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News: Stillgelegt

Ein feines Zusammenspiel aktiver und stiller Gene ist für eine normale Embryonalentwicklung unverzichtbar. Die bislang hauptsächlich als Aufroller des langen DNA-Fadens bekannten Histonproteine erweisen sich nun als mögliche Kandidaten für Weichensteller.
Wären die Zellen nicht auf die grandiose Idee dieser Verpackung gekommen, sie hätten ein Problem. Denn eigentlich ist der DNA-Faden viel zu lang, um ihn in die winzige Zelle zu stopfen. Um trotzdem alles unterzubringen, rollt sie den Faden mithilfe von Histonproteine sorgfältig zusammen, bis der Durchmesser von anfangs nur zwei auf 1400 Nanometer angewachsen ist und ein gut sichtbares Chromosom deutlich wird.

In den meisten eukaryotischen Zellen – also solchen mit Zellkern – beteiligen sich fünf unterschiedliche Histonproteine am Aufrollen: H2A, H2B, H3 und H4 bilden in je zweifacher Ausführung einen Oktamer, um den der Faden gewickelt wird, und der fünfte Histontyp H1 sitzt dem Ganzen von außen auf. Um stabil an die negativ geladene DNA binden zu können, sind die Histonproteine mit überdurchschnittlich viel positiv geladenen Aminosäuren – etwa Lysin und Arginin – ausgestattet. Diese Bindung stabilisiert das DNA-Gebilde.

Zumindest eine der positiv geladenen Aminosäuren bietet aber noch ganz andere Möglichkeiten, wie Yi Zhang und seine Mitarbeiter von der University of North Carolina at Chapel Hill herausfanden. Einem speziellen Lysinrest des Histonproteins H3 auf Position 27 kann eine Methylgruppe (CH3) angehängt werden – ein als Methylierung im Genom weit verbreiteter Prozess, der wie ein Schalter wirkt, indem er die Genaktivität an- oder ausschaltet.

Und dieses beliebige Aktivieren und Stilllegen von Genen ist gerade während der Embryonalentwicklung Grundvoraussetzung für einen normalen Ablauf. Eine wesentliche Rolle hierbei spielt eine als HOX-Gene bekannte Gengruppe. Während sie im frühen Stadium der embryonalen Entwicklung aktiv sind, haben sie bald ausgespielt und sind dann permanent inaktiviert. Aber wer oder was schaltet seinerseits die HOX-Gene an und aus?

Eine Antwort auf diese Frage scheinen nun Zhang und sein Team gefunden zu haben: ein Proteinkomplex aus den so genannten Polycomb-Proteinen. "Wir wissen, dass die Embryonalentwicklung nicht normal verläuft, wenn etwas mit der Polycomb-Gruppe nicht in Ordnung ist, etwa wenn ihre Gene mutiert sind und sie so die HOX-Gene nicht stilllegen können", beschreibt Zhang nach intensiven Studien der Polycomb-Gruppe deren Einfluss auf diese Gene.

Und hier kommen die Histonproteine und ihre spezielle Methylierung am Lysinrest auf Position 27 ins Spiel. Die Gene aus der Polycomb-Gruppe beteiligen sich auf unbekannte Art und Weise an der Anheftung der Methylgruppe ans Histon H3. Das methylierte Histon seinerseits blockiert die nachgeschalteten HOX-Gene und führt die Embryonalentwicklung auf den rechten Pfad. Ist der Methylierungsprozess nämlich unterbunden, findet das Stilllegen der Gene ebenfalls nicht statt.

Diese Ergebnisse liefern auch eine sehr plausible Erklärung für die dauerhafte Inaktivierung der HOX-Gene. "Die Histonmethylierung kann nicht mehr zurückgenommen werden; bis jetzt wurde noch keine 'Histon-Demethylase' entdeckt", erklärt Zhang die Permanenz der stillen HOX-Gene.

Vielleicht sind die Histone stille Wasser, die bekanntlich tief sind, und bergen ein viel größeres Potenzial in sich, als lediglich das sorgfältige Aufrollen der Erbinformation. Stattdessen könnten sie sich auch als Wächter derselben erweisen und entscheidend beim empfindlichen Zusammenspiel aktiver und stiller Gene mitspielen.

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