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Astrometrie: Radioteleskope lösen Kontroverse um die Entfernung der Plejaden auf

Die durch das Weltraumteleskop Hipparcos bestimmte Entfernung zu den Plejaden löste eine Kontroverse und Unruhe unter Astronomen aus. Sie war kleiner als der zuvor bestimmte Abstand und stellte sogar das Verständnis von der Physik in jungen Sternen in Frage. Nun bestimmten Forscher die Entfernung mit Hilfe von eineinhalbjährigen Beobachtungen im Radiobereich erneut. Die Ergebnisse widerlegen die Hipparcos-Messungen, werfen jedoch neue Fragen auf.
Plejaden

Die Plejaden im Sternbild Stier bilden einen offenen Sternhaufen mit einigen hundert jungen Sternen. Diese entstanden vor rund 100 Millionen Jahren und dienen Wissenschaftlern als Anschauungsobjekte bei der Erforschung junger Sternhaufen. Darüber hinaus helfen die gemessenen physikalischen Eigenschaften der Sterne dabei, Entfernungen zu weiter entfernten, ähnlichen Sternhaufen zu bestimmen. Das ist allerdings nur dann möglich und liefert richtige Ergebnisse, wenn die wahre Entfernung zu den Plejaden selbst bekannt ist.

Bis in die 1990er Jahre gingen Forscher wegen ihrer bis dahin gesammelten Daten von einer Entfernung der Plejaden von rund 430 Lichtjahren aus. Diese Annahmen wurden jedoch durch die Messungen mit dem Weltraumteleskop Hipparcos erschüttert. Der europäische Satellit wurde 1989 gestartet und vermaß während seiner Betriebszeit bis 1993 die Positionen und Eigengeschwindigkeiten zahlreicher Sterne. Der 1997 veröffentlichte Hipparcos-Katalog war das Ergebnis der astrometrischen Mission. Er beinhaltet Positionen, Bewegungen und Entfernungen zu mehr als 118 000 Sternen in einer bis dahin nicht zuvor erreichten Genauigkeit. Für die Abstandsbestimmungen kam die Parallaxenmethode zum Einsatz. Sie macht sich zu Nutze, dass Objekte in Abhängigkeit von ihrer Entfernung mit dem Beobachtungsstandort auch ihre Position am Himmel ändern. Damit lässt sich der Umlauf der Erde um die Sonne ausnutzen, um aus den im Verlauf des Jahres veränderlichen Positionen auf die Entfernungen zu schließen. Die Messmethode ist robust, da sie auf keinen physikalischen Modellen basiert, sondern lediglich einfachste trigonometrische Gesetzmäßigkeiten ausnutzt.

Hipparcos | Mit einer zuvor nicht erreichten Genauigkeit ermittelte das Weltraumteleskop Hipparcos zwischen 1989 und 1993 die Positionen, Eigenbewegungen und Entfernungen von mehr als 118 000 Sternen.

Hipparcos ermittelte an Hand von einzelnen Sternen eine Plejaden-Entfernung von rund 390 Lichtjahren. Damit lag das Resultat deutlich unter den bis dahin gesammelten Ergebnissen. Es erschien auch im Vergleich mit ähnlichen Sternen in anderen jungen Sternhaufen sonderbar: In Verbindung mit der Hipparcos-Entfernung erschienen die Plejaden-Sterne zu leuchtschwach. Somit waren entweder die Hipparcos-Messungen falsch, oder die jungen Sterne in den Plejaden wiesen bisher unverstandene Eigenschaften auf.

Um dieser Frage nachzugehen, führten Astronomen um Carl Melis von der University of California eine unabhängige 18-monatige Beobachtungskampagne zur Entfernungsbestimmung des Sternhaufens durch. Auch sie setzten auf die Parallaxenmethode, doch beobachteten sie die Plejaden gleichzeitig mit 13 über die ganze Erde verteilten Radioteleskopen. Dazu zählten das Very Long Baseline Array (VLBA), das Green Bank Teleskop (GBT), das Arecibo-Observatorium sowie das 100-Meter Teleskop bei Effelsberg. Mit Hilfe dieses weltweiten Netzwerks erreichten sie eine Auflösung, die vergleichbar ist mit der eines Teleskops von der Größe der Erde. Sie bestimmten die Parallaxen von vier Sternsystemen in den Plejaden mit Genauigkeiten von rund einem Zehntel einer Millibogensekunde. Diese ergaben für die Entfernung des gesamten Sternhaufens einen Wert von 444 Lichtjahren bei einer Unsicherheit von nur rund einem Prozent.

Damit stellt das Ergebnis die bis heute genauste Abstandsbestimmung der Pleiaden dar und ist zudem im Einklang mit den übrigen ermittelten Sterneigenschaften. Allerdings stellt sich nun die Frage, wieso Hipparcos bei seiner Messung so weit daneben lag. Das zu verstehen ist wichtig, weil die vor Kurzem gestartete Weltraummission Gaia den Himmel in den kommenden Jahren nach den gleichen Prinzipien vermessen wird. Es wäre denkbar, dass der gleiche Fehler, der irgendwo zwischen den Beobachtungen und der Datenaufbereitung liegt, im Rahmen des neuen Programms aufgedeckt und gelöst werden kann. Gleichermaßen ist es jedoch genauso möglich, dass er sich nicht offenbart. Aus diesem Grund werden in Zukunft hochpräzise Kontrollmessungen wichtig und notwendig sein, um die Ergebnisse von Gaia überprüfen zu können.

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  • Quellen
Melis, C. et al., Science, Vol. 345, 2014

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