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Immunsystem: Stress öffnet Erkrankungen Tür und Tor

Stress in der Kindheit

Jeder hat schon einmal davon gehört, dass chronischer Stress der Gesundheit nicht zuträglich ist: Das Immunsystem wird geschwächt, Viren und Bakterien haben leichteres Spiel, ein Zusammenhang mit einer erhöhten Neigung zu Depressionen, Herz-Kreislauf-Schwäche, Diabetes und anderen Maläsen ist statistisch bereits belegt. Die eigentliche Ursache für die stressbedingte Schwäche der Körperabwehr bleibt aber schwer festzunageln. Forscher um Ronald Turner von der University of Virginia haben nun einen neuen Anlauf genommen. Ihre Studie arbeitet heraus, wie die Feinabstimmung des Immunsystems durch andauernde psychische Belastung durcheinandergeraten kann.

Die Forscher hatten dazu für zwei Versuchsreihen insgesamt 355 Freiwillige rekrutiert, dann mit einigen Tests abgeklärt, dass diese gesund waren, und schließlich per Fragebögen ermittelt, ob die Kandidaten zuletzt andauernden psychischen Belastungen ausgesetzt gewesen waren. Zudem ermittelten die Mediziner verschiedene Parameter, die Aufschluss über entzündliche Reaktionsprozesse im Körper geben – etwa den Cortisolwert im Blut und den Grad der Sensitivität, mit der der Organismus auf dieses Hormon reagiert. Zudem testeten sie das Immunsystem der Freiwilligen handfest, indem sie sie über ein virenversetztes Nasenspray mit harmlosem Schnupfen zu infizieren versuchten.

Die so gewonnenen Beobachtungen ergänzen sich nun zu einem stimmigen Gesamtbild, meinen Turner und Kollegen. Zunächst bestätigte sich, dass bei zuletzt chronisch gestressten Kandidaten das Immunsystem tatsächlich beeinträchtigt war. Zwar hatten sie nicht generell erhöhte Werte des Stresshormons Cortisol, und der Körper bildete das Hormon auch durchaus noch als Reaktion, wenn etwa Viren den Körper zu infizieren versuchten – allerdings reagierte das Immunsystem der Betroffenen auf erhöhte Cortisolwerte dann deutlich weniger stark. Stress senkte also die Wirksamkeit des immunregulatorischen Stresshormons, offenbar weil sich ein Gewöhnungseffekt eingestellt hatte.

Dies bleibt nicht folgenlos: Die gestressten, weniger cortisolsensitiven Probanden konnten Viren dann auch eindeutig weniger gut bekämpfen; sie bekamen nach den Infektionsversuchen dementsprechend häufiger Schnupfen. Die biochemisch-immunologische Detailanalyse ergab, dass das Immunsystem von Probanden mit erhöhter Cortisolresistenz – genauer, einer erhöhten Glukokortikoidresistenz, wie die Forscher sagen – Entzündungsreaktionen nicht mehr gut kontrollierte: Der höhere Cortisolspiegel geht zum Beispiel nicht länger mit einem Anstieg der Leukozyten einher, wie dies bei den weniger gestressten Versuchsteilnehmern der Fall war.

Gleichzeitig werden aber auch länger Zytokine ausgeschüttet, die lokale Entzündungen der Gewebe fördern – offenbar, so schlussfolgern die Forscher, kann das Immunsystem diese natürliche Reaktion auf Attacken nicht mehr gut dämpfen. Bei schwereren Erkrankungen als Schnupfen dürfte dieser Ausfall auf Dauer gravierende Folgen haben, meinen Turner und Kollegen: Die chronisch verstärkten Entzündungsreaktionen leisten Autoimmunreaktionen wie Asthma Vorschub. Die Schnupfenstudie sei demnach durchaus ein Modell für die Wirkung von Stress im Hinblick auf viele weitere Krankheiten.

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  • Quellen
Proc. Natl. Acad. Sci. 10.1073/pnas.1118355109, 2012

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