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Energie: Tiefer Wind auf hoher See

Bald schon könnten sich auch vor Steilküsten oder auf dem offenen Meer Rotoren im Wind drehen und Strom produzieren. "DeepWind" heißt eine Technologieoffensive aus Dänemark.
DeepWind
Der Weltmeister kommt aus Dänemark – kein Staat erzeugt prozentual gesehen gegenwärtig mehr Strom aus der Kraft des Windes als unser nördlicher Nachbar: Die bewegte Luft trägt bereits rund ein Fünftel zur nationalen Elektrizitätsproduktion bei, und mit mehr als 3500 Megawatt an installierter Windenergiekapazität schafft es das kleine Land auch in dieser Kategorie noch locker in die Top Ten weltweit – vor Länder wie Japan oder Australien. Ein Teil dieses Stroms stammt bereits aus Offshore-Windparks wie "Horns Rev 2", die in der Nord- und Ostsee errichtet wurden, wo der Wind konstanter weht.

Verglichen mit den zahlreichen Anlagen an Land ist die Zahl der Windmühlen vor den Küsten noch überschaubar, doch ihr Anteil wächst stetig: Die dänische Regierung plant, bis 2030 rund 35 Prozent des dänischen Strombedarfs über Windkraftanlagen zu decken – eine beträchtliche Menge davon wird vom Meer stammen. Und Projekte wie "DeepWind" von Uwe Schmidt Paulsen und seinen Kollegen an der technischen Universität von Dänemark in Roskilde-Risø DTU sollen mithelfen, dieses Ziel zu erreichen. "Wir wollen kostengünstige Windturbinen im Megawattbereich entwickeln, die speziell für die See geeignet sind. Momentan ist Offshore-Windkraft noch doppelt so teuer wie die an Land. Es gibt also noch genügend Luft für Verbesserungen", sagt der Projektmanager Schmidt Paulsen. Eine Meinung, der sich Thomas Neumann vom Deutschen Windenergie-Institut (DEWI) anschließt: "Bislang verpflanzt man Windkraftanlagen technologisch einfach vom Land ins Meer – zukünftig werden sich aber mehr und mehr Anlagen herauskristallisieren, die bezüglich Redundanz oder Rostschutz zu echten Offshore-Anlagen optimiert wurden."

DeepWind | Eine neue Art von Windparks soll auf dem offenen Meer entstehen – mit vertikalen Rotorblättern und frei schwimmend.
Zusammen mit seinem Team plant Schmidt Paulsen ein völlig neues Konzept für die Parks, die nicht mehr auf starren Türmen stehen wie momentan üblich. "Das Prinzip ähnelt einem Korkschwimmer beim Angeln, der in dem Wasser schwimmt und sich mit Wellen hin und her bewegt – nur dass bei unserem Projekt die 'Schnur' in die Tiefe führt", so der Ingenieur. Eine typische Windmühle besteht nach den Plänen aus einer langen rotierenden vertikalen Röhre, an deren oberem Ende – über dem Meeresspiegel – ebenfalls vertikal ausgerichtete Rotoren kreisen. "Die Rotorblätter der herkömmlichen horizontalen Windräder sind stark der Schwerkraft ausgesetzt, die an ihnen zerrt – bei vertikal ausgerichteten Rotoren fällt dieser Einfluss deutlich schwächer aus. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt unserer Anlagen unterhalb der Wasserlinie, weil ihnen das große Gewicht normaler Windräder in Höhe der Nabe fehlt", erklärt Schmidt Paulsen.

Freischwimmer im Wind

Dieses Prinzip unterscheidet DeepWind auch von einer Versuchsanlage, die Siemens und StatoilHydro vor der norwegischen Insel Karmøy in die See gepflanzt haben. Sie schwimmt zwar ebenfalls im Meer und benötigt keine feste Verankerung wie konventionelle Türme. Doch Hywind, so der Name, benötigt einen mehr als 100 Meter langen Schwimmer unter Wasser, der dafür sorgen soll, dass der dreiblättrige Rotor nicht umkippt, DeepWind käme dagegen mit kürzeren Gegengewichten aus, wobei der Generator in diesem Abschnitt eingebaut ist. Beide Anlagen werden jeweils mit Ketten am Meeresgrund verankert und über Kabel an das festländische Stromnetz angebunden.

