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Alte DNA: Tibeter vertragen Höhenluft wegen ihrer Frühmenschen-Gene

Die Gene von uralten Frühmenschenformen sind im Erbgut des moderen Menschen nicht nur eine Last: Manchmal verleihen sie überlegene Fähigkeiten, die sich im Extremfall als unbedingt nützlich bewährt haben.
Übergang vom Tibet-Plateau in den Himalaja

Tibeter haben ein ganz eigenes Stoffewechselrepertoir, mit dem sie in der dünnen Höhenluft ihrer Heimat besser zurechtkommen als durchschnittliche Flachlandbewohner: Zu ihren Tricks gehören etwa besonders geweitete Gefäße, in denen mehr Sauerstoff von weniger Sauerstofftransportproteinen ohne Verklumpungsgefahr befördert wird. Die Ursache der Stoffwechselanpassungen sind typisch tibetische DNA-Veränderungen in mehreren Genen. Und zumindest eine dieser höhenluftfreundlichen Varianten, eine besondere Sequenzfolge im Gen EPAS1, haben die Tibeter offenkundig von einem uralten Vorfahren vererbt bekommen: dem Denisova-Menschen.

Das berichten Forscher nach vergleichenden Genanalysen von Tibetern, Han-Chinesen, anderen Menschengruppen aus aller Welt sowie den DNA-Sequenzen verschiedener ausgestorbener Menschenformen wie den Neandertalern und eben den Denisovanern. Diese Menschen lebten vor vielleicht rund 30 000 Jahren noch im südsibirischen Altai-Gebirge: Dort haben Forscher einen Fingerknochen entdeckt, aus dem DNA extrahiert werden konnte. Später ergaben DNA-Analysen, dass Denisova-Menschen sich wie auch die Neandertaler ab und an mit den Vorfahren des modernen Menschen vermischt haben. Vor allem in den Genen der heutigen Bewohner Melanesiens finden sich noch Spuren des einstigen Denisova-Genpools.

Die Tibeter verdanken dagegen explizit die Höhengenvariante von EPAS1 den Denisovanern: Die typische Sequenzfolge findet sich bei fast allen Tibetern, aber davon abgesehen weltweit nirgendwo sonst – außer eben in den alten Denisova-DNA-Sequenzen. Damit sei klar, so die Forscher, dass der moderne Mnsch nicht einfach nur zufällig auch Gene von älteren Menschformen quasi als alten evolutiven Ballast mit sich schleppt – gelegentlich scheinen die ererbten Sequenzen auch Vorteile wie eine Höhenanpasssung mit sich gebracht zu haben, die sich dann in bestimmten Umweltbedingungen bis heute aus gutem Grund gehalten haben. Weitere Beispiel für eine derartige adaptive Ingression von Alt-Genen sollten sich finden lassen, meinen die Forscher. In Frage kämen etwa Pigmentgene des Neandertalers, die vermehrt in Europäern zu finden sind. Eine weitere unbeantwortete Frage bleibt aber, warum die Denisova-Menschen überhaupt ein Gen zur Höhenanpassung trugen. Spekulation ist noch, dass die Frühmenschen dank dieser Anpassung lange in Höhenlagen wie dem Altai überleben konnten, während sich Konkurrenz neu zuwandernder Homo sapiens andernorts schneller durchgesetzt hat.

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  • Quellen

[1] Meyer, M. et al.: A High-Coverage Genome Sequence from an Archaic Denisovan Individual. In: Science 10.1126/science.1224344, 2012

[2] Eriksson, A., Manica, A.: Effect of ancient population structure on the degree of polymorphism shared between modern human populations and ancient hominins. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.1200567109, 2012

[3] Sankararaman, S. et al.: The date of interbreeding between Neandertals and modern humans. In: Plos Genetics, im Druck; arXiv:1208.2238v1

[4] Yang, M.A. et al.: Ancient Structure in Africa Unlikely to Explain Neanderthal and Non-African Genetic Similarity. In: Molecular Biology and Evolution 10.1093/molbev/mss117, 2012

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