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Gravitationswellen und Inflation: Urknallphysik für Einsteiger

Es ist vielleicht die Nachricht des Jahres: Ein Teleskop am Südpol hat Signale aus der Zeit des Urknalls eingefangen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Fragen, was man über die Entdeckung in der kosmischen Hintergrundstrahlung wissen muss.
Echo des Urknalls?

Astronomen haben bekannt gegeben (siehe "Kosmische Inflation belegt?"), dass sie Spuren von so genannten Gravitationswellen gemessen haben, die kurz nach dem Urknall auftraten – also kurz nach der Entstehung unseres Universums vor 13,8 Milliarden Jahren. Die Entdeckung gilt bereits jetzt als Meilenstein der Forschung, ist aber natürlich nicht leicht nachzuvollziehen.

Gravitationswellen | Während "katastrophaler" Ereignisse im All wie beim Urknall oder beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher entstehen Gravitationswellen, die die Struktur der Raumzeit beeinflussen (hier eine künstlerische Darstellung der Gravitationswellen). Ihre Existenz hat schon Albert Einstein vorausgesagt, und sie sind ein wichtiger Bestandteil der Inflationstheorie zur Entstehung des Weltraums nach dem Urknall.

Doch hier naht Hilfe: "Nature" und "Spektrum.de" haben einige häufige Fragen und ihre Antworten über Gravitationswellen und die ominöse "Inflation" nach dem Urknall zusammengetragen.

Was macht die BICEP2-Veröffentlichung so bedeutend?

Zwar werden Wissenschaftler noch Jahre damit beschäftigt sein, die Messergebnisse auszuwerten und sich über deren Folgen für unsere Vorstellung vom Beginn des Universums klar zu werden. Doch bereits jetzt schon lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen.

  • Albert Einstein sagte vor nahezu 100 Jahren die Existenz der Gravitationswellen voraus. Er glaubte allerdings nicht daran, dass sie jemals nachgewiesen werden könnten, denn laut seinen Berechnungen waren die Wellen viel zu schwach dafür. Die Ergebnisse des BICEP2-Experiments sind nun der bislang überzeugendste Beleg, wenn nicht gar Beweis, dass es die Wellen tatsächlich gibt.
  • Die meisten Physiker, die sich mit Kosmologie beschäftigen, favorisieren derzeit eine bestimmte Vorstellung über den Beginn des Universums, in der die so genannte Inflation einen zentralen Eckpfeiler bildet. Die Gravitationswellen bestätigen dieses Bild.
  • Während der Inflation – der dramatischen Ausdehnung des jungen Universums – traten Temperaturen (und damit Teilchenenergien) auf, die um das Billionenfache höher lagen als alles, was Forscher zurzeit im Labor erzeugen können – nicht einmal am LHC in Genf.
  • Die Inflation ist ein Quantenphänomen. Gravitationswellen gehören hingegen zur klassischen Physik, schlagen damit aber gleichzeitig eine Brücke zwischen beiden Sphären. Sie liefern womöglich damit den ersten Beleg dafür, dass die Schwerkraft ebenfalls eine Quantennatur hat, genau wie die anderen Grundkräfte.

Was sind Gravitationswellen?

Laut Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ist die Gravitation eine Verformung des Raums – ein massereicher Körper sorgt dafür, dass sich die Umgebung verbiegt. Diese Krümmung muss jedoch keineswegs immer in der Nähe des Körpers bleiben. Wie Einstein erkannte, kann sie das gesamte Universum durchlaufen, ganz ähnlich wie Erdbebenwellen durch die Erdkruste.

Signal des Urknalls? | Diese Farbwirbel könnten das erste deutliche Signal für Gravitationswellen aus der Zeit unmittelbar nach dem Urknall sein. Die Orientierung der schwarzen Linien gibt dabei die Polarisationsrichtung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung an. Je dunkler die rote beziehungsweise blaue Färbung der Wirbel ist, desto intensiver sind die Verdrehungen im (blau) und gegen den Uhrzeigersinn (rot).

