Metallurgie: Vergebliche Schatzsuche
Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus entfachte in Spanien den Hunger nach Gold und Silber aus der Neuen Welt. Doch die erste Siedlung in der Karibik brachte dem italienischen Eroberer nur wenig Ruhm.
Die Funde des raren Edelmetalls elektrisierten ihn ebenso wie das Königspaar Ferdinand und Isabela, die in ständigen kostspieligen Kriegsstreitigkeiten standen, und schon wenige Monate später stach Kolumbus mit 1500 Mann und insgesamt 17 Schiffen erneut in See, um neben dem Seeweg nach Asien auch die ungezählten Reichtümer des vermeintlichen Indiens für die spanische Krone zu sichern.
Hartes Leben in der Neuen Welt
Der Abbau von Gold und Silber gestaltete sich allerdings beschwerlich. Die Erze in der Nähe der jungen Stadt waren wenig ergiebig, ständig gab es Konflikte mit den Taínos, die sich der brutalen Gewaltherrschaft der Spanier nicht fügen wollten. Hurrikane, Hunger und Krankheiten taten ihr Übriges. 1496 musste sich Kolumbus in Spanien für seine Misserfolge vor der Krone verantworten, zwei Jahre später war La Isabela verwaist, die Eroberer weiter nach Süden abgewandert.
Die Überreste der ersten Besiedelung jedoch waren wahre Fundgruben für spätere Archäologen. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts bargen sie die Ruinen des königlichen Speichers – einer geschützten Anlage, die zur Sicherung wertvoller Besitztümer errichtet worden war. Hier fanden sich knapp sechzig Schmelztiegel und flüssiges Quecksilber. In der Nähe eines kleinen Brennofens entdeckten die Archäologen zudem 90 Kilogramm Bleierz und über 200 Kilogramm Metallschlacken. Hatten die Spanier hier also doch die begehrten Edelmetalle entdeckt?
Antike Verfahren für die Gier nach Edelmetall
Die Einwohner von La Isabela, schließen Thibodeau und ihre Kollegen hieraus, hatten anscheinend versucht, das Silber mittels Kupellation aus den Bleierzen zu gewinnen. Bei diesem schon seit der Antike üblichen Verfahren wurde das Bleierz zu Blei reduziert, indem man die Erze zerstieß und sie auf ein Lagerfeuer warf. Im Erz enthaltener Schwefel verflog als Schwefeldioxid, und jegliche Silbervorkommen verbanden sich mit dem Blei. Dieses Bleigemisch wurde dann anschließend in einem Holzkohlenfeuer geschmolzen und mit Hilfe von Blasebälgen oxidiert. Das flüssige Bleioxid kam in einen Trichter, der üblicherweise mit Knochenasche ausgelegt war. In dieser Kupelle wurde das Bleioxid dank einer veränderten Oberflächenspannung schnell von der Asche aufgesaugt. Das Silber jedoch, das anders als unedle Metalle nur sehr schwer oxidiert, blieb in Form kleiner Perlen übrig.
Erze aus der Heimat
Denn die Erze stammten gar nicht von der karibischen Insel. Ihre Zusammensetzung passte zu keinem der Erzvorkommen, die dort registriert wurden. Auf der Suche nach der Herkunft der Steine wurden die Forscher erst in Spanien fündig – in Erzfeldern nahe Cadíz. Sie waren den ganzen langen Weg im Bauch der spanischen Schiffe nach Hispaniola gebracht worden – wahrscheinlich als Reagens zur Gewinnung des ersehnten Silbers. Denn es wäre sicherlich äußerst frustierend gewesen, wenn man in der Neuen Welt zwar Silbervorkommen gefunden hätte, nicht aber die Bleierze, die für die Kupellation benötigt wurden.
Als jedoch in La Isabella keine Edelmetalle gefunden wurden, zogen die meisten der Einwohner nach Süden, wo sie neue Städte gründeten. Unter den Zurückgebliebenen nahmen schießlich die Konflikte zu, vermuten die Forscher: Probleme mit Meutereien sind überliefert. Gegen Ende der Ära von La Isabela muss ein kleiner Trupp Abtrünniger in der verlassenen Stadt noch einmal sein Glück versucht haben. Doch die Männer wussten nicht, wie genau die Kupellation funktioniert, statt des erhofften Silbers erhielten sie unförmige Glasschlacken. Irgendwann gaben sie auf.
Und auch Kolumbus hatte längst bessere Schatzsucher gefunden: die Einheimischen. Mit äußerster Brutalität zwang er die von ihm versklavten Taíno zu einer regelmäßigen Goldabgabe. Wer nicht lieferte, wurde ermordet.
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