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News: Stille Marker

Genomische Prägung macht Stammzellforschern das Leben schwer. Denn die universellen Alleskönner haben ihre mütterlichen und väterlichen Markierungen verloren, die sie jedoch für eine weitere Entwicklung brauchen. Der Verlust scheint allerdings nicht vollständig zu sein.
Bei Gregor Mendel war alles noch ganz einfach: Sobald sich Samenzelle und Eizelle miteinander arrangiert haben, um gemeinsam neues Leben zu kreieren, vermischen sich mütterliche und väterliche Erbanlagen zufällig miteinander. Dabei setzen sich in dem neuen Organismus dominante Gene über die rezessiven durch, egal ob sie vom Vater oder von der Mutter stammen.

Die Wirklichkeit ist jedoch, wie so oft, komplizierter. Denn die Herkunft ist bei manchen Genen durchaus nicht gleichgültig. So werden bei einigen Genen regelmäßig die väterlichen Anlagen stillgelegt, bei anderen sind wiederum die mütterlichen zum Schweigen verurteilt. Diese genomische Prägung kann daher auch rezessiven Genen zu ihrem Recht verhelfen.

Dabei schaltet die Zelle die Gene ab, indem sie sie markiert – zum Beispiel durch eine wohl platzierte Methylgruppe. Bei der Keimzellbildung, bei der sich mütterliche und väterliche Erbanlagen erneut vermischen, muss diese Markierung jedoch wieder aufgehoben werden. Erst nachdem sich Eizelle und Spermium bei der Befruchtung gefunden haben, erfolgt eine neue Prägung.

Und hier fangen die Probleme an: Denn das bedeutet, dass embyronale Stammzellen, die beispielsweise im Körper eines Patienten zerstörtes Gewebe ersetzen sollen, ungeprägt sind und damit das Zusammenspiel der Gene erheblich stören könnten. Daher stellt sich die Frage, ob diese von der Medizin angepriesenen Alleskönner vielleicht mehr schaden als nutzen.

Deswegen haben sich Patrick Onyango und seine Kollegen von der Johns Hopkins University die genomische Prägung bei Stammzellen näher angeschaut. Die Forscher verwendeten hierfür primordiale Keimzellen, also die Zellen des frühen Embryos, aus denen später die Geschlechtszellen entstehen. Diese Stammzellen sind noch pluripotent, sie können sich also zu jedem beliebigen Gewebetyp, nicht jedoch zu einem vollständigen Organismus weiter entwickeln. Die Wissenschaftler entnahmen die Keimzellen aus acht Tage alten Mäuseembryonen, die aus Kreuzungen verschiedener Mäusestämme hervorgegangen waren. Dadurch konnten die Forscher leicht verfolgen, ob sich väterliche oder mütterliche Anlagen durchsetzten.

Es zeigte sich, dass die genomische Prägung der Keimzellen doch nicht vollständig auf Null gesetzt war. Denn als sich die Zellen weiter differenzierten, schalteten sie die entsprechenden Gene wieder ab. Offensichtlich, so nehmen die Forscher an, tragen die Gene eine stille Markierung, die bei Bedarf wieder aktiviert wird. "Wir glauben, dass die elterlichen Markierungen nicht vollständig verschwunden sind, selbst wenn die Prägung verloren gegangen zu sein scheint", erläutert Laborleiter Andrew Feinberg das Ergebnis. "Die Markierungen sind einfach nur inaktiv oder werden von der Zelle nicht erkannt. Stammzellen müssen diese Inaktivierung wieder aufheben können, denn sonst könnten die spezialisierten Zellen keine geprägten Gene haben." Und das lässt vermuten, dass auch menschliche Stammzellen normal arbeiten könnten, wenn sie ihre stummen Schalter wieder reaktivieren.

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