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Computersimulation: Trojanische Pferde in Molekülwolken

3-D Simulation einer HII-Region

Wenn in Galaxien neue Sterne entstehen, erreichen nur wenige von ihnen eine Masse von mehr als acht Sonnenmassen. Trotz ihrer geringen Anzahl sind diese massereichen Sterne maßgebend für die Entwicklung der gesamten Galaxie. Jeder einzelne massereiche Stern kann als trojanisches Pferd inmitten seiner Molekülwolke betrachtet werden – er zerreißt die Wolke von Innen. Mittels hochaufgelöster Computersimulationen konnten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching zeigen, dass die ionisierende ultraviolette Strahlung eines einzelnen massereichen Sterns die Zerstörung einer Molekülwolke anregen kann. Die Explosion als Supernova am Ende des Sternlebens beschleunigt das Gas noch zusätzlich. Es kann aus der Galaxie geschleudert werden und dann keine neuen Sterne mehr bilden. Diese Feedback-Prozesse regulieren vermutlich die galaxienweite Effizienz der Sternentstehung im Universum.

Lebenszyklus einer Molekülwolke | Das Ziel des SILCC-Projekts ist es, den gesamten Lebenszyklus einer Molekülwolke in einer Simulation darzustellen. Die Felder zeigen die einzelnen Stadien von der Bildung der Wolke bis hin zur Entstehung von Sternen, dem Feedback und den großskaligen, galaktischen Winden. Jedes Stadium wurde bereits in einzelnen Simulationen von Mitgliedern des SILCC-Teams untersucht.
Das Team wird jetzt über 40 Millionen CPU-Stunden auf Europas schnellstem Supercomputer, SuperMUC, verwenden, um den gesamten Lebenszyklus von Molekülwolken, also ihren Kollaps bis hin zur Sternentstehung und die anschließende Zerstörung durch Feedback-Prozesse, in einer realistischen, galaktischen Umgebung zu untersuchen. Mit diesen Simulationen wird es erstmals möglich sein, den Einfluss von massereichen Sternen von der kleineren Skala einzelner Sternentstehungsgebiete bis hin zum Größenmaß ganzer Galaxien zu verfolgen.

Weniger als ein Prozent aller entstehenden Sterne erreichen eine Masse von mehr als acht Sonnenmassen, bevor die Kernfusion in ihrem Inneren beginnt und sie anfangen zu leuchten. Leben und Tod eines solchen massereichen Sterns sind deutlich spektakulärer als bei massearmen Sternen, zu denen auch die Sonne zählt. Zu Lebzeiten verändert der massereiche Stern durch intensive und hochenergetische ultraviolette Strahlung und einen schnellen, Sternwind aus geladenen Teilchen das interstellare Medium in seiner Umgebung, das aus sehr kaltem molekularen Gas mit einer Temperatur von rund 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt besteht.

Die emittierte ultraviolette Strahlung ionisiert die umgebende Molekülwolke und heizt sie dadurch auf rund 10 000 Kelvin auf. Dadurch entsteht eine so genannte HII-Region. Diese heiße, ionisierte Blase dehnt sich immer weiter in die kalte Umgebung aus, wobei immer mehr kaltes Gas aufgesammelt wird aus dem sich neue Sterne bilden können.

Nach nur wenigen Millionen Jahren explodiert ein massereicher Stern als Supernova. Bei dieser Explosion wird enorm viel Energie freigesetzt, wodurch das umgebende Gas nun auf bis zu 100 Millionen Kelvin aufgeheizt und teilweise stark beschleunigt wird. Obwohl massereiche Sterne selten sind, beeinflussen sie so maßgeblich die Entstehung und Entwicklung einer Galaxie. Sie sind die Hauptquelle stellarer Feedback-Energie und somit in der Lage, Molekülwolken von innen heraus zu zerstören. Dadurch regulieren sie die Sternentstehung in einer Galaxie und können sogar Gas in riesigen, galaktischen Winden aus der Galaxie blasen.

Mittels hochaufgelöster, dreidimensionaler Computersimulationen untersuchen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik die Zerstörung von Molekülwolken durch ionisierende ultraviolette Strahlung sowie durch Supernova-Explosionen massereicher Sterne. Sie zeigen, dass relativ leichte Molekülwolken mit einer Masse von 10 000 Sonnenmassen durch die ionisierende Strahlung auseinandergeblasen werden können. Dies geschieht noch, bevor der Stern als Supernova explodiert.

Schwerere Wolken erfordern jedoch drastischere Maßnahmen. Obwohl die ionisierende Strahlung auch hier eine wichtige Rolle spielt, können Wolken mit 100 000 bis zu einer Million Sonnenmassen nur durch Supernova-Explosionen zerstört werden. Um das stellare Feedback korrekt zu modellieren, müssen komplexe, nichtlineare Kühlprozesse im interstellaren Medium berücksichtigt werden. Diese sorgen dafür, dass die Supernova effizienter auf das umgebende Medium einwirkt, wenn die Explosion in einer bereits ionisierten HII-Region mit niedriger Dichte stattfindet. Die Wissenschaftler quantifizieren diesen Effekt, indem sie Simulationen von Supernovae in Wolken mit und ohne vorherige Ionisation stattfinden lassen.

Zu verstehen, wie sich dieses Feedback über mehr als sechs Größenordnungen – von der Milliparsec-Skala auf welcher massereiche Sterne entstehen bis hin zu galaktischen Skalen von mehreren Kiloparsec – fortpflanzt, ist ein sehr anspruchsvolles numerisches Unterfangen. Durch den Zuspruch von mehr als 40 Millionen CPU-Stunden auf dem neuen Drei-Petaflop Supercomputer SuperMuc, ist das Team im Rahmen des SILCC-Projekts nun in der Lage, die Berechnung extrem hochaufgelöster Simulationen des gesamten Lebenszyklus von Molekülwolken durchzuführen. Das SILCC-Projekt untersucht den Einfluss massereicher Sterne, von der Entstehung von Molekülwolken, über Kollaps, Sternentstehung und Feedback, bis hin zum Ausstoß des Gases aus der galaktischen Scheibe.

Die komplexen, dreidimensionalen Simulationen beinhalten eine Vielzahl an wichtigen physikalischen Prozessen, die bisher noch nie in ein und derselben Computersimulation berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund kann das Team jetzt herausfinden, wie das Feedback von massereichen Sternen die Sternentstehungseffizienz in Galaxien reguliert.

Stefanie Walch, Thorsten Naab / Red.

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