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Sternentstehung: Sternenbillard im Tarantelnebel

Rasender Stern im Tarantelnebel
Der Tarantelnebel ist eine Sternengeburtsstätte in der Großen Magellanschen Wolke, rund 170 000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Im Inneren des Nebels, in einem Sternhaufen namens R 136, sind schon mehrere extrem massereiche Sterne aufgespürt worden – einige weisen mehr als 100 Sonnenmassen auf.

Rasender Stern im Tarantelnebel | Der Stern 30 Dor #016 entfernt sich mit einer Geschwindigkeit von 400 000 Kilometern in der Stunde von der Stelle seiner Geburt im massereichen Sternhaufen R 136 im Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke. Er weist eine Masse von rund 90 Sonnenmassen auf und hat sich seit seiner Entstehung schon 375 Lichtjahre von R 136 entfernt.
Nun häufen sich die Hinweise, dass einer dieser Sterne vor wenigen Tausend Jahren aus seiner Geburtsstätte hinauskatapultiert wurde, und sich seitdem mehr als 375 Lichtjahre von ihr entfernt hat. Das kann auf verschiedene Arten geschehen sein: Beispielsweise durch eine Begegnung mit noch massereicheren Sternen, die ihm ihren Impuls in einer Art "Sternenbillard" mitgegeben haben, oder durch eine Supernova-Explosion eines massereicheren Sterns in unmittelbarer Nähe – etwa wenn es sich um ein Doppelsternsystem handelte. In besagtem Fall muss es sich um die erstere Möglichkeit handeln, denn der Sternhaufen R 136 ist so jung, dass auch die massereichsten Sterne dort noch nicht als Supernovae explodieren konnten.

Zwar wurden schon mehrere solche stellaren Ausreißer beobachtet, doch dieser ist der bei weitem massereichste unter ihnen. Forscher erhoffen sich neue Erkenntnisse darüber, was in jungen massereichen Sternhaufen passiert.

Astronomen sind dem rasenden Stern schon seit 2006 auf der Spur. Zum ersten Mal beobachtete ihn Ian Howarth vom University College London mit Hilfe des Anglo-Australian Telescope. Dabei stellte sich heraus, dass der Ausreißer ungewöhnlich heiß und von blau-weißer Farbe ist, und dass er sich weit weg von jeglichen Sternhaufen befindet.

Rasender Stern im Tarantelnebel | Rund 375 Lichtjahre hat sich von der Stelle seiner Geburt im massereichen Sternhaufen R136 (schwarzer Kreis) im Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke der Stern 30 Dor #016 (im weißen Quadrat) entfernt. Der Pfeil im Inset gibt die Bewegungsrichtung des "Ausreißers" an.
Als im Juli 2009 der neue "Cosmic Origins Spectrograph" (COS) des Hubble-Teleskops kalibriert wurde, fanden Forscher unerwartet einen weiteres Indiz: Die spektroskopischen Messungen im Ultraviolett-Bereich zeigten, dass der heimatlose Stern einen extrem starken Strom geladener Teilchen von sich gibt. Das bedeutet, dass er sehr massereich sein muss – rund 90 Sonnenmassen. Er kann auch nur ein bis zwei Millionen Jahre jung sein, denn derart massereiche Sterne überdauern nur wenige Millionen Jahre.

Danach durchsuchten Astronomen Aufnahmen des Hubble-Teleskops. Ein Bild aus dem Jahr 1995, das damals im sichtbaren Licht aufgenommen wurde, lieferte einen weiteren Hinweis: Der Stern befindet sich am Ende eines eiförmigen Hohlraums. Dessen leuchtender Rand erstreckt sich in die Richtung, aus welcher der Stern kommt, und zeigt direkt auf den Sternhaufen R 136. Das bedeutet, dass dies seine Geburtsstätte sein muss, von der er sich nun schon weit entfernt hat.

Eine weitere spektroskopische Messung vom Very Large Telescope (VLT) in Chile verriet schließlich, dass sich der Stern mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, also nicht Teil eines Doppelsternsystems sein kann.

Der abtrünnige Stern ist wohl nicht der Einzige in der Region; zwei weitere sehr heiße, massereiche Sterne wurden bereits außerhalb des Tarantelnebels entdeckt. Astronomen vermuten, dass sie ebenfalls aus ihrer Geburtsstätte hinauskatapultiert wurden. Es ist geplant, die Region genauer zu untersuchen, um herauszufinden, warum der Tarantelnebel seine Umgebung mit massereichen Sternen bombardiert.

Manuela Kuhar

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