Anders als seismische Wellen können sich die Gravitationswellen jedoch auch im leeren Raum fortpflanzen – und zwar mit Lichtgeschwindigkeit.

Könnte man eine solche Welle betrachten, die frontal auf einen zuläuft, würde man bemerken, wie sie den Raum abwechselnd staucht und dehnt – sowohl in der Senkrechten als auch in der Horizontalen.

Kann nur Inflation Gravitationswellen auslösen?

Nein. Nach allgemeiner Auffassung verursacht jedes massereiche Objekt Gravitationswellen, wenn es stark genug beschleunigt wird. Messbar dürften allerdings nur diejenigen sein, die auf Ereignisse von wahrhaft kosmischem Ausmaß zurückgehen. Etwa wenn zwei Schwarze Löcher kollidieren und miteinander verschmelzen.

Es existieren derzeit eine Reihe von Forschungseinrichtungen weltweit, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mit riesigen Detektoren das unvorstellbar schwache Wispern von solchen Kollisionen in Form von Gravitationswellen aufzufangen.

Warum suchten die BICEP2-Forscher mit einem Radioteleskop nach den Wellen?

Die Gravitationswellen, die während der Inflation entstanden, laufen immer noch durch das Universum. Allerdings sind sie zu schwach, um sie mit heutigen Methoden nachzuweisen. Stattdessen haben die Wissenschaftler nach dem Abdruck gesucht, den die Wellen in der "Suppe" aus Elementarteilchen hinterlassen haben, die 380 000 Jahre nach dem Urknall das Universum erfüllte.

BICEP2 | Innerhalb des vor Störstrahlung schützenden Trichters sitzt das schwenkbare Teleskop BICEP2. Es arbeitet bei 4 Kelvin (-269 Grad Celsius) nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt und empfängt Strahlung im Bereich der Mikrowellen. Im Hintergrund steht das South Pole Telescope mit seiner Empfangsschüssel von zehn Metern Durchmesser.

Sie zeigt sich heute als so genannte kosmische Hintergrundstrahlung – ein schwaches Glimmen, das aus der heißen Anfangszeit des Universums übrig blieb und heute den Raum gleichmäßig erfüllt. Es lässt sich mit einem Teleskop für Radiowellen untersuchen. Und daher fahndeten die Forscher mit einem solchen Gerät nach den Spuren der Gravitationswellen.

Warum wurde die Entdeckung am Südpol gemacht?

Die Amundsen-Scott-Südpolstation, an der das BICEP2-Experiment aufgebaut ist, liegt auf dem antarktischen Eis in mehr als 2800 Meter Höhe. Dadurch steht das Teleskop in sehr dünner Luft. Die Luft ist auch sehr trocken, was günstig ist, da Feuchtigkeit Radiowellen dämpft. Überdies ist die Antarktis praktisch unbewohnt, es gibt also keine Störquellen wie Mobilfunk oder Fernsehsender.

Was ist die kosmische Inflation?

Die kosmische Inflation ist ein wesentlicher Bestandteil des gegenwärtigen Urknallmodells. Demnach dehnte sich das Universum einen winzigen Sekundenbruchteil nach dem Urknall in einem extrem kurzen Zeitraum unvorstellbar stark und mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit aus.

Das geschah so schnell, dass aus winzigen Störungen, die im Universum vor der Inflation vorherrschten – den so genannten Quantenfluktuationen –, Dichteunterschiede im großen Maßstab entstanden. Durch sie bildeten sich später Strukturen wie die Galaxien im Weltraum.

Nur mit der immensen Geschwindigkeit der kosmischen Inflation können Kosmologen einige der heute beobachteten Eigenschaften des Alls erklären. Etwa, dass die Temperatur der Hintergrundstrahlung in allen Blickrichtungen extrem ähnlich ist oder dass das Universum – zumindest auf großen Skalen – überall gleich aussieht: Während der kosmischen Inflation dehnte sich das winzig kleine, gut durchmischte frühe Universum so schnell aus, dass diese relativ gleichförmige Verteilung erhalten blieb. Regionen, die heute weit entfernt voneinander sind, waren vor der kosmischen Inflation miteinander verbunden.

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