die Folge sein.

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  • Quellen
Liu, N. et al.: Stereometamaterials. In: Nature Photonics 10.1038/nphoton.2009.4, 2009.

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