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Mikrobiologie: Überlebenskünstler im Reisfeld

Eine spezielle Mikrobengruppe produziert unter Reispflanzen deutlich mehr Methan als seine Verwandtschaft. Diese Mikroorganismen entwickelten Mittel und Wege, die sie besonders wettbewerbsfähig auftreten lassen.
Methan gilt nach Kohlendioxid als das Treibhausgas mit dem größten Einfluss auf das globale Klima. Der bedeutendste biologische Prozess der Methanproduktion, die Methanogenese, ist gleichzeitig Energiestoffwechsel von Mikroorganismen, den so genannten methanogenen Archaea. Sie bilden Methan, indem sie entweder Acetat zu Methan und Kohlendioxid spalten oder Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Methan reduzieren.

Etwa zehn bis 25 Prozent der weltweiten Methan-Emissionen stammt aus gefluteten Reisfeldern, wo es im Boden und im Wurzelraum der Reispflanzen von den methanogenen Archaea gebildet wird. Jedoch blieb lange Zeit unbekannt, welche Mikroorganismen nun tatsächlich für die Methanproduktion im Wurzelraum der Reispflanze verantwortlich sind. Erst vor kurzem konnten Mikrobiologen die so genannten RC-I-Archaea (Rice Cluster) als die Hauptproduzenten von Methan identifizieren.

Mischkultur | Aus einer Mischkultur konnten die Forscher das vollständige Genom eines Methan produzierenden RC-I-Archaeons mittels molekularbiologischer Methoden rekonstruieren. Die verschiedenen Mitglieder der Mischkultur sind hier mit spezifischen Sonden für RC-I-Archaea (rot) und für Bakterien (grün) markiert (Maßstab: 10 Mikrometer).
Doch im Gegensatz zu anderen, gut charakterisierten Gruppen unter den methanogenen Archaea konnten die Forscher für RC-I-Archaea bisher keine Reinkulturen isolieren. Daher blieben ihre physiologischen Fähigkeiten und ihre Anpassungsstrategien weit gehend unbekannt. Immerhin gibt es eine mikrobielle Mischkultur (MRE50), in welcher RC-I-Archaea einen Anteil von fünfzig bis sechzig Prozent ausmachen. Die anderen Mitglieder dieser Mischkultur gehören ausschließlich zur Gruppe der echten Bakterien.

Um die Überlebensstrategie der Mikroben zu enthüllen, haben Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und für molekulare Genetik in Berlin jetzt das vollständige Genom eines RC-I-Archaeons rekonstruiert. Da den Forschern um Werner Liesack keine Reinkultur zur Verfügung stand, gingen sie von der gesamten Erbinformation der Mischkultur – dem Metagenom – aus, um hieraus das homogene Erbgut des RC-I-Archaeons herauszufiltern.

Wie sich zeigte, besteht das Genom des RC-I-Archaeons aus 3,2 Millionen Basenpaaren und kodiert für 3103 Proteine. Unter anderem spürten die Forscher bestimmte Proteine des methanogenen Stoffwechsel auf, bei dem Methan ausschließlich durch die Reduktion von Kohlendioxid mit Wasserstoff entsteht. Enzyme für die Verwertung anderer methanogener Nährstoffe scheint RC-I dagegen nicht herzustellen.

Normalerweise können methanogene Archaea Methan nur unter strikter Abwesenheit von Sauerstoff produzieren – das für uns lebensnotwendige Gas ist für sie tödlich. Dies gilt jedoch nicht für RC-I-Archaea: Das RC-I-Genom kodiert für enzymatische Mechanismen, die für methanogene Archaea bisher unbekannt waren und ihnen offensichtlich ein Überleben in sauerstoffhaltiger Umgebung ermöglichen.

Zu diesen Mechanismen zählt ein umfassendes Besteck an Enzymen, mit denen die Mikroben hochreaktive und extrem toxische Sauerstoff-Verbindungen – wie etwa das Superoxid-Anion oder Wasserstoffperoxid – schnell entgiften. In Gegenwart von Luftsauerstoff schalten RC-I-Archaea vermutlich schnell auf einen Gärungsstoffwechsel um, durch den sie aus Kohlenhydraten genügend Energie zur Lebenserhaltung gewinnen und sich so an das Leben im Wurzelraum der Reispflanze anpassen können.

Diese Fähigkeit der RC-I-Archaea, die Gegenwart von Luftsauerstoff zu tolerieren, scheint den Organismen nicht nur im Reisfeldboden einen Überlebensvorteil zu bieten. So finden sich RC-I-Archaea vor allem in jenen Methan produzierenden Ökosystemen, wo sich sauerstofffreie und sauerstoffhaltige Bedingungen abwechseln. Neben Reisfeldern sind dies tropische Böden, Moorgebiete der borealen Zone und auch periodisch geflutete Uferbereiche.

Das entschlüsselte RC-I-Genom soll nun die Grundlage liefern, um mit molekularbiologischen Methoden die Aktivität von RC-I-Archaeen in ihren natürlichen Standorten zu messen. Ob die Mikrobiologen jedoch gezielt in die Methan-Produktion der RC-I-Archaea eingreifen können, um damit die Emission des Treibhausgases aus Reisfeldern zu reduzieren, muss die Zukunft zeigen.

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