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HIV-Prävention: Viel versprechendes Anti-HIV-Vaginalgel überraschend wirkungslos

© Nobel Foundation

Im vergangenen Jahr noch gab es neue Hoffnung für Frauen, die in Gebieten mit hoher Verbreitung von HIV leben: Ein Vaginalgel, das bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner vor Ansteckung schützen soll, hatte in einer medizinischen Studie seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Nun offenbart eine Nachfolgeuntersuchung, dass das Präparat in der Praxis offenbar keinerlei Schutz bietet.

Das berichten Mediziner um Sharon Hillier, Forscherin an der University of Pittsburgh und Leiterin der VOICE-Studie (Vaginal and Oral Interventions to Control the Epidemic), bei der das mit dem Wirkstoff Tenofovir versetzte Gel erprobt wurde. Der Versuch sei auf Anraten einer unabhängigen Gutachtergruppe abgebrochen worden. Rund sechs Prozent der Probandinnen hatten sich trotz Gel mit dem HI-Virus angesteckt – nahezu exakt so viele wie in der Kontrollgruppe, die mit einem wirkungslosen Scheinmedikament behandelt wurde.

Hillier und Kollegen hatten rund 1000 Frauen aus Südafrika, Uganda, Sambia und Simbabwe gebeten, das Gel täglich aufzutragen. Eine ebenso große Probandengruppe bekam lediglich ein Placebo. Beide erhielten darüber hinaus allgemeine Informationen zur HIV-Prävention und Kondome. In vielen von der Aidsepidemie betroffenen Ländern des südlichen Afrika fällt es Frauen schwer, sich mit ihrem Partner auf die Benutzung eines Kondoms zu verständigen. Mit dem Vaginalgel war daher die Hoffnung verbunden, den Frauen eine Präventionsmethode an die Hand zu geben, deren Einsatz sie selbst kontrollieren können.

Den Grund für das Versagen ihres Medikaments vermuten die Wissenschaftler in einer ungenügenden Anwendung des Mikrobizids. Auch wenn genauere Daten noch ausstehen, sei davon auszugehen, dass viele der jungen Frauen auf die Anwendung des Gels verzichteten, so die Studienleiterin. Ähnlich äußerten sich Kollegen, die nicht an der Studie teilnahmen, wie etwa der Immunologe John Moore vom Weill Cornell Medical College in New York. "Es spielt keine Rolle, wie effektiv das Medikament in Wirklichkeit ist. Wenn es in der Tube bleibt, funktioniert es nicht", sagte der Forscher gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Science".

Die im Jahr 2009 begonnene VOICE-Studie hat sich zum Ziel gesetzt, drei verschiedene Strategien zur HIV-Prophylaxe zu überprüfen: Zusätzlich zum Scheidengel testeten die Forscher auch oral verabreichtes Tenofovir sowie den Wirkstoff Truvada, ebenfalls als Tablette. Einzig die Truvada-Erprobung läuft derzeit weiter. Die Untersuchung des oral verabreichten Tenofovir wurde vergangenen September abgebrochen.

In der ursprünglichen Studie, die 2010 eine Wirksamkeit von Tenofovir-Vaginalgel aufgezeigt hatte, waren die Versuchsteilnehmerinnen gebeten worden, das Gel vor und nach dem Geschlechtsverkehr aufzutragen. Von 889 Probandinnen hatten sich nur 38 angesteckt gegenüber 60 Frauen aus der Placebogruppe. Doch bereits bei dieser Erprobung hatte sich inkonsequente Anwendung als größtes Problem angedeutet: Eine Reanalyse der Daten offenbarte, dass diejenigen, die das Gel besonders gewissenhaft verwendet hatten, noch einmal merklich besser geschützt waren.

Die Anforderung, das Medikament täglich zu nehmen, habe es den Probandinnen der VOICE-Studie nicht eben leichter gemacht, mutmaßt Hillier: "Es ist schwer, sich jeden einzelnen Tag um eine Krankheit zu kümmern, die man noch gar nicht hat."

Die Ergebnisse der VOICE-Studie zeigen, dass sich Präparate auf Tenofovirbasis bislang nicht zur HIV-Prävention eignen. Zur Behandlung einer bereits bestehenden HIV-Infektion ist das Virostatikum hingegen seit 2001 zugelassen und gilt als erprobtes Medikament. In aller Regel wird es gemeinsam mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen verabreicht. Es hindert das Virus bei der Vermehrung, indem es den Bau wichtiger Enzyme unterbindet. (jd)

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