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Klimatologie: Vogelkot kühlt die Arktis

Millionen Seevögel brüten jedes Jahr in der Arktis. Ihre Ausscheidungsprodukte scheinen dabei auch das Klima zu beeinflussen. Doch wie groß ist der Effekt?
Küstenseeschwalben auf Spitzbergen

Die Arktis heizt sich durch den Klimawandel schneller auf als der Rest des Planeten, 2016 lagen beispielsweise die Durchschnittstemperaturen in arktischen Regionen Russlands 6 bis 7 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel. Und auch das Meereis schwindet rasch und nachhhaltig, wie die neuesten Daten bestätigen. Auf der anderen Seite entdecken Wissenschaftler immer wieder neue Faktoren, die das arktische Klima beeinflussen – und die Region zum Teil sogar kühlen. Die Hinterlassenschaften von Millionen Seevögeln etwa leisten einen Beitrag, die Temperaturen vor Ort zu senken, wie Betty Croft von der Dalhousie University in Halifax und ihr Team herausgefunden haben: Der Kot sorgt dafür, dass sich vermehrt Wolken über der Region bilden, die wiederum die Sonneneinstrahlung vermindern und so kühlend wirken.

Rund um die Arktis existieren im Sommer riesige Seevogelkolonien, deren Kot einen hohen Anteil an Stickstoffverbindungen enthält – dieses auch Guano genannte Material wird teilweise kommerziell abgebaut und kommt als Düngemittel zum Einsatz. Aus diesen Ausscheidungen gast Ammoniak aus, das sich in der Atmosphäre mit Schwefelsäuretröpfchen und Wasserdampf zu Aerosolen verbindet. Diese neuen Teilchen wachsen durch weitere Wasseransammlungen, wodurch neue Wolken entstehen. Die Schwefelsäure ist dabei ebenfalls natürlichen Ursprungs und entwickelt sich aus Dimethylsulfid (DMS), das wiederum vom Plankton im Meer an die Umgebung abgegeben wird.

Insgesamt kalkulieren Croft und Co, dass die daraus resultierenden Wolken die Einstrahlung im räumlichen Umfeld der Brutplätze um mehr als ein Watt pro Quadratmeter reduziert. Hochgerechnet auf die gesamte Arktis beträgt der Effekt immerhin noch 0,5 Watt pro Quadratmeter. Dieser natürliche Einfluss reiche bei Weitem nicht aus, um die Erwärmung der Arktis zu bremsen, zumal er schon immer Teil des Ökosystems im hohen Norden war, so die Wissenschaftler. Das Ergebnis zeige aber ebenso, welche bislang nicht ausreichend berücksichtigten Faktoren das regionale Klima beeinflussen. Ihre Daten könnten daher die Klimamodelle verbessern. Unklar ist zudem der Trend: Rund um den Atlantik erlebten viele Seevogelkolonien der gemäßigten Breiten in den letzten Jahren gravierende Brutausfälle, weil die Beutefische der Tiere nach Norden oder in größere Meerestiefe abgewandert sind: Die Fische versuchen so, dem wärmeren Wasser zu entgehen. Wie sich dadurch die Arten in der Arktis entwickeln, ist unbekannt; anzunehmen ist, dass viele Seevögel ihrer Nahrung ebenfalls gen Nordpol folgen und andere Spezies sich mittelfristig vermehren, weil mehr Beute vorhanden ist. All diese Faktoren könnten zukünftig die Wolkenbildung in der Arktis in der einen oder anderen Richtung beeinflussen.

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