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Musikgeschichte: Vier Meisterbauer prägten die Form der heutigen Geigen

Die Form von Violinen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nur wenig verändert. Einer Analyse von mehr als 7000 Geigen zufolge ist das vor allem der Orientierung an berühmten Vorbildern und Familienbanden geschuldet.
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Seit der Entstehung der ersten Violinen im 16. Jahrhundert in Italien feilten Geigenbauer auf der ganzen Welt an ihren Konstruktionsprinzipien: So variierten sie etwa die Zahl und die Spannung der Saiten oder begaben sich auf die Suche nach dem besten Holz, um den Klang ihrer Streichinstrumente immer weiter zu perfektionieren. Ausgerechnet die äußere Form der Violine veränderte sich im Lauf der Jahrhunderte jedoch nur wenig. Die feinen Unterschiede, die dennoch eingeführt wurden, hatten allerdings keine funktionale Grundlage, denn die Kontur des Instruments hat tatsächlich nur wenig Einfluss auf seine akustischen Qualitäten. Die Gestalt der Geigen wurde vielmehr dadurch geprägt, dass viele Geigenbauer große Meister imitierten und diese Tradition auch an nachfolgende Familiengenerationen weitergaben. Das zeigt nun eine Studie von Daniel Chitwood vom Donald Danfroth Plant Science Center in St. Louis.

Chitwood untersuchte anhand von Bildern von Auktionshäusern rund 7000 Violinen und analysierte, wie sich ihre Form innerhalb von 400 Jahren veränderte. Dabei entdeckte er, dass sich viele Geigenbauer in Bezug auf die Optik an erfolgreichen Vorbildern orientierten. Einen Großteil von ihnen konnte der Forscher vier verschiedenen Gruppen zuordnen, benannt nach ihren berühmtesten Vertretern: Maggini, Amati, Stainer und Stradivari.

Vor allem der Italiener Antonio Stradivari (um 1648-1737), der seine berühmten Violinen Anfang des 18. Jahrhunderts schuf, fand viele Nachahmer. So griff etwa der Pariser Geigenbauer Jean-Baptiste Vuillaume (1798-1875) Stradivaris Design rund 100 Jahre später wieder auf und machte es auf der ganzen Welt populär. Historische Quellen legen nahe, dass Vuillaume vor allem aus Gründen des Profits handelte, denn damals wuchs die Nachfrage nach Streichinstrumenten, die denen der großen Meister aus Cremona ähnelten. Also legte er seine Arbeiten an neuen Modellen auf Eis und produzierte eifrig Stradivari-Kopien, die seine Kasse bald klingeln ließen.

Form folgt Tradition

Aber auch Familienbande spielten immer wieder eine große Rolle, wenn es um die Entwicklung der Geigenform ging. So stellte Chitwood fest, dass viele Familien, in denen gleich mehrere Generationen den Beruf des Geigenbauers ausübten, einer bestimmten Optik treu blieben. So reihten sich gleich vier Mitglieder des Hauses Gagliano in den Stradivari-Cluster ein, während beispielweise Eugenio Degani und sein Sohn Giulio der Tradition des Tiroler Geigenbauers Jakob Stainer (um 1619-1683) folgten.

Studien legen nahe, dass vermutlich nur echte Kenner mit den Feinheiten in der Form einer Violine etwas anfangen können, erklärt der Autor in seiner Arbeit. Ein normaler Verbraucher könne wahrscheinlich nicht erkennen, worin sich eine alte italienische Stradivari von einem modernen, qualitativ hochwertigen Instrument unterscheidet. Das sei allerdings auch egal, glaubt Chitwood. Solange sich die Kopien der alten italienischen Meisten deutlich besser verkaufen und deutlich höhere Preise erzielen, reicht das aus, um den Ton in puncto Form und Optik anzugeben.

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