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Entomologie: Unsterbliche Revoluzzer

Im Bienenstaat läuft alles wohl geordnet ab: Die Königin sorgt für den Nachwuchs, während die weiblichen Arbeitskräfte den Staat am Leben erhalten. Doch nicht alle Arbeiterinnen halten sich an diese Regeln.
<i>Apis mellifera capensis</i>
Männer spielen keine Rolle. Sobald die Drohnen ihre Schuldigkeit getan haben – eine designierte Bienen-Königin zu befruchten –, sterben sie. Insektenstaaten sind Frauensachen.

Die Königin, die sich beim Ex-Gemahl mit reichlich Sperma eingedeckt hat, verfolgt dann ihre einzige Lebensaufgabe: den nötigen Nachwuchs des Bienenstaats zu produzieren. Dabei entstehen aus unbefruchteten Eizellen Männchen – deren Daseinszweck ja schon erwähnt wurde –, während aus den befruchteten Eiern Weibchen schlüpfen. Bei ihnen hängt es von der Ernährung ab, ob sie zu neuen Königinnen heranreifen, die später einen neuen Staat gründen dürfen, oder ob sie fortan ihre Existenz als fleißige Arbeiterinnen fristen werden, die den Bienenstock versorgen und ernähren.

So weit herrscht Ordnung im Bienenstaat. Doch was hindert eine ehrgeizige Imme daran, selbst Nachwuchs in die Welt zu setzen – und seien es, mangels Liebhaber, nur Söhne? Die eifersüchtigen Schwestern. Denn jede Arbeiterin ist mit dem männlichen Nachwuchs ihrer Königin näher verwandt als mit den illegitimen Söhnen ihrer Schwestern. Folglich wird jeder Fehltritt geahndet und die Brut der Arbeiterklasse entfernt.

Königin der Kapbiene | Die Königin der Kapbiene (Apis mellifera capensis) ist deutlich größer als ihre Arbeiterinnen.
Bei der in Südafrika heimischen Kapbiene (Apis mellifera capensis), einer nahen Verwandten unserer Honigbiene, sind die Verhältnisse allerdings etwas komplizierter. Hier kann nämlich das werktätige Volk auch weiblichen Nachwuchs produzieren. Den fehlenden Prinzgemahl ersetzen die Damen durch einen biologischen Trick: die Parthenogenese, zu Deutsch Jungfernzeugung. Dabei wird der Chromosomensatz einer unbefruchteten Eizelle verdoppelt – und heraus kommt eine Tochter, die sogar als Königin einen neuen Staat gründen kann. Diese parthenogenetische Weibchenproduktion firmiert bei Biologen auch unter dem Begriff "Thelytokie".

Und hier fangen die Probleme an: Da die Schwestern der Mutter zu deren thelytokisch erzeugten Töchtern nah verwandt sind, haben sie auch kein allzu großes Interesse, gegen ihre Nichten vorzugehen. Demnach könnte diese jungfräuliche Vermehrung im Kapbienenstaat durchaus gang und gäbe sein.

Madeleine Beekman von der Universität Sydney wollte nun zusammen mit Kollegen aus Südafrika genauer wissen, wie häufig aufrührerische Kapbienen-Arbeiterinnen derartige Fehltritte wagen. Um aufklären zu können, ob der Bienennachwuchs von der legitimen Königin oder von einer niederen Arbeiterin abstammt, vertauschten die Forscher zwischen verschiedenen Stöcken die Königinnen, sodass Herrschaft und Volk nicht mehr verwandt waren. Jetzt ließ sich über so genannte Satelliten-DNA – wie beim Vaterschaftstest – die mütterliche Abstammung einzelner Tiere ermitteln.

Weiselwiege | In den so genannten Weiselwiegen wächst der königliche Bienen-Nachwuchs heran.
Sieben Bienenstöcke mit insgesamt 39 königlichen Wabenzellen, in denen die Larven oder Puppen zu neuen Königinnen heranwuchsen, wurden diesem Mutterschaftstest unterzogen – mit frappierendem Ergebnis: Nur 16 dieser auch Weiselwiegen genannten Kinderstuben enthielten legitimen Nachwuchs von der Herrscherin. Bei acht Zellen stammte der Inhalt von einer Arbeiterin des Stocks, und 15 Weiselwiegen beinhalteten gar Jungtiere, die hier eine stockfremde Biene hinterlassen haben musste.

Es geht also durchaus revolutionär zu im Kapbienenstaat: Nicht wenige Arbeiterinnen mucken auf und verletzen das Fortpflanzungsverbot. Offensichtlich können dann deren jungfräulich erzeugten weiblichen Sprösslinge in fremde Stöcke eindringen, sich hier weiter vermehren, königliches Quartier beziehen und ihre parasitäre Brut – die als "Pseudoklon" untereinander genetisch identisch ist – von den nichtsahnenden Arbeiterinnen des Stocks aufziehen lassen.

Die Königin des Staats zieht damit den Kürzeren. Die erfolgreiche Revolutionärin gewinnt dagegen mit ihren Klon-Töchtern ihre – wie es die Forscher ausdrücken – "genetische Unsterblichkeit".

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