Die vertikale Ausrichtung der Blätter und langsamere Umdrehungsgeschwindigkeit verringert zudem die Belastungen, die vor allem an den Spitzen der Blätter zerren. Ein anderer Vorteil von dem leicht gekippten DeepWind Konzept ist das kleinere Turmmoment an der Wasseroberfläche, das anhand eines kürzeren Hebelarms des Windes erzeugt wird. Im Vergleich haben die zum Windrad quer wirkenden Wellen einen größeren Einfluss auf die Turmbelastungen als die des rotierenden "Turmes". "Um Schwachstellen in den Anlagen zu vermeiden, wollen wir zum Beispiel versuchen, die Rotorblätter mit der Pulltrusionstechnologie herzustellen. Das erhöht die Lebensdauer und verringert langfristig die Kosten", meint Schmidt Paulsen. Erfahrungen und Technologien aus dem Schiffbau sollen helfen, die Korrosion durch aggressives Salzwasser in den Griff zu bekommen – etwa durch spezielle Beschichtungen. Glasfaserverstärkte Werkstoffe, die in der Luftfahrt gang und gäbe sind, könnten die sich im Wasser drehende Röhre robust und rostfrei machen. Die Rotorblätter bestehen bereits standardmäßig daraus.

Offshore-Windkraft in Europa | Windkraftwerksbetreiber zieht es aufs offene Meer. Hier stören weder Berge noch Täler oder Gebäude die Strömung der Luft. Deutsche Betreiber glauben, mit den so genannten Offshore-Windparks die erzielbare elektrische Leistung mindestens noch einmal verdoppeln zu können. Kritiker meinen, diese großen, zentralen Anlagen seien zugleich ein Zugeständnis an die Stromkonzerne, die den Trend zu den erneuerbaren Energien verschlafen haben. (Stand der Grafik von 2007)
Ungeklärt ist allerdings, wie sich DeepWind und ähnliche Anlagen auf die Natur auswirken können – etwa auf die Zugbahnen von Zugvögeln: Kollisionen mit Rotoren oder Türmen gehören zu den stärksten Bedenken von Ornithologen, da die Tiere gerade bei schlechter Sicht tödlich gegen die Konstruktionen prallen können. DeepWind ragt allerdings weniger weit aus dem Wasser auf, was das Risiko für die Vögel senkt. Ob tatsächlich ein Unterschied zwischen einem horizontal oder einem vertikal ausgerichteten Rotor herrscht, ist unklar; "es ist viel zu früh, um diese Frage zu beantworten und nicht ein Teil des Konzeptstudiums, dies aufzuklären", ergänzt Schmidt Paulsen. Da sie weiter draußen auf dem Meer installiert werden, kommen die Parks zudem weniger mit wichtigen Rastplätzen wie im Wattenmeer in Konflikt, wo sie bisweilen wie ein Sperrriegel den Tieren den Zugang zu wichtigen Ruheräumen verwehren. Für Meeressäuger versprechen DeepWind und HyWind sogar Verbesserungen, meint Neumann vom DEWI: "Da keine Fundamente in den Meeresboden gehämmert werden müssen, entfällt der störende Rammschall." Dieser vertreibt nach Meinung von Ökologen Wale und kann deren Gehör schädigen.

Neue Potenziale erschließen

Durch die neue Technologie ließen sich die Anlagen außerdem dichter "packen" – auf kleinerem Raum könnten mehr Geräte auch entsprechend mehr Strom liefern; zumal die dänischen Entwickler zunächst auf eine 5-MW-Anlage und dann auch auf 20-Megawatt-Turbinen setzen. Der große, verschwenderische Platzbedarf konventioneller Windparks fiele damit weg. "Und damit lassen sich letztlich auch die Kosten für Installation und Betrieb auf Dauer im Rahmen halten", ergänzt Schmidt Paulsen, der darauf hofft, dass schon in naher Zukunft ein erster Prototyp vom Stapel gelassen wird: Bis 2014 ist erst einmal die Projektierungs- und Entwicklungsphase terminiert. „Wenn sich das Konzept erfolgreich zeigt und neue Initiativen in DeepWind promoviert werden, könnte 2020 der erste schwimmende Megawattrotor auf dem offenen Meer zumindest versuchsweise in Betrieb gehen“, meint Schmidt Paulsen.

Auch Neumann vom DEWI prognostiziert DeepWind eine gute Zukunft, auch wenn in der Deutschen Bucht und anderen Flachwasserzonen der Meere wohl andere Windkrafttechnologien zum Zug kommen dürften: "Die Technik ließe sich an vielen Steilküsten einsetzen. Damit würde sich die Windkraft völlig neue Regionen erschließen, die bislang nicht genutzt werden konnten – obwohl dort beständig Wind weht wie vor Norwegen, Kalifornien oder Spanien. DeepWind wird auf jeden Fall eine weitere interessante Variante in der Nutzung des Windes sein."

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