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News: Streifenförmig supraleitend

Über 15 Jahre ist es her, dass Forscher Materialien fanden, die auch bei vergleichsweise hohen Temperaturen dem Strom keinen Widerstand entgegensetzen. Doch während für das Phänomen der Supraleitung bei tiefen Temperaturen bereits eine recht gute Theorie existierte, lässt sich die Hochtemperatur-Supraleitung bis heute nicht zufriedenstellend erklären. Neue Untersuchungen mit Neutronenstrahlen stützen nun ein Modell, bei dem der Effekt in streifenförmigen Bereichen des Materials entsteht.
Seit gut neunzig Jahren ist bekannt, dass bestimmte Metalle bei sehr tiefen Temperaturen von nur einigen Kelvin ihren elektrischen Widerstand verlieren: Sie werden supraleitend. Doch es gibt auch Supraleiter bei vergleichsweise hohen Temperaturen jenseits des Siedepunkts von Stickstoff (77 Kelvin), was vor allem technologisch bedeutsam ist. Für diese Supraleiter fehlte bislang jedoch eine schlüssige Theorie. Denn während der Effekt bei normalen Supraleitern gut verstanden ist, konkurrieren zur Beschreibung der Hochtemperatur-Supraleiter einige unterschiedliche Modelle miteinander.

Sicher ist jedoch, dass die besondere Struktur der Materialien eine tragende Rolle spielt. So bestehen keramische Kupferoxid-Verbindungen aus mehreren Ebenen, die unter anderem von Kupfer- und Sauerstoff-Atomen besetzt sind. Zwischen diesen Ebenen liegen aber auch solche anderer Elemente und einige von ihnen stehlen dem Kupfer Elektronen und lassen stattdessen Löcher, also positive Ladungen, zurück. Man weiß bereits, dass sich diese Löcher zusammenfinden und gemeinsam ohne Widerstand die Ebenen durchschreiten. Bislang war jedoch nicht zu klären, wie sie sich zusammenschließen.

Einige Forscher gehen davon aus, dass die Löcher zunächst entlang streifenförmiger Bereiche entstehen. Und genau diese Streifen, so scheint es, haben nun Herbert Mook und Pengcheng Dai vom Oak Ridge National Laboratory gemeinsam mit ihrem Kollegen Fatih Dogan von der University of Washington in Seattle am Paradebeispiel für Hochtemperatur-Supraleiter, dem Yttrium-Barium-Kupferoxid (YBCO), nachgewiesen [1] – und zwar ohne Tricks anzuwenden, wie es bei vorangehenden Experimenten der Fall war.

Die Forscher lenkten dazu einen Neutronenstrahl auf eine 25 Gramm schwere Probe des Kristalls und untersuchten den gestreuten Strahl. Durchstrahlen die Neutronen einen Kristall, so verlassen sie ihn mit genau festgelegten, charakteristischen Werten für Energie und Impuls. Durch sein magnetisches Moment ist das Neutron außerdem auch sensibel für statische und fluktuierende magnetische Felder innerhalb des Festkörpers. Auf diese Weise stellte das Team um Mook in jeder achten Kupfer-Sauerstoff-Schicht einen schwachen Loch-Streifen fest. Doch warum gibt es diese Streifen überhaupt?

Nun, dieser Zusammenschluss der positiven Ladungsträger bietet gewisse Vorteile, denn ein Loch verbirgt das magnetische Moment des Kupferatoms, in dessen Nähe es sich gerade aufhält. Wandert es durch das Material, so wandert damit auch der Magnetismus der Kupferatome. Das allerdings ist energetisch sehr ungünstig, da es das charakteristische Auf und Ab des Magnetismus der Kupferatome stört. Wenn sich jedoch viele Löcher entlang streifenförmiger Bereiche ansiedeln, dann entsteht dadurch sozusagen ein schneller Kanal für die Ladungsträger, denn der Magnetismus muss sich nicht mehr ständig ändern.

So spricht einiges für diesen Zusammenschluss in Streifen. Zwar kostet es Energie, die Ladungsträger zusammenzubringen, aber der Energieaufwand ist doch viel geringer, als ginge jedes Loch allein oder als Pärchen auf die Reise. Zwar konnten auch schon vor Mook, Dai und Dogan Forscher die Streifen nachweisen, jedoch nur bei einem einzigen Supraleiter, dem Lanthan-Strontium-Kupferoxid. Dazu mussten die Wissenschaftler außerdem noch tricksen, indem sie dem Material ein paar Störstellen einbauten, um die Streifen ruhig zu halten.

Die neuen Ergebnisse sind da weitaus überzeugender, und Rückendeckung bekommen die Forscher außerdem von Kollegen in Japan, die am Central Research Institute of Electric Power Industry in Tokio ebenfalls jene Streifen in YBCO gesehen haben wollen und ihre Beobachtung zur Veröffentlichung eingereicht haben [2]. Es spricht also offenbar viel dafür, dass jene streifenförmigen Loch-Bereiche ein weiteres Puzzelstück zum Verständnis der Hochtemperatur-Supraleiter liefern.

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