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Beobachtungstipp: Vier Sternbedeckungen zum Jahresende

Zum Jahresende ereignen sich gleich mehrere vom deutschen Sprachraum aus sichtbare Sternbedeckungen durch Kleinplaneten. Weil die Sterne allesamt um 10 mag hell oder heller sind, lassen sich diese Ereignisse auch mit kleineren Teleskopen gut verfolgen.
Asteroid (22) Kalliope mit Mond Linus
Bei einer Sternbedeckung zieht ein Kleinplanet vor einem viel weiter entfernten Stern vorbei und blockt dessen Licht kurzzeitig ab. Dabei hängt die Dauer der Bedeckung von der Größe, Entfernung und Geschwindigkeit des Asteroiden ab, sie beträgt meist nur wenige Sekunden. Ist der Kleinplanet deutlich lichtschwächer als der Stern, so wirkt es, als ob das Sternlicht kurzzeitig "ausgeknipst" wird. Je nach Helligkeit des Sterns benötigt man zur Beobachtung ein Teleskop oder ein stabil montiertes Fernglas, seltener lässt sich eine solche Okkultation auch mit dem bloßen Auge verfolgen.

Der Schatten des Asteroiden überstreicht ähnlich dem des Mondes bei einer totalen Sonnenfinsternis nur einen schmalen Streifen auf der Erde. Beobachter innerhalb dieses Streifens können je nach Position eine unterschiedlich lange Bedeckung verfolgen. Aus den genauen Bedeckungszeiten, gemessen von möglichst vielen Beobachtern, lassen sich präzise Aussagen über die Größe und Form des bedeckenden Himmelskörpers ableiten. Deshalb bieten Sternbedeckungen auch heute noch eine Möglichkeit zur wissenschaftlichen Betätigung für Amateurastronomen.

Hinweise, wie man eigene, wissenschaftlich verwertbare Beobachtungen von Sternbedeckungen durchführt, finden sich beispielsweise auf den Internetseiten der International Occultation Timing Association (IOTA).

Ende November und Anfang Dezember 2011 kommt es nun zu gleich vier gut zu beobachtenden Sternbedeckungen durch Kleinplaneten des Asteroidenhauptgürtels. Sämtliche Vorhersagen stammen von dem amerikanischen Astronomen Steve Preston, der auf seiner Homepage kurzfristige Updates zur Verfügung stellt. Diese sollten bei der Beobachtungsvorbereitung unbedingt berücksichtigt werden, da es aufgrund von Ungenauigkeiten der Kenntnis der Asteroidenbahnen zu Veränderungen der Bedeckungsparameter kommen kann. Auf Prestons Seite kann man sich auch den jeweils aktuell vorhergesagten Verlauf des Bedeckungspfads anzeigen lassen.

(4342) Freud bedeckt TYC 1312-01598-1
Schattenpfad der Sternbedeckung durch (4342) Freud | Der Schatten bewegt sich von Ost nach West. Bei allen Karten zeigen die dunkelgrünen Linien die Pfadgrenzen. Die gestrichelten blauen Linien markieren die Ein-Sigma-Fehlergrenze. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent liegt der Pfad innerhalb dieser Grenzen.
Am 25. November bedeckt der 16,7 Kilometer große Hauptgürtelasteroid (4342) Freud den 8,7 mag hellen Stern TYC 1312-01598-1, der sich etwa auf halbem Weg zwischen der Sternbildern Orion und Zwillinge befindet. Die Bedeckung ereignet sich gegen 23:34 MEZ zu einer günstigen Beobachtungszeit, dauert aber nur maximal 1,6 Sekunden. Der gerade einmal 20 Kilometer breite Bedeckungspfad überstreicht die Schweiz, Österreich und den äußersten Süden Deutschlands.

(4342) Freud wurde 1987 entdeckt und ist nach dem berühmten Forscher Sigmund Freud benannt. Er trägt die alternative Bezeichnung 1987 QO9. Der Himmelskörper ist zum Zeitpunkt der Bedeckung nur 16,5 mag hell, also in mittleren und kleinen Teleskopen nicht sichtbar. Während der Bedeckung "verlischt" der bedeckte Stern daher kurzzeitig im Teleskop, die Helligkeit sinkt in Wirklichkeit um 7,8 Magnituden auf die des Asteroiden ab.

(2453) Wabash bedeckt TYC 2416-00024-1
Bedeckung durch (2453) Wabash | Der vorausberechnete Pfad für die Bedeckung durch (2453) Wabash. Auch hier ist die Bedeckung zuerst im Osten zu beobachten.
Ganz ähnlich verläuft die Bedeckung des 9,1 mag hellen Sterns TYC 2416-00024-1 am 1. Dezember durch den 26 Kilometer großen Hauptgürtelasteroiden (2453) Wabash. Sie erfolgt ebenfalls am Abend, genauer gegen 22:11 MEZ. Der Stern befindet sich inmitten der Konstellation Auriga und ist damit ebenfalls gut zu sehen. Für maximal 2,1 Sekunden sinkt die Helligkeit des Sterns während der Bedeckung um 6,5 mag auf 15,6 mag – die Helligkeit des Asteroiden – ab. Ideal postiert sind Beobachter quer durch die Mitte Deutschlands etwa auf einer Linie Aachen-Berlin. Der Bedeckungspfad ist etwa 27 Kilometer breit.

