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News: Übers Ziel hinaus geschossen

In einer heftigen Reaktion versucht das Immunsystem bei Patienten mit der Darmkrankheit Morbus Crohn, heimische Darmbakterien zu vertreiben. Die Folge sind schubweise auftretende Schmerzen, Durchfall und Entzündungen. Beteiligt an dieser Fehlreaktion ist offenbar ein defektes Gen, das in einer verkürzten Version vorliegt.
Bereits im frühen Erwachsenenalter macht sich die schmerzhafte Darmerkrankung Morbus Crohn, von der etwa jeder Tausendste betroffen ist, zum ersten Mal bemerkbar. Im Magen-Darm-Trakt bilden sich Geschwüre der Schleimhaut, Fisteln und vereinzelt Verengungen, die manche Patienten immer wieder auf den Operationstisch treiben. Die Lebensqualität ist über Jahre hinweg nachhaltig beeinträchtigt.

Die genauen Gründe für Fieber, Durchfall und Schmerzen im Abdomen waren bis jetzt nicht bekannt, obwohl von der Ernährung bis zum emotionalen Stress vieles als Auslöser diskutiert wurde. Die gängige Theorie sieht die Schuld in einem überempfindlichen Immunsystem, das gegenüber viralen und bakteriellen Bestandteilen im Darm überreagiert und eine unkontrollierte Entzündung hervorruft. Dass die Erkrankung in einigen Familien gehäuft auftritt, legte außerdem eine genetische Komponente nahe.

Und dies scheint sich zu bestätigen. Unabhängig voneinander haben nun zwei Forschungsgruppen ein beteiligtes Gen identifizieren können. Sowohl die europäische Gruppe unter Leitung von Gilles Thomas vom Institut National de la Santé et de la Recherche Medicale als auch Wissenschaftler um Yasonuri Ogura von der University of Michigan sind sich einig: Das Gen Nod2 ist an der schmerzlichen Erkrankung beteiligt. Sein Proteinprodukt findet sich in Abwehrzellen des Immunsystems, den Monocyten, deren Aufgabe das Aufspüren und Vernichten von Eindringlingen ist. Nod2 erkennt hierbei Strukturen auf der Zelloberfläche bestimmter Bakterien, die so genannten Lipopolysaccharide.

Doch Nod2 kann auch in einer zweiten Version vorkommen. Etwa 15 Prozent der Morbus-Crohn-Patienten besitzen nämlich ein verkürztes Protein aufgrund eines defekten Gens. Sind sogar beide Genkopien fehlerhaft, steigt die Erkrankungsrate um das 15- bis 20-fache. Schuld daran ist eine unvollständige Informationsweiterleitung. So kann das verkürzte Protein bakterielle Bestandteile nur ungenügend erkennen und sendet zu wenig chemische Signale an das Immunsystem. Aber warum dies zu Entzündungen führt, ist noch unklar.

Die Wissenschaftler vermuten, dass dieses frühe Defizit des angeborenen Immunsystems, die Bakterien zu erkennen, das erworbene Immunsystem auf den Plan ruft. Dies reagiert zwar langsamer, produziert dafür aber zielgerichtete Waffen gegen die Eindringlinge und speichert jeden Kontakt über Gedächtniszellen ab. Eine erneute Infektion mit dem gleichen Erreger führt dann zu einer blitzschnellen Reaktion.

Für die Forscher ist die Entdeckung von Nod2, die durch die Sequenzierung des menschlichen Genoms erleichtert wurde, erst der Anfang. Nun wollen sie nach beteiligten Partnern suchen, die ebenfalls in diesem Prozess eine Rolle spielen, um den Patienten zukünftig eine bessere Behandlung zu ermöglichen.

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