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Astrophysik: Unstete kosmische Leuchttürme

Pulsare gelten als Musterbeispiele für natürliche Pünktlichkeit. Alle paar Millisekunden deuten sie bei ihren Drehungen in Richtung Erde und schicken uns einen kurzen Puls von Radiowellen. Nicht so die neu entdeckten Neutronensterne - die haben anscheinend öfter mal keine Lust und legen lange Pausen ein.
Die ersten Pulsare hielt man für Kontaktsignale von kleinen Männchen aus dem All. Mit zuvor nie gemessener Präzision trafen immer aus der gleichen Himmelsrichtung Radiowellen auf die Erde – bis zu mehreren hundert Malen pro Sekunde. Doch die Freunde des Science-Fiction wurden bald enttäuscht, als sich herausstellte, dass die regelmäßigen Zeichen einen natürlichen Ursprung hatten. Allerdings keinen banalen. Bei den Sendern handelt es sich nämlich um schnell rotierende Neutronensterne, die entstehen, wenn ein sehr massereicher Stern am Ende seines Lebens explodiert und sein Zentrum kollabiert. Dabei erreicht die zurückbleibende Materie eine so enorme Dichte, dass die Atome zu Neutronen zusammengequetscht werden. Im sichtbaren Bereich strahlt so ein Neutronenstern kein Licht mehr ab, doch dafür rotiert er rasend schnell und sendet Radiowellen aus, die er mit einem starken Magnetfeld bündelt und wie den Strahl eines Leuchtturms regelmäßig in die Runde schickt. Weil das von der Erde aus gesehen wie ein Aufblinken isolierter Pulse aussieht, gab man diesen Neutronensternen den Namen Pulsare.

Schema eines Pulsars | Die künstlerische Sicht dieses Pulsars zeigt, wie sein starkes Magnetfeld (blau) die Radiostrahlung (violett) auf einen engen Bereich zwingt.
Als wenn das noch nicht Exotik genug wäre, haben Astronomen um Maura McLaughlin vom Jodrell Bank Observatory nun fast ein Dutzend Neutronensterne ausgemacht, die offenbar nicht allzu viel von der Zuverlässigkeit ihrer Artgenossen halten. Ab und zu mal ein Radiosignal von zwei bis dreißig Millisekunden Dauer und dann eine ausgiebige Pause, die bis zu drei Stunden dauern kann – so rar machen sich die neuen Objekte. Den Titel "Pulsar" verdient man sich mit so einem unzuverlässigen Verhalten nicht, und darum bezeichnen die Forscher diese Gelegenheitsfunker als Rotating Radio Transients (etwa: "rotierende, zeitweilige Radioquellen"), kurz RRATs.

Die ersten Anzeichen für die RRATs waren bereits auf Daten aus den Jahren 1998 bis 2002 zu finden. Damals wurde gezielt nach Quellen einzelner Radiosignale gesucht. Elf Kandidaten machten die Astronomen aus, und alle elf wurden auch später mehrfach beim Funken beobachtet. Allerdings lässt die Unzuverlässigkeit der Objekte keine beindruckenden Statistiken zu: Das scheueste Exemplar zeigte sich gerade vier weitere Male und der extrovertierteste Vertreter lediglich 229 Mal.

Dennoch konnten die Forscher in mehreren Fällen einige versteckte Regelmäßigkeiten ableiten. So verbergen sich bei zehn der elf Quellen Perioden zwischen 0,4 und 7 Sekunden hinter dem Aufblitzen, obgleich nicht jede Runde tatsächlich ein Signal detektiert wird. Das deutet auf rotierende Neutronensterne als Ursprung, gewissermaßen kosmische Leuchttürme, die über lange Zeiten mit störenden Ausfällen der Stromversorgung für ihre Lampen zu kämpfen haben. Die Ursache dieser Ausfälle auf Ebene der Sterne ist aber weiterhin das große Rätsel.

Ein Rätsel, das gelöst werden sollte, denn RRATs sind vermutlich keine Seltenheit am Himmel. Sie kommen vor allem in Nähe der galaktischen Ebene gehäuft vor, also im Bereich der Scheibe unserer Milchstraße. Grob geschätzt dürfte es über 100 000 von ihnen in der Galaxis geben, sagen die Wissenschaftler. Damit wären sie weit häufiger als die pünktlichen Pulsare. Irgendwie menschlich – denn auch hierzuerden soll die Anzahl der Bummler ja die Menge der Pedanten deutlich übertreffen. Vielleicht spiegelt sich doch einiges Irdisches am Firmament wieder.

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