(2453) Wabash wurde 1921 von Karl Wilhelm Reinmuth in Heidelberg entdeckt. Er wurde auf Vorschlag von Brian Marsden nach Bob (Wabash) Warshow benannt, einem Mitarbeiter des Harvard-Smithsonian Centers für Astrophysik.

(116) Sirona bedeckt TYC 0282-00753-1
Bedeckung durch (116) Sirona | Der Schatten von (116) Sirona streift Mitteldeutschland von West nach Ost. Österreich liegt noch innerhalb der südlichen Fehlergrenze.
Nur knapp drei Tage später, am 4. Dezember, bedeckt der Asteroid (116) Sirona den Stern TYC 0282-00753-1, leider erst am frühen Morgen gegen 3:53 MEZ. Der Stern liegt im Sternbild Jungfrau und ist 7,7 mag hell. Mit einem Durchmesser von 71 Kilometer ist (116) Sirona etwas größer als die beiden obigen Exemplare, die Bedeckung des Sterns dauert immerhin maximal 3,3 Sekunden. Mit 12,8 mag ist der Asteroid ebenfalls etwas heller, somit fällt die Helligkeit des Sterns (korrekt: die kombinierte Helligkeit aus Stern und Asteroid) um 5,1 mag. In einem größeren Fernrohr wird der Asteroid sichtbar bleiben. Wiederum ist die Mitte Deutschlands bevorzugt: der Schatten trifft einen 118 Kilometer breiten Pfad etwa entlang einer Linie Ruhrgebiet-Thüringen.

Die dreistellige Zahl "116" gibt an, dass Sirona bereits länger bekannt ist als (2453) Wabash und (4342) Freud: Sie wurde 1871 von dem deutsch-amerikanischen Astronomen Christian Heinrich Friedrich Peters entdeckt und ist nach der keltischen Gottheit Sirona benannt.

Herausforderung: (22) Kalliope bedeckt UCAC2 42217550
Die Schattenpfade von (22) Kalliope und ihres Monds Linus am 22. November
Bereits am kommenden Dienstag, den 22. November, bedeckt ein noch größerer Asteroid, (22) Kalliope, den Stern UCAC2 42217550 im Sternbild Fuhrmann. (22) Kalliope ist 181 Kilometer groß und zum Zeitpunkt der Bedeckung 10,6 mag hell. Damit ist sie noch etwas heller als der Stern, der 10,8 mag erreicht. Die gemeinsame Helligkeit der beiden Objekte wird sich um die Bedeckung herum etwa bei 10 mag bewegen. Damit beträgt der Helligkeitsabfall dieser kombinierten Helligkeit auf die des Asteroiden während der Bedeckung nur etwa 0,7 mag, was nur erfahrene Beobachter visuell wahrnehmen dürften.

Gut zu sehen dürfte die Bedeckung daher vor allem auf Videoaufnahmen sein – vor allem, da die Bedeckung aufgrund der Größe des Kleinplaneten im Maximum ganze 25,4 Sekunden andauern wird! Sichtbar ist diese Bedeckung für Beobachter im Westen und Südwesten Deutschlands, im Osten der Schweiz und im Westen Österreichs entlang eines rund 220 Kilometer breiten Bedeckungspfads. Leider findet das Ereignis schon frühmorgens gegen 03:30 MEZ statt.

Besonders interessant ist diese Bedeckung, weil (22) Kalliope über einen kleinen Mond verfügt. Linus, wie der Begleiter genannt wird, kann ebenfalls eine Sternverfinsterung verursachen, allerdings ist diese noch schwieriger vorherzusagen als diejenige eines regulären Asteroiden. Vorsichtigen Prognosen nach könnten Beobachter in Frankreich die Sternbedeckung dieses Asteroidenmonds beobachten.

Asteroid (22) Kalliope mit Mond Linus | (22) Kalliope und ihr Mond Linus, aufgenommen im Jahr 2010 von der adaptiven Optik des W.M. Keck-Teleskops II auf Hawaii.
Wie die Sternbedeckung des Asteroiden (472) Roma im vergangenen Jahr eindruckvoll zeigte, bestehen bei den Vorhersagen von Sternbedeckungen große Unsicherheitsmargen. Die in den Karten eingezeichneten Linien geben die 1- beziehungsweise 2- Sigma-Fehlergrenzen an, das heißt mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent wird die Bedeckung innerhalb dieser Grenzen zu beobachten sein. Aber auch außerhalb davon bestehen realistische Chancen! Die maximale Länge der Bedeckung sehen Beobachter nur auf der Zentrallinien des Schattenpfads – wie auch bei einer Sonnenfinsternis. Weiter entfernt von dieser Linie dauert die Bedeckung weniger lange.

Über die Einsendung möglichst vieler aussagekräftiger Beobachtungen freut sich die europäische Sektion der IOTA. Auf deren Seite findet man auch Hinweise zur korrekten Zeitnahme – denn nur gut geplante und dokumentierte Beobachtungen lassen sich wissenschaftlich verwerten.

Jan Hattenbach

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