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News: Streng getrennte Nachbarn

Wenn mehrere Riffe recht nahe beieinander liegen und noch dazu von denselben Meeresströmungen gestreift werden, könnte man eigentlich annehmen, dass deren Lebensgemeinschaften untereinander in Verbindung stehen. Doch obwohl es riffbewohnende Heuschreckenkrebse in Indonesien gar nicht weit haben zu ihren benachbarten Artgenossen, und auch bequem 'per Anhalter' dorthin gelangen könnten, scheinen sie das kaum wahrzunehmen: Einzelne Populationen sind genetisch deutlich verschieden. Wahrscheinlich haben die Meeresspiegelschwankungen in den Eiszeiten die Trennung eingeleitet.
Viele Bewohner von Korallenriffen durchleben im Laufe ihrer Entwicklung ein Stadium, in dem die Larven frei im Oberflächenwasser treiben. Dabei können sie manchmal mehrere Hundert Kilometer zurücklegen. Aber die Hoffnung vieler Wissenschaftler, dass die Organismen auf diese Weise geschwächte Lebensgemeinschaften anderer Riffe auffrischen, wird immer wieder enttäuscht. So sind die Jugendstadien von Fischen und wirbellosen Tieren in der Karibik und Australien nur wenig wanderfreudig, wie frühere Analysen zeigen. Und auch der Heuschreckenkrebs Haptosquilla pulchella in der tropischen Inselwelt Indonesiens und Malaysias vermischt sich offenbar kaum mit seinen benachbarten Artgenossen – auch wenn ihn die Strömungen direkt dorthin tragen (Nature vom 17. August 2000).

Paul H. Barber von der Harvard University und seine Kollegen untersuchten die genetische Variabilität verschiedener Lebensgemeinschaften der Krebse an Riffen des südchinesischen Meeres, im Bereich der Makassar-Straße und in den Meeresabschnitten um die Sundainseln. Für Biogeographen hat diese Region einen besonderen Reiz, weil hier die Wallace-Linie verläuft – die scharfe Grenze zwischen der Tierwelt Asiens und Australiens, zumindest für terrestrisch lebende Organismen. Bei den Meeresbewohnern hingegen tritt diese so genannte Faunenscheide nicht so deutlich zu Tage.

Aber den Ergebnissen zufolge gibt es bei den marinen Heuschreckenkrebse zumindest eine nördliche und eine südliche Gruppe, deren Trennlinie jedoch anders verläuft als die Wallace-Linie. So sind die Populationen des südchinesischen Meeres und der Celebes-See doch deutlich verschieden von den Bewohnern im südlichen Teil der Meeresstraßen von Java und Flores, obwohl die Riffe nur 300 Kilometer voneinander entfernt liegen. Und auch die Riffkrebse des nördlichen Abschnittes sind nicht ganz einheitlich. Dabei sind die Regionen an sich über Strömungen verbunden: Driftkörper durchquerten die 1500 Kilometer lange Makassar-Straße in nur vier Wochen, also sollten auch planktische Larven ohne Schwierigkeiten die Distanz überwinden können.

Doch wie kommt es zu diesem scharfen Bruch? Wahrscheinlich sind die letzten Eiszeiten dafür verantwortlich. Denn als damals der Meeresspiegel um über hundert Meter sank, fielen weite Teile der Schelfbereiche trocken und trennten einzelne Meeresbecken voneinander, wie beispielsweise das südchinesische Meer und die Celebes-See. Die dadurch voneinander isolierten Lebensgemeinschaften entwickelten sich getrennt weiter. Diese Aufspaltung hat sich offenbar bis heute erhalten. Doch warum sich die Populationen in den seither vergangenen 10 000 Jahren nicht wieder vermischt haben, ist den Forschern bisher noch ein Rätsel.

Die Ergebnisse untermauern einmal mehr, dass das Ausbreitungspotential von marinen Organismen nicht mit den tatsächlich zu beobachtenden Ortswechseln zusammenhängen muss. Das hat wichtige Konsequenzen für den Schutz der empfindlichen Riffsysteme, denn die Annahme, dass zurückgehende Populationen durch angeschwemmte Larven aus anderen Gebieten wieder aufgefüllt werden, trifft dadurch nicht immer zu.

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