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Vogelgrippe bei Kühen: Übertrug Hühnerkot im Futter die Vogelgrippe auf Kühe?

Fäkalien und Abfälle im Futter könnten den rätselhaften Vogelgrippe-Ausbruch bei Milchkühen ausgelöst haben. Kontaminiertes Tierfutter wäre eine große Gefahr auch für Menschen – das Virus könnte sich schneller anpassen.
Hühner in Bodenhaltung auf Einstreu.
Die Mischung aus Einstreu, Fäkalien, Futter, Federn und anderen Abfällen, die in Geflügelfarmen anfällt, kann Tierfutter beigemischt werden – und so auch Krankheiten übertragen.

Nach wie vor rätseln Fachleute, wie sich so viele Milchkühe in den USA mit Vogelgrippe angesteckt haben. Sechs Bundesstaaten melden solche Infektionen mit dem Subtyp H5N1, und mindestens ein Mensch hat sich ebenfalls bei den Rindern infiziert. Die weite Verbreitung könnte bedeuten, dass das Virus direkt von Kuh zu Kuh übertragen wird. Solche Ansteckungen zwischen Säugetieren (insbesondere bei Nutztieren mit viel menschlichem Kontakt) würden auch die Gefahr erhöhen, dass sich das Virus an Menschen anpasst. Es gibt allerdings auch eine andere mögliche Erklärung: Abfälle aus der Geflügelzucht, die ins Futter der Rinder gemischt wurden, könnten das Virus übertragen haben.

Diesen Übertragungsweg diskutieren einige Fachleute laut einem Bericht der Zeitung »The Telegraph«, um zu erklären, weshalb das Virus binnen weniger Wochen in diversen Milchviehbetrieben auftauchte. Die Mischung aus Fäkalien, Federn, verschüttetem Futter und anderen Rückständen aus Geflügelställen kann als Viehfutter genutzt werden, weil Wiederkäuer wie Kühe dank ihrer besonderen Verdauung Stoffe verwerten können, die für andere Säugetiere nicht essbar sind. Die Abfälle enthalten mehr Kalorien und sind billiger als Soja oder Getreide. Allerdings können sie ebenfalls Krankheitserreger wie Salmonellen auf die Rinder übertragen. Das könnte, so die Vermutung, auch mit H5N1 geschehen sein.

»Wenn nicht behandelter Vogelkot eingesetzt wird, ist das als eine initiale Infektionsquelle vorstellbar«, erklärt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts und Leiter des Instituts für Virusdiagnostik. Die Ansteckung über das Futter könnte einige Besonderheiten des Ausbruchs erklären. Denn dass H5N1 in so kurzer Zeit so viele Rinder infiziert hat, ist ungewöhnlich. Zum einen haben sich zwar bisher dutzende andere Tiere an Vögeln angesteckt, aber es gab nahezu nie eine direkte Übertragung des Virus zwischen Landsäugetieren. Zum anderen sind Rinder normalerweise nicht empfänglich für Influenza A, jenen Virustyp, zu dem die Vogelgrippe gehört. Unter diesen Umständen erscheint es als sehr unwahrscheinlich, dass sich der Erreger von Tier zu Tier und Farm zu Farm so schnell verbreitet hat.

Verseuchtes Futter könnte den Ausbruch erklären

Kontaminiertes Futter, das von einer zentralen Quelle zu den verschiedenen Farmen transportiert wurde, könnte die weite Verbreitung erklären. Die Präsenz des Virus in der Nahrung würde demnach dazu führen, dass sich die Tiere überhaupt anstecken. Nahezu alle bisher infizierten Säugetiere waren Fleischfresser, die mutmaßlich kranke oder tote Vögel gefressen hatten. Das kontaminierte Futter könnte außerdem erklären, weshalb bisher, so weit bekannt, ausschließlich Milchvieh befallen ist. »Die Öffentlichkeit scheut sich ebenso wie viele Rindfleischproduzenten deutlich, Geflügelrückstände als Futter zu akzeptieren«, schreibt eine Arbeitsgruppe um Darrel Rankin von der Auburn University in Alabama in einer Veröffentlichung über Geflügelrückstände als Futtermittel.

Unklar ist allerdings, ob die Abfälle aus der Geflügelhaltung überhaupt noch aktive Viren enthalten würden. »Alle Rückstände, unabhängig von der Quelle, müssen behandelt werden, um pathogene Organismen zu eliminieren«, heißt es in der Veröffentlichung weiter. Die Fäkalien werden dabei zum Beispiel getrocknet, wärmebehandelt oder der Silage zugegeben, was Krankheitserreger wie Salmonellen abtöten soll. Das ist laut Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut jedoch keine Garantie: »Bei Behandlungsverfahren hängt es davon ab, ob sie überhaupt Anwendung finden, und wenn ja, ob die jeweilige Bedingungen, die eine Inaktivierung garantieren, auch eingehalten werden«, erklärt er. »Da Vogelkot sehr hohe Viruslasten aufweisen kann, können fehlerhafte Verfahren oder Anwendungen dann auch zum Verbleib von Infektiosität in diesem Material führen.«

Es ist bisher jedoch keineswegs klar, ob Hühnerabfälle im Futter tatsächlich als Ursache des Vogelgrippe-Ausbruchs in Frage kommen. »Uns liegen keinerlei Informationen vor, die weitere Einschätzungen dazu gestatten würden«, schränkt Beer ein. Dagegen spricht unter anderem auch, dass die Rückstände als Futterzusatz für Milchvieh eher ungeeignet sind, weil Medikamentenrückstände aus der Geflügelproduktion in die Milch gelangen könnten. Es gibt derzeit zwei weitere Hypothesen, die die Eigenschaften des Ausbruchs ebenso erklären könnten. Einerseits könnten Fäkalien infizierter Vögel einfach auf den Farmen selbst ins Futter gelangt sein: Anfang April ziehen sehr viele Zugvögel durch den Süden der USA Richtung Norden und könnten das Virus mitgebracht haben.

Andererseits könnten die Milchviehbetriebe auch besondere Bedingungen bieten, dank denen sich ein sonst wenig ansteckendes Virus besser verbreiten kann. Bei der Milchproduktion und bei der Reinigung der Anlagen entstehen in großen Mengen möglicherweise infektiöse Aerosole, die den Erreger effektiv verbreiten können. Auf diesem Weg infizierte sich anscheinend ebenso der erkrankte Mitarbeiter. Allerdings muss man die Möglichkeit, dass sich H5N1 über Tierfutter verbreitet, sehr ernst nehmen. Dadurch nämlich könnte sich das Virus weiter unter Säugetieren verbreiten und sich besser auch an den Menschen anpassen.

»Infektionen von Schweinen mit H5N1 sind eine besondere Gefahr«, erklärte der Virologe Tom Peacock gegenüber dem »Telegraph«. Laut Experimenten sind sie zwar wenig empfänglich für die aktuell kursierende Variante von H5N1, doch Infektionen bei Schweinen würden das Risiko für Menschen beträchtlich erhöhen. »Sie sind sehr empfänglich für menschliche Grippe und könnten als ›Mischgefäß‹ dienen, in denen menschliche Viren mit Vogelgrippe rekombinieren und auch für Menschen effizienter ansteckende Viren erzeugen.«

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  • Quellen

Cullinan, M. Newey S.: Ground-up chicken waste fed to cattle may be behind bird flu outbreak in US cows. The Telegraph, 2024

Rankin, D. et al.: Feeding Broiler Litter to Beef Cattle. Beef, 2020

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