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News: Trockene Zukunft?

Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen. Also sollte durch die globale Erwärmung die Verdunstung zunehmen. Warum passiert aber genau das Gegenteil?
Die Erde "schwitzt": Durch die Einstrahlung der Sonne erwärmen sich die Luftschichten über dem Boden. Dabei werden sie gleichzeitig auch relativ gesehen trockener, denn warme Luft kann mehr Wasserdampf speichern – die relative Luftfeuchtigkeit sinkt. Feuchter Nachschub kommt aus dem Untergrund, bis sich ein neues Gleichgewicht eingependelt hat oder der Boden ausgetrocknet ist. Zusammen mit der Wasserabgabe der Pflanzenwelt – der Transpiration – schließt diese so genannte Evaporation der Böden und offenen Wasserflächen den globalen Wasserkreislauf: Der aufsteigende Wasserdampf kondensiert, Wolken bilden sich, es regnet, das Wasser sickert in den Boden – und so beginnt, vereinfacht gesehen, das Ganze von vorn.

Steigen nun im Rahmen der globalen Erwärmung die Temperaturen, würde man eigentlich erwarten, dass sich damit auch die Verdunstung erhöht, um die größere Trockenheit der Luft auszugleichen. Langjährige Messungen in verschiedenen Gebieten der gemäßigten Breiten auf der Nordhalbkugel zeigen aber ein ganz anderes Bild: Die Evaporation, gemessen mit Verdunstungspfannen, also offenen Wasserflächen, geht dort seit den fünfziger Jahren zurück.

Für diese verblüffende Beobachtung diskutieren Forscher zwei Erklärungen. Die eine Variante geht davon aus, dass die Abnahme eigentlich die Folge einer Zunahme ist: nämlich einer verstärkten Verdunstung in der Umgebung. Dadurch würde die Luft über den Messeinrichtungen feuchter und kühler, und die Verdunstung aus der Pfanne sinkt.

Michael Roderick und Graham Farquhar von der Australian National University unterstützen mit ihren Untersuchungen aber den zweiten Erklärungsansatz. Demnach verringern Aerosole in der Luft und die in vielen Regionen beobachtete zunehmende Wolkenbedeckung die Sonneneinstrahlung und hemmen damit die Erwärmung der bodennahen Luftschichten. Bei kühleren Temperaturen verdunstet nun weniger Wasser – ganz wie es die Messschreiber der vergangenen Jahrzehnte notierten.

Die Forscher analysierten Aufzeichnungen von den sechziger bis zu den neunziger Jahren aus den USA und dem Nordwesten Russlands. Mit dem dort festgestellten Rückgang in der solaren Einstrahlung von etwa drei Prozent pro Jahrzehnt errechnete sich eine jährliche Abnahme der Verdunstung um 90 bis 155 Millimeter pro Jahr – das stimmt gut überein mit dem beobachteten Wert von 110 Millimeter pro Jahr.

Die Diskussion ist damit jedoch nicht beendet. Zwar zeigen Messungen, dass Aerosole in der Luft tatsächlich die Sonneneinstrahlung mindern – die drei Tage ohne Luftverkehr über den Vereinigten Staaten im September 2001 führten sofort zu größeren Temperaturschwankungen im Tagesverlauf –, doch ist manchen Kollegen von Roderick und Farquar das ganze Geschehen zu komplex, als es lediglich auf die Einstrahlung zurückzuführen. So ist die Temperatur nicht allein für die Verdunstung verantwortlich: Klimamodelle zeigen, dass die Evaporation unter den bestehenden Klimabedingungen gerade in den Wintermonaten besonders groß ist.

Ganz abgesehen davon ist noch nicht einmal geklärt, ob der in den USA und Russland beobachtete Trend überhaupt global gilt. Untersuchungen in Asien beispielsweise berichten von einer gesteigerten Verdunstung über weiten Flächen. Atsumu Ohmura und Martin Wild von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich fordern daher eine genaue Analyse der Evaporation und der Strahlungsverhältnisse des letzten Jahrzehnts, um zu klären, wie sich der Trend fortgesetzt hat und damit wirklich mit dem Treibhauseffekt zusammenhängt.

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