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News: Vagabund oder gescheiterte Existenz?

Wie klein kann ein Stern werden? Darüber diskutieren Astronomen schon seit längerem. Nun wurde vor kurzem im Sternbild Orion ein Körper entdeckt, der für weitere Diskussionen sorgen dürfte.
Planeten?
Ein Stern und ein Planet unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Das erscheint jedem einleuchtend. Beim einen handelt es sich um einen gewaltigen Gasballon, der aufgrund der in seinem Innern stattfindenden Kernfusion hell leuchtet, und beim anderen um einen mehr oder weniger festen Körper relativ kleiner Masse, der eben einen solchen brennenden Gasball umkreist.

Doch es gibt auch gescheiterte Existenzen unter den Sternen, die das Pech hatten, bei ihrer Geburt nicht genügend Materie mitbekommen zu haben. Sie sind so klein, dass der Druck in ihrem Innern nicht ausreicht, Wasserstoff zu Helium zu fusionieren. Sie leuchten deshalb nur schwach im infraroten Wellenbereich. Diese so genannten Braunen Zwerge können allenfalls Wasserstoff und Deuterium – also schweren Wasserstoff – zu Helium fusionieren. Doch wenn der gescheiterte Stern sogar dazu zu klein sein sollte, kann es sehr schwierig werden, ihn von einem Planeten zu unterscheiden.

Das mussten auch letztes Jahr Maria Rosa Zapatero Osorio vom Laboratorio de Astrofisica Espacial y Fisica Fundamental (LAEFF) in Madrid und ihre Kollegen aus Spanien, Deutschland und den USA erfahren. Sie entdeckten durch Beobachtungen am Roque de los Muchachos Observatory auf La Palma im Sigma Orionis Sternhaufen einen Körper, der anscheinend zwischen allen Stühlen sitzt [1].

Das nur etwa drei Millionen Jahre alte und damit nach kosmischen Maßstäben sehr junge Objekt mit der Bezeichnung S Ori 70 ist etwa 1000 Kelvin warm und gerade dreimal so schwer wie der Planet Jupiter. In seiner "Atmosphäre" wiesen die Wissenschaftler durch spektroskopische Untersuchungen Methan und Wasserdampf nach – in Übereinstimmung mit den Entwicklungsmodellen für so kleine Braune Zwerge.

Allerdings ist dieses Objekt selbst unter den Braunen Zwergen ein Winzling und liegt sogar deutlich unter der kritischen Marke von 13 Jupitermassen, die für eine erfolgreiche Deuteriumfusion vorhanden sein muss. Er ist auch kleiner als ähnliche zwischen 5 und 15 Jupitermassen große Objekte, die schon früher in der gleichen Gegend entdeckt wurden. Es ist daher strittig, ob es sich dabei wirklich um einen Braunen Zwerg handeln kann. Tatsächlich könnte der Körper mit seiner kleinen Masse und seiner Methanatmosphäre genauso gut als extrasolarer Gasriese durchgehen. Allerdings fehlt dem Himmelskörper anscheinend ein wichtiger Bestandteil, um ihn als Planet einordnen zu können: eine zentrale Sonne, um die er kreist.

Doch lässt sich S Ori 70 deshalb schon zu den Braunen Zwergen und damit zu den Sternen zählen? Dieser Frage gingen Maria Rosa Zapatero Osario und Eduardo Martin von der University of Hawaii in Manoa jetzt näher auf den Grund, wobei sie das Objekt noch einmal mit dem Keck II-Teleskop auf Hawaiii unter die Lupe nahmen [2].Zunächst einmal versuchten sie herauszufinden, ob der Himmelskörper nicht vielleicht doch um einen fernen Zentralstern kreist.

Tatsächlich fanden die Forscher in der unmittelbaren Nachbarschaft im Abstand von etwa ein bis drei Lichtjahren einen weiteren Stern, sowie drei Braune Zwerge und sogar ein System, das aus fünf Sternen besteht, welche alle um ein gemeinsames Zentrum kreisen. Theoretisch könnten S Ori 70 trotz der großen Entfernungen zu einem dieser Objekte gehören. Doch das erscheint den Wissenschaftlern aufgrund der Tatsache, dass die mittlere Entfernung zweier Sterne in diesem Cluster etwa ebenso groß ist, und aufgrund der wahrscheinlich instabilen Verhältnisse im fünffachen Sternensystem doch eher unwahrscheinlich.

Es gibt allerdings noch die Möglichkeit, dass der Himmelskörper vielleicht irgendwann einmal ein Teil eines Planetensystems gewesen ist und dann aufgrund von Störungen der Planetenbahn – zum Beispiel durch einen nahe vorbeiziehenden Stern – herauskatapultiert wurde.

Doch solche Ereignisse passieren meist nur früh in der Geschichte eines Sternenhaufens, wenn die Sterne sehr dicht beieinander liegen. Das heißt, wenn S Ori 70 tatsächlich ein verstoßener Planet sein sollte, dann zieht er vermutlich schon den größten Teils seines Lebens einsam in diesem Orionsternhaufen herum.

Vagabundierender Planet oder gescheiterter extrem kleiner Stern? Diese Frage lässt sich also nicht mit zufriedenstellender Sicherheit beantworten – noch nicht. Erst weitere Beobachtungen werden zeigen, wie häufig, und vor allem, wo solche Objekte vorkommen. Vielleicht lässt sich dann auch eine Aussage darüber treffen, ob die Trennlinie zwischen Sternen und Planeten wirklich so starr ist, wie bisher angenommen, oder ob der Übergang vielleicht doch fließend ist.

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