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Beobachtungen: Venustransit hinter Wolken

Venustransit über Berlin

Die Venus kennen wir als kosmischen Nachbarn, dessen dichte Wolkendecke niemals aufreißt und die daher jeglichen Blick auf die Oberfläche dieses Planeten verhindert. Ähnlich wie ein hypothetischer Beobachter auf der Venusoberfläche, der noch nie mit eigenen Augen die Sonne sah, müssen sich am Morgen des 6. Juni 2012 zahlreiche Menschen gefühlt haben, die vergeblich zum Osthorizont blickten, um das große astronomische Ereignis dieses Jahres zu erleben: den Vorübergang der Venus vor der Sonne. Leider vereitelte eine hartnäckige Wolkenschicht in weiten Teilen West- und Mitteleuropas den für die nächsten 105 Jahre letzten Blick auf das seltene Schauspiel.

Venustransit über Berlin | Thomas Helms fotografierte die aufgehende Sonne mit der dunklen Scheibe der Venus um 5:06 Uhr MESZ über Berlin.

Bessere Chancen boten sich Beobachtern im Osten und Nordosten Deutschlands sowie im westlichen Teil Polens. Sie profitierten von einem nahezu wolkenfreien Gebiet, das sich von Südskandinavien bis zum Balkan erstreckte. Innerhalb dieses Streifens lag Berlin, wo es Thomas Helms gelang, die schwarze Venus gleich zu Sonnenaufgang zu sichten.





Schwarze Venus mit Lichtsaum | Den Eintritt der Venus nahm Klaus-Peter Schröder am 6. Juni 2012 um 0:20 Uhr MESZ in Mexiko auf. Das Bild wurde absichtlich überbelichtet, um den schwachen Lichtsaum abzubilden, der die schwarze Venusscheibe umgibt (Pfeil). Er entsteht durch die Brechung des Sonnenlichts in der Atmosphäre des Planeten.

Und an vielen Beobachtungsstationen weltweit herrschten ebenfalls passable Wetterbedingungen. So erlebte unser Autor Klaus-Peter Schröder den Beginn des Venustransits am Observatorium Guanajuato in Mexiko: "Guanajuato hatte trotz starker Quellbewölkung Glück. Mit mehr als 100 Besuchern konnten wir den Eintritt fast vollständig verfolgen – nach einem Regenschauer!" Sogar den leuchtenden Ring, der durch die Brechung des Sonnenlichts in der Venusatmosphäre entsteht, bannte Schröder auf den Chip seiner Digitalkamera: "Er ist sogar asymmetrisch leuchtend, genau wie auf den alten Zeichnungen!"



Venus vor der Sonne über Mexiko | Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme, um 0:38 Uhr MESZ, befand sich die Venus vollständig vor der Sonne. In Mexiko ließ sich der Eintritt in einer Höhe von rund 35 Grad über dem Horizont verfolgen.
Ein weiteres faszinierendes Phänomen, das während eines Transits auftritt, ist der "Schwarze Tropfen": Kurz nach dem Eintritt und kurz vor dem Austritt scheint der Rand des dunklen Venusscheibchens durch eine schmale Brücke mit dem Sonnenrand verbunden zu sein. Dabei ähnelt der Umriss des Scheibchens einem Tropfen. Vorgetäuscht wird dieses Phänomen durch die begrenzte Auflösung des Teleskops in Verbindung mit der Randverdunkelung der Sonne. Und je größer die Luftunruhe während der Beobachtung ist, desto deutlicher tritt der Schwarze Tropfen in Erscheinung. An einem Beobachtungsplatz in Ungarn gelang es dem Astrofotografen Sebastian Voltmer, den Schwarzen Tropfen im Bild festzuhalten.
Das Tropfenphänomen | Auf diesem Foto, das Sebastian Voltmer bei klarer Sicht am Morgen des 6. Juni 2012 in Ungarn aufnahm, ist das Venusscheibchen scheinbar mit dem Sonnenrand verbunden. Dieses Phänomen wird auch als "Schwarzer Tropfen" bezeichnet.

Der nächste Venustransit wird erst im Jahr 2117 stattfinden, allerdings wird er von Europa aus nicht sichtbar sein. Hier wird man sich sogar bis zum Jahr 2125 gedulden müssen. Enttäuschten Beobachtern, die am 6. Juni 2012 früh aufstanden, um ihre Bettdecke gegen eine Wolkendecke einzutauschen, bleibt als Trost nur die Erinnerung an den Transit des Jahres 2004 – sofern sie ihn gesehen haben. Dieses Ereignis war in Mitteleuropa bei bestem Wetter und in voller Länge sichtbar.

Ein Mann, der sich heute früh mit seinem H-alpha-Teleskop unter bewölktem Himmel postiert hatte, nahm seinen Misserfolg übrigens recht sportlich: "Wenigstens werde ich heute rechtzeitig die Brötchen holen können